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Corona-Maßnahmen in Berlin
Zwischen Verständnis und Kritik

Keine Gruppenbildung, Abstand halten, rausgehen nur mit triftigem Grund: Die strengen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronaviren stoßen bei den Berlinern nicht nur auf Verständnis. Manche finden sie übertrieben, andere widersprüchlich. Auch im Abgeordnetenhaus regt sich Widerstand.

Von Sebastian Engelbrecht | 06.04.2020
Die Polizei in Berlin kontrolliert die Abstandsregelungen auf dem Tempelhofer Feld.
Die Polizei in Berlin kontrolliert die Abstandsregelungen auf dem Tempelhofer Feld (dpa/ picture alliance/ NurPhoto)
Ein sonniger Nachmittag im Berliner Volkspark Schöneberg: Zwei Jungen spielen mit einem Basketball. Ein Mann übt Seilspringen. Mitten auf der Wiese kicken drei junge Leute mit einem Fußball. Auf Bänken und Mauern sitzen die sonnenhungrigen Großstädter. Am Rand des Parks stehen zwei Mannschaftswagen der Polizei. Von ferne überblicken die Beamten, was hier passiert. Die meisten Schöneberger kümmert das wenig.
"Es ist schon anders, ja, bewachter. Aber man fühlt sich nicht unwohl, ich zumindest."
"Jetzt zu sehen, dass die Polizei wirklich darauf achtet, dass die Leute auseinander bleiben und dass sie sich an die Regeln halten, gibt mir so eine Sicherheit, so ein Gefühl, dass ich nicht so viel Angst vor dem Virus haben muss, dass ich nicht direkt angesteckt werde, weil die ja darauf aufpassen."
Coronavirus
Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Polizisten als Störfaktoren?
Fühlen sich die Bürger von den Polizisten gestört?
"Haben noch keinen gesehen. Hatten noch keinen direkten Kontakt mit den Kollegen."
"Wir sind hier manchmal mit dem Kind, und manchmal gehe ich joggen. Und bisher habe ich da noch gar kein Problem gehabt."
"Es sind eigentlich klare Regeln, die man bejahen kann. Man muss keine Gruppenbildung machen. Man kann zu zweit ein bisschen weiter auseinander stehen. Alles okay."
Blick in den Volkspark Schöneberg in Berlin im Corona-Zeitalter
Blick in den Volkspark Schöneberg in Berlin im Corona-Zeitalter (Deutschlandradio / Sebastian Engelbrecht)
Wenn das Gespräch etwas länger dauert, sind auch kritische Töne zu hören.
"Ich habe mal erlebt in einem anderen Park, als drei Polizisten, eng aneinander, auf einen Herrn zuliefen, der mit seinem kleinen fünfjährigen Sohn Fußball spielte und ihn aufforderten, das Spiel sein zu lassen. Das fand ich total unverhältnismäßig. Argument war wohl – ich habe es nicht gehört - dass dann andere animiert sein könnten, mitspielen zu wollen."
"Also ich denke, wir sollten eigentlich gar keine Ordnungshüter brauchen. Ich meine, wir haben Italien, wir haben Spanien, wir haben Frankreich als Länder, die schon einen Schritt weiter sind als wir. Und eigentlich müsste allen klar sein, worum es hier geht. Und eigentlich müsste es ohne Ordnungshüter gehen."
Freie Demokraten kritisieren Maßnahmen
Der Berliner Senat hat Ende vergangener Woche eine neue Fassung seiner Verordnung zur Eindämmung des Coronavirus vorgelegt. Die Pflicht, einen Ausweis bei sich zu tragen, ist weggefallen. Neuerdings ist es erlaubt, auf einer Parkbank zu sitzen – im Abstand von anderthalb Metern zum Nachbarn. Und auch auf einer Wiese dürfen die Berliner wieder Platz nehmen – aber mit fünf Metern Abstand zum Nächsten.
Bei den Freien Demokraten im Abgeordnetenhaus haben die in Berlin besonders strengen Regelungen Kritik hervorgerufen, zum Beispiel bei dem FDP-Abgeordneten Bernd Schlömer.
"Die rot-rot-grüne Koalition hat es letztendlich nicht geschafft, der Öffentlichkeit darzulegen, was sie eigentlich mit der Regelung bezwecken. Es ist eine Lockerung kommuniziert worden, die eigentlich keine ist. Man darf sich jetzt ausruhen auf einer Parkbank, aber das auch nur mit triftigem Grund, denn ohne triftigen Grund darf man das Haus gar nicht verlassen."
Ein Covid-19-Patient wird in das Gregorio Maranon Krankenhaus in der spanischen Hauptstadt Madrid gebracht. Medizinisches Personal in grüner Schutzkleidung schiebt die Person auf einer Liege.
Virologe: "Ostern abwarten und gucken, wie sich die Zahlen entwickeln"
Es deute wenig darauf hin, dass es in Deutschland zu Verhältnissen wie in Italien oder Spanien kommen werde, sagte der Virologe und Leiter des Frankfurter Gesundheitsamtes René Gottschalk im Dlf.
Schlömer stößt sich auch daran, dass die Polizei die Regelungen in der Praxis ganz unterschiedlich auslegen kann.
"Es bleibt eine Grauzone, die man nicht versteht, ein Vakuum zwischen Rechtsverordnung in ihrem normativen Anspruch und der praktischen Durchsetzbarkeit – was auch durch nichts zu erklären ist. Die Beamtinnen und Beamten vor Ort, in den Parks und öffentlichen Plätzen, müssen letztendlich selbst entscheiden, wie sie die Rechtsverordnung umsetzen. Da ist die Politik, insbesondere die rot-rot-grüne Koalition, noch mal sehr stark aufgefordert, die Maßnahmen deutlicher zu erklären, damit auch auf allen Seiten mehr Handlungssicherheit da ist."
Ähnliche Stimmen werden auch im Park laut.
"Es ist manchmal nicht nachvollziehbar. Das eine ist erlaubt, das andere nicht. Wir wohnen in einer Wohnung alle miteinander, könnten also eigentlich relativ entspannt umgehen miteinander. Jetzt waren wir gerade einkaufen, Kuchen, da mussten wir alle drei Meter auseinander drei Meter oder zwei Meter, das ist natürlich so ein bisschen widersprüchlich."