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Corona-Krise
So werden Virusnachweis-Kits produziert

Gesichtsmasken und Schutzanzüge sind in der Corona-Krise zur Mangelware geworden. Wichtig ist aber auch, dass es ausreichend Möglichkeiten gibt, den Erreger SARS-CoV-2 bei Verdacht überhaupt nachzuweisen. Ein Hamburger Unternehmen arbeitet daran mit Hochdruck.

Von Axel Schröder | 06.03.2020
Die Pack- und Versandabteilung von "Altona Diagnostics" hat alle Hände voll zu tun. Die Mitarbeiter der Hamburger Firma tragen blaue Gummihandschuhe, sortieren kleine Plastikröhrchen mit Schraubverschluss in Pappschachteln, stellen die Test-Kits für das Coronavirus zusammen.
"Das ist die Produktbox für unser neues Kit, das den SARS-Coronavirus-2-Erreger nachweist. Das sieht aus wie all unsere Produkte zum Nachweis von Viren oder anderen Pathogenen. Das ist ein Karton, den man aufklappen kann und darin sind die verschiedenen Komponenten in so genannten Schraubröhrchen drin", erklärt Meike Thiel, die Leiterin der Unternehmenskommunikation bei "Altona Diagnostics".
Tests im Kühlschrank
Im Hintergrund surren riesige, weiße Kühlschränke, halten die noch nicht verpackten, aber schon befüllten Plastikröhrchen mindestens minus 15 Grad kalt. Auch an den langen Sortiertischen dampft das Trockeneis aus großen Styroporbottichen. Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden.
"Das Plastikröhrchen ist dann gelabelt, mit einem Etikett beklebt. Da steht dann nochmal drauf: der genaue Produktname. Das ist dann hier 'Real Star – SARS-CoV-2' und die Komponente, um die es sich handelt. In diesem Fall 'Master A'."
Gegründet wurde "Altona Diagnostics" 2007 und hatte damals gerade mal drei Mitarbeiter. Heute beliefert "Altona Diagnostics" Krankenhäuser und Labore auf allen Kontinenten.
Gleich nach dem Zusammenstellen der Corona-Test-Kartons übernehmen die Kollegen der Versandabteilung. Damit die Test-Kits den Transport mit Lieferwagen oder Flugzeug überstehen, schaufeln sie Trockeneis in graue Styroporboxen, damit die Flüssigkeit in den Plastikröhrchen auch auf dem Transport zwischen minus 25 bis minus 15 Grad kalt bleibt, erklärt Thiels Kollege Stephan Ölschläger.
"Die Flüssigkeit enthält Bestandteile für eine biologische Reaktion. Man benutzt ja auch das Wort 'Enzyme' für Biokatalysatoren. Und diese Enzyme machen in diesem Fall Kopien eines bestimmten Abschnitts der Erregersequenz. Und das wird am Ende nachgewiesen."
Produktion auf Hochtouren
Schon kurz nach Bekanntwerden der ersten Corona-Infektionen in China setzte sich das Entwicklungs-Team von "Altona Diagnostics" zusammen und beriet über die neue Krankheit. Dann wurden die entscheidenden Gensequenzen von SARS-Coronavirus-2 veröffentlicht, die Entwicklung der Zutaten für das neue Testverfahren konnte starten. Mittlerweile läuft die Produktion und die hohe Nachfrage nach den neuen Tests verlangt den Mitarbeitern einiges ab, so Stephan Ölschläger:
"Wir haben ja auch noch unser Tagesgeschäft, was wir genauso erfüllen wie zu anderen Zeiten, wo wir hier keine SARS-Coronavirus-2-Ausbrüche haben. Das wollen wir auch nicht aufgeben. Auch die anderen Erreger müssen detektiert werden. Wir können uns nicht nur auf einen Erreger konzentrieren. Nichtsdestotrotz versuchen wir gerade, unsere Kapazitäten aufzustocken, um auch der Nachfrage gerecht zu werden."
Den genauen Preis für das neue Test-Kit will Ölschläger nicht verraten. Nur so viel: Jedes Test-Kit kostet einen vierstelligen Betrag, liefert dann aber Analysen für rund 100 Proben. Und trotz der hohen Nachfrage liegt der Preis im gleichen Bereich wie für die anderen Tests der Firma.
"Klassische Grippe - dafür bieten wir auch ein Test-Kit an. Durchfallerkrankungen, sehr stark nachgefragt sind unsere Produkte im Bereich der Testung von immunsupprimierten Patienten, im Transplantationsbereich beispielsweise. Aber wir haben auch Test-Kits für HIV, HBV und HCV, also die Hepatitis-Erreger und Humanes Defizienz-Virus."
Problem: Vorprodukte kommen aus China
Nicht nur der zusätzliche Personalbedarf sei derzeit eine Herausforderung, sondern auch der Materialnachschub, sagt Ölschläger. Immerhin kämen viele Vorprodukte aus China, wo die Fertigung teilweise durch das Coronavirus lahmgelegt oder zumindest heruntergefahren wurde:
"Teilweise sind die Logistik-Unternehmen auch vorsichtig mit den Zielen, die sie mittlerweile anfahren oder anfliegen. Wir haben schon geguckt, dass wir auch da sicherstellen können, dass die Versorgungsketten stehen. Das betrifft unsere Versandboxen wie letztendlich die chemischen Rohstoffe, die wir in den Produkten verwenden. Und wir hoffen, dass wir auch da nicht in nächster Zeit dann feststellen, dass Produkte nicht lieferbar sind beispielsweise."
Seit dem explosionsartigen Anstieg der Fallzahlen in Europa steigen die Bestellzahlen für die Corona-Tests rasant.
"Groß wird die Nachfrage aus Deutschland. Aber wir haben auch Nachfragen aus Korea, aus Afrika, aus Südamerika, Nordamerika, ganz Europa. Eigentlich kann man sagen, aus der ganzen Welt. Grundsätzlich beliefern wir auch mehr als 70 Länder. Wir sind weltweit tätig." Und wie lange die Nachfrage nach dem Hamburger Corona-Test anhält, das kann heute noch niemand vorhersagen.