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Corona-Folgen
Fällt die Kultur ins Haushaltsloch?

Auf 22,4 Milliarden Euro beläuft sich der Umsatzverlust der Kreativwirtschaft im letzten Jahr. Auch für das Jahr 2021 ist die Prognose in Bezug auf die kommunale Förderung düster. Kultur müsse aber eine gesamtstaatliche Aufgabe sein, fordert der Kulturdezernent des Deutschen Städtetages, Klaus Hebborn.

Klaus Hebborn im Gespräch mit Anja Reinhardt | 20.02.2021
In der offenen Schublade einer Kasse liegt etwas Kleingeld, die Fächer für die Geldscheine sind leer. Auf den Fächern liegt der Schriftzug Corona.
Leere kommunale Kassen (imago-images / K.Schmitt)
Ob die Pandemie den Kulturbereich auch noch im Jahr 2022 stark einschränken wird, das lässt sich heute noch schwer sagen. Sicher dürfte aber sein, dass es finanziell schwierig wird, da viele Einrichtungen von den Kommunen gefördert werden. Und deren Kassen werden kaum prall gefüllt sein, wenn die Steuereinnahmen geringer werden. Wenn Strukturen erst einmal weg seien, dann kämen sie später kaum wieder, befürchtet Klaus Hebborn im Dlf. Er ist beim Deutschen Städtetag für das Dezernat Bildung, Kultur, Sport und Gleichstellung zuständig.

Das komplette Interview zum Nachlesen:
Anja Reinhardt: Was bedeuten die geringeren Steuereinnahmen für die Kultur bedeutet?
Klaus Hebborn: Die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für die Kommunen werden erheblich sein. Wir werden nicht nur geringere Einnahmen, sondern auch einen Anstieg von Sozialausgaben haben. Deshalb werden die Kommunen da in eine finanzielle Schieflage geraten, wenn nicht von Bund und Ländern massiv weiter unterstützt wird. Für die Kultur bedeutet das durchaus eine Gefahr, weil die Kultur eine besondere Situation hat: Zum einen haben die Kommunen an den Kulturausgaben den höchsten Anteil von Bund, Ländern und Kommunen. Der liegt zwischen fünfzig und wenn man Nordrhein-Westfalen betrachtet, sogar achtzig Prozent.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
Reinhardt: Man muss sagen, dass das eine freiwillige Aufgabe der Kommunen ist, die Kultur zu finanzieren. Oder?
Hebborn: Die zweite Besonderheit ist, dass die Kultur eine sogenannte rechtlich freiwillige Aufgabe darstellt. Von daher ist nicht bestimmt, wie viel Kultur eine Stadt fördern muss, sondern nur, dass sie Kultur fördern muss. Und da gibt es natürlich einen großen Spielraum. Und wenn finanzielle Spielräume schwinden, dann wird sich das direkt auf die Kultur auswirken.

Verluste bei der Gewerbesteuer

Reinhardt: Ich will das mal ein bisschen konkretisieren. Es geht um fehlende Steuereinnahmen, Gewerbe, Einnahmen und so weiter. Müssen wir uns da jetzt ein Szenario vorstellen, wenn überhaupt mehr Geld für die Kultur da sein soll? Dass jetzt demnächst noch mehr Blitzer überall stehen, damit wenigstens ein bisschen Geld in die kommunalen Kassen fließt?
Hebborn: Ich glaube, da einen unmittelbaren Zusammenhang herzustellen, ist falsch. Und das wird auch der Größenordnung nicht gerecht. Wir reden bei den Gewerbesteuerverlusten über Milliarden. Allein zwischen 2019 und 2020 haben wir Mindereinnahmen von acht Milliarden Euro und das wird selbst bei Blitzern an jeder Ecke niemals reinzuholen sein. Insofern werden die Kommunen das alleine nicht schultern können. Wir brauchen Hilfe, vor allem vom Bund.
Umgebaute Sitzreihen zur Einhaltung der Abstandsregeln im Berliner Ensemble, aufgenommen in Berlin, 28.05.2020. Aufgrund der Einschraenkungen durch das Corona-Virus koennen viele Kurlturhaeuser, Theater, Kinos und dergleichen nicht oeffnen. Die Kulturbranche befuerchtet daher existentielle Verluste durch fehlende Einnahmen. Das Berliner Ensemble versucht sich mit dem Umbau der Sitzreihen einer Rueckkehr zum Betrieb zu naehern.
Kulturwirtschaft in der Pandemie: "Überleben unsicher"
Eine Prognose des Kompetenzzentrums für Kultur- und Kreativwirtschaft zeichnet für die Branche ein finsteres Bild der wirtschaftlichen Lage. Die Umsätze dürften in den Jahren 2020 und 2021 um 30 bis 50 Milliarden Euro sinken, sagte Studienautor Olaf Arndt im Dlf.
Anja Reinhardt: Wenn deutlich weniger Geld für die Kulturförderung da ist, dann bedeutet das ja auch, dass Strukturen damit beschädigt werden. Strukturen, die den Nachwuchs fördern, die ein Kulturleben in der Kommune lebendig halten. Also wird da ganz viel einfach verloren gehen.
Hebborn: Das ist unsere große Sorge, denn in der Kultur ist es so: Wenn Strukturen erst einmal weg sind, dann kommen sie kaum wieder. Eine Kultureinrichtung, die geschlossen wird, wird kaum wieder auferstehen können. Deshalb wird sich das schon gravierend auswirken, wenn wir nicht gegensteuern. Wir werden einen Rückgang bei den kommunalen Zuschüssen für die etablierten Kultureinrichtungen wie Theater, Oper oder Museen haben. Diese werden dann den Gürtel enger schnallen müssen und wir werden Kürzungen beim Angebot an der einen oder anderen Stelle haben. Vor allem aber wird es schwieriger sein, auch die freie Kulturszene in den Kommunen zu fördern, die ja gerade auch die Vielfalt von Kultur darstellt. Und es wird auch mittelbare Auswirkungen natürlich auf die Kulturschaffenden, Künstlerinnen und Künstler selber haben. Denn die kommunalen Einrichtungen und auch die freie Kulturszene sind natürlich auch Arbeitgeber. Insofern werden dann Kulturschaffende auch weniger Betätigungsfelder finden. Es wird eigentlich alle treffen und insgesamt wird das auch ein Verlust von städtischem Leben geben, wenn wir nicht die Kultur schützen und uns vor allem darum kümmern, dass die Strukturen nicht wegbrechen.

Theater versus Museum

Anja Reinhardt: Möglicherweise kommt auch noch ein Konkurrenzkampf innerhalb der Kultur dazu. Also es ist ja jetzt schon so, dass die verschiedenen Kultureinrichtungen unterschiedlich gefördert werden. Da gibt es durchaus auch Museumsdirektoren, die sagen, "wenn ich mir angucke, wie in den Theatern jeder einzelne Theatersitz finanziert wird. da werde ich ganz neidisch.". Ist zu befürchten, dass da eine Sparte gegen die andere ausgespielt wird?
Hebborn: Ich hoffe, dass das nicht stattfindet. Und ich vertraue auch auf die eingespielte Kulturförderung, die es in den Kommunen gibt. Wir hatten in den vergangenen Jahren vor der Pandemie finanziell gesehen gute Zeiten. Die meisten Kommunen bis auf wenige haben schwarze Haushaltszahlen geschrieben und man konnte feststellen, dass es der Kultur auch gut geht.
Anja Reinhardt: Jetzt haben Sie zu Beginn des Interviews auch schon Bund und Länder in den Blick genommen, deren Mittel aber irgendwann auch erschöpft sind. Was bedeutet das, dass es wieder mehr privates Mäzenatentum geben wird? Oder wird es letztendlich ein teilweises Sterben der Kultur bedeuten?
Hebborn: Ich glaube, dass wir das insgesamt als Gesamtstaat durchaus schultern können, weil der Bund zeigt ja auch hier in der Krise insgesamt seine finanzielle Stärke. Natürlich wird das irgendwo auch auf die Zukunft hin auf Pump finanziert. Aber ich glaube nicht, dass man davon ausgehen kann, dass privates Mäzenatentum oder Sponsoring in irgendeiner Form die öffentliche Kulturförderung wird ersetzen können. Das muss eine gesamtstaatlich zu betrachtende Aufgabe sein, und da darf die Kultur jedenfalls nicht am Ende stehen.