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Corona-Demo im Regionalfernsehen
Unzulässige politische Werbung?

Immer wieder demonstrieren Menschen gegen die Corona-Maßnahmen - viele von ihnen sind unzufrieden mit der Berichterstattung. In Stuttgart soll der Initiator der Proteste Sendezeit bei einem Regional-Fernsehsender gekauft haben. Doch das widerspricht dem politischen Werbungsverbot.

Von Thomas Wagner | 24.08.2020
Tausende feiern das Ende der Pandemie und den Tag der Freiheit in Berlin mit einem Umzug durch das Regierungsviertel am 1. August 2020
Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen Anfang August in Stuttgart (imago / Müller-Stauffenberg)
Seit über 20 Jahren produziert die baden-württembergische L-TV Landesfernsehen GmbH mit Sitz in Winnenden regionale Fernsehprogramme, seit 2005 vor allem für die Regionen Heilbronn und Hohenlohe-Franken.
Nach Angaben der baden-württembergischen Landesanstalt für Kommunikation (LfK) erreicht der Sender im analogen Kabel um die 90.000 Haushalte, im digitalen Kabel sogar über eine Million. L-TV gilt somit unter den privaten Fernsehanbietern im Südwesten als vergleichsweise große Nummer – und hat sich nun womöglich großen Ärger eingehandelt. Wolfgang Kreißig, Präsident der baden-württembergischen Landesanstalt für Kommunikation:
"Wir haben Hinweise bekommen, dass es Übertragungen von Demonstrationen der Initiative 'Querdenker 711' gegeben haben soll in dem Sender. Und das besondere daran war, dass wir eben Hinweise bekommen haben, dass das nur gegen Entgelt erfolgt ist. Und das ist der Punkt, warum wir den Fall aufgegriffen haben. Und es gibt dazu auch öffentliche Äußerungen der Organisatoren, weshalb wir auch hinreichend Anhaltspunkte gehabt haben, um hier tätig zu werden."
Der Medien- und IT-Unternehmer Michael Ballweg gilt als Gründer der Initiative "Querdenker 711", die Demonstrationen gegen die Corona-Einschränkungen organisiert. Mitglieder der Querdenker stellen die Gefährlichkeit des Corona-Virus in Abrede.
Sendezeit "gekauft"
"Ja, wir haben schon eine gute Reichweite erreicht über Youtube, über die Live-Übertragungen auf L-TV. Und weil das sehr gut funktioniert hat mit L-TV, habe ich diese Woche die freien Sendekapazitäten des Sender L-TV für die Woche vor und nach dem 01.08.2020 gekauft."
Auf einer Kundgebung in Stuttgart, festgehalten in einem Youtube-Video, gibt Ballweg offen zu, Sendezeit bei L-TV, wie er selber sagt, "gekauft" zu haben. Wenn dem so sei, wäre dies allerdings unzulässig, betont LfK-Präsident Wolfgang Kreißig und verweist auf die geltende Rechtslage:
"Die eine Regelung ist: Verbot der politischen Werbung. Also Politik soll Gegenstand der Berichterstattung sein, aber nicht etwas, das man kaufen kann und was der Nutzer möglicherweise dann nicht erkennt, dass er hier zu einer politischen Meinung geführt wird, die vom Veranstalter nicht kritisch hinterfragt wird. Das sollte nicht sein."
Im vorliegenden Fall bestehe der Verdacht, dass L-TV gegen diese Regel verstoßen habe. Allerdings: Ob tatsächlich Geld geflossen ist - will heißen: ob tatsächlich gegen das Verbot politischer Werbung verstoßen worden ist, müssten die weiteren Befragungen zeigen.
Hier, heißt es bei der LfK vorsichtig, sei noch nichts bewiesen. Auf eine Feststellung legt Präsident Wolfgang Kreißig allerdings Wert: Es gehe nicht darum, dem Sender einen Maulkorb umzuhängen und von Seiten der Aufsichtsbehörde die Berichterstattung über die Aktivitäten der Querdenker zu verbieten.
Mögliches Bußgeld
"Das ist ja genau die Aufgabe, die ein Rundfunkveranstalter hat, dass er eben journalistisch redaktionell berichtet. Und das umfasst natürlich nicht nur den Mainstream, sondern auch, dass abweichende und unbequeme Meinungen dargestellt werden und die dann im Rahmen der journalistischen Berichterstattung dann auch eingeordnet werden. Und das ist etwas ganz anderes, als wenn ich ohne eine solche Einordnung einfach gegen Geld Sendezeit zur Verfügung stelle und dann unkommentiert quasi eine politische Position einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe veröffentliche."
L-TV-Geschäftsführer Manfred Kusterer betonte heute auf Anfrage des Deutschlandfunks, sein Sender sei bestrebt, geltende Gesetze zu achten und einzuhalten. Um die aktuellen Vorwürfe zu klären, werde das Sendeunternehmen offen mit der Landesanstalt für Kommunikation zusammenarbeiten und auch alle erforderlichen Unterlagen zur Verfügung stellen. Im Übrigen seien Sendungen und Beiträge der Querdenker derzeit aus dem Programm genommen worden. Allerdings: Kann ein Verstoß gegen das politische Werbungsverbot juristisch wasserdicht bewiesen werden, zöge dies Konsequenzen nach sich. Wolfgang Kreißig von der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg:
"Dann könnte ein Bußgeld verhängt werden. Es könnte aber auch eine Beanstandung erfolgen bis hin zum Lizenzentzug. Aber das wäre jetzt sozusagen die größtmögliche Maßnahme. Aber das hängt sehr stark vom Einzelfall ab. Wie groß ist der Umfang des Verstoßes und die Rahmenbedingungen? Das ist sozusagen das Spektrum, das es gibt."