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Corona-Schnelltests
Kein Umweg mehr übers Labor

Antigen-Schnelltests sollen noch in diesem Monat als Massenprodukt auf den Markt kommen. Nach Einschätzung des Kölner Medizinprofessors Bernhard Schermer sind sie weniger empfindlich als die diagnostischen QPCR-Tests aus dem Labor. Sie könnten aber eine schnelle und kostengünstige Alternative sein.

Bernhard Schermer im Gespräch mit Arndt Reuning | 02.09.2020
Biologin mit Schutzkleidung bei einem COVID-19-Test im Labor
Antigen-Schnelltests sollen aufwändige Labortests auf SARS-CoV-2-Virus ersetzen (Eyepix / Cover Images)
Der Schweizer Pharmakonzern Roche hat angekündigt, bis Ende September einen Schnelltest für das Coronavirus auf den Markt zu bringen. Mit dem Test, der in Zusammenarbeit mit dem Biotech-Unternehmen SD Biosensor entwickelt wurde, soll binnen 15 Minuten eine Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus festgestellt werden können, wie das Unternehmen mitteilte. Der Test werde nach Unternehmensangaben zunächst in Ländern verfügbar sein, die die CE-Kennzeichnung der EU für Produkte anerkennen. Bei der Markteinführung sollen demnach zunächst 40 Millionen Schnelltests pro Monat hergestellt werden. Bis Ende des Jahres könne die Kapazität mehr als verdoppelt werden.
Es handelt sich um einen Antigen-Test, der den Erreger selbst nachweist. Damit können Personen direkt am sogenannten Point-of-Care, also zum Beispiel vor dem Eingang eines Fußballstadions oder bei der Ankunft am Flughafen, durch medizinisches Fachpersonal auf eine mögliche SARS-CoV-2-Infektion getestet werden.
Weniger zuverlässig als QPCR-Tests, dafür schnell und kostengünstig
Die Antigen-Schnelltests seien weniger empfindlich auf SARS-CoV-2-Erreger als der gängige QPCR-Test, so die Einschätzung von Bernhard Schermer, Wissenschaftlicher Leiter des Nephrologischen Forschungslabors der Uniklinik Köln, der selbst an der Entwicklung eines Antigen-Schnelltests arbeitet. Andererseits würden beim QPCR-Test auch kleinste Mengen des Erregers zu einem postiven Ergebnis führen, so Schermer. Dies bedeute aber nicht unbedingt, dass die Testperson auch ansteckend ist. Ein Schnelltest könne helfen, zu einer schnellen, direkten Entscheidung zu kommen. Etwa im Krankenhaus, wenn es um die Verlegung von Patienten auf spezielle Stationen geht, oder in vielen gesellschaftlichen Bereichen wie beim Zutritt zu Veranstaltungen.
Eine Pflegekraft in Mailand nimmt an einer Corona-Teststation im San-Paolo-Krankenhaus einen Abstrich.
Coronatest: Wie man sich freiwillig testen lassen kann Reisen, private Feiern, Besuche im Altenheim - es gibt viele Gründe, sich freiwillig und ohne Symptome oder Verdacht auf eine Corona-Erkrankung testen zu lassen. Doch wie geht das? Welche Tests sind auf dem Markt, was kosten sie und wo kann man sich testen lassen? Ein Überblick.
Mit Materialkosten von unter zwei Euro seien die Antigen-Schnelltests zudem kostengünstiger und beanspruchten weniger Laborkapazitäten, so Schermer. Kritisch sieht Schermer nach wie vor noch die Entnahme des Abstrichs. Idealerweise sollte der Test vom Handling her so vereinfacht und fehlerfrei funktionieren wie ein Schwangerschaftstest, und könnte damit häufiger zur Anwendung kommen als der QPCR-Test aus dem Labor.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)

Das Interview in gesamter Länge:
Arndt Reuning: Professor Schermer, wo liegt der große Vorteil solcher Schnelltests?
Bernhard Schermer: Ein Schnelltest würde dramatisch helfen, letzten Endes zu einer schnellen, direkten Entscheidung zu kommen, wie ein weiteres Vorgehen aussehen kann für den Einzelnen, der getestet wurde. Das kann sein im Krankenhaus, wenn es um die Verlegung von Patienten auf spezielle Stationen geht. Das kann aber auch sein bei der Frage, ob zum Beispiel eine Kollegin, ein Kollege den Dienst antreten kann oder nicht, genauso wie es den Eintritt in ein Stadion oder alle möglichen anderen gesellschaftlichen Bereiche betreffen kann.
Ziel: Format wie ein Schwangerschaftstest
Reuning: Wie funktioniert das denn genau? Müssen immer noch Fachleute im Labor solch einen Schnelltest durchführen oder gleicht das eher einem Schwangerschaftstest?
Schermer: Das Ziel wäre natürlich, so ein Format zu bekommen wie einen Schwangerschaftstest. Also quasi ein Point-of-Care-Test, wie man auf Englisch sagt. Das heißt, dass man eben kein großes Labor mehr braucht und dass das ganze Handling dieses Tests so vereinfacht ist, dass das fehlerfrei überall durchgeführt werden kann. Ein kritischer Punkt ist allerdings wahrscheinlich momentan noch die Entnahme des Abstrichs, die einfach schwierig ist, sich vorzustellen, dass das jeder Einzelne bei sich selber macht.
Reuning: Der Goldstandard bisher ist ja der PCR-Test, der im Labor durchgeführt werden muss, sehr aufwändig, der aber andererseits sehr verlässliche Ergebnisse liefert. Welche Rolle spielt denn die Empfindlichkeit solch eines Schnelltests, also wie gut er reagiert auf möglicherweise vorhandene Viren oder Viren-RNA?
Schermer: Das ist eine sehr gute Frage. Die Empfindlichkeit von dem Schnelltest, an dem wir zum Beispiel arbeiten, die ist noch nicht so hoch wie die diagnostische QPCR, wobei natürlich der Standard dieser diagnostischen QPCR extrem hoch liegt, muss man sagen. Aber mit der QPCR weise ich quasi kleinste Mengen von RNA von dem Erreger im Patientenmaterial nach. Das gibt einem nicht unbedingt die Information, ob dieser Patient tatsächlich ansteckend ist oder nicht. Und da gibt es mittlerweile erste Hinweise, dass die Tatsache, ob jemand ansteckend ist oder nicht, dass man das auch aus der diagnostischen QPCR ablesen kann, das heißt, dass die PCRs, die viel Virus nachweisen, eben den Rückschluss zulassen, dass der Patient tatsächlich infektiös ist, während wahrscheinlich viele Resultate da auch positiv werden, bei denen vielleicht keine Infektiösität besteht.
"Der Test ist relativ einfach"
Reuning: Der Erfolg eines Schnelltests dürfte ja auch von seinem Preis abhängig sein. Die Rede war ja auch schon bereits von einem Ein-Dollar-Test, der also so preiswert ist, dass er, wie Sie schon sagten, in bestimmten Situationen, etwa bei Großveranstaltungen, in ganzer Breite eingesetzt werden kann oder auch einfach sehr häufig wie etwa in Schulen oder Pflegeheimen. Glauben Sie denn, dass es möglich ist, so eine kostengünstige Nachweismethode anzubieten?
Schermer: Ich glaube ja, das wird möglich sein. Wenn ich wieder auf unseren Test Bezug nehme, da sind wir momentan bei der Chemie, die wir verwenden, bei irgendwo zwischen ein und zwei Euro bereits.
Reuning: Und damit wäre es möglich, sehr häufig zu testen, und das wäre wahrscheinlich wichtiger als eine sehr hohe Verlässlichkeit des Tests.
Schermer: Ja, das ist zumindest das, was viele Virologen sagen, und es scheint tatsächlich so zu sein, dass die Häufigkeit dieser Tests eine wesentliche Rolle spielt. Auch da sehe ich wieder das Limit, dass man dann natürlich auch von häufigen Abstrichen spricht. Man könnte natürlich versuchen, Daten zu bekommen, inwieweit das beispielsweise auch aus Speichel möglich ist, oder eben Patienten gurgeln zu lassen, auch das wird ja momentan an einigen Orten gemacht, dass man einfach vielleicht auch die Probenentnahme vereinfachen kann und für den Probanden sozusagen angenehmer machen kann.
Reuning: Sie entwickeln ja selbst einen Schnelltest. Wie funktioniert der und wo sehen Sie bei dem die großen Vorteile?
Schermer: Der Test ist relativ einfach, man gibt einfach einen Teil der Patientenprobe in ein Reagenz, das können Sie sich vorstellen als einen pinken Tropfen. Und dieser pinke Tropfen wird dann über die Zeit der Inkubation gelb im Fall eines positiven Ausgangs. Und das spart natürlich auch wieder ein kritisches Reagenz, nämlich diese RNA-Isolation, die man normalerweise machen muss. Bei uns in der Biologie geht quasi die Probe erst in eine RNA-Aufreinigung, dann von da aus in die QPCR. Und beides sind eben Reagenzien, wo zumindest immer wieder Gerüchte auftauchen, dass die knapp werden. Das kann ich allerdings überhaupt gar nicht bewerten, also ich habe keine Ahnung, ob das so ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.