Dienstag, 19. März 2024

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Corona und Kinderbetreuung
Kitaverband fordert bundesweit einheitliche Regelungen

Der Deutsche Kitaverband hat einen nachvollziehbaren und transparenten Winterfahrplan für Kindertagesstätten gefordert. Einheitliche Regelungen brauche es vor allem bei Quarantänebestimmungen, sagte deren Präsidentin Waltraud Weegmann im Dlf. Wünschenswert wäre eine Orientierung an den Inzidenzzahlen.

Waltraud Weegmann im Gespräch mit Kate Maleike | 23.11.2020
An einer Garderobe in einem Kindergarten hängen Jacken und Rucksäcke von Kindern.
Eine erneute Schließung von Kindergärten könne und wolle sie sich nicht vorstellen, sagte Waltraud Weegmann. (picture alliance / David Inderlied / Kirchner-Media)
Pandemieregeln, Vorstellungen für die nächsten Wochen – in die Suche von Bund und Ländern nach klugen Konzepten und Lösungen, wie es nun weitergehen soll, schaltet sich auch der Deutsche Kitaverband ein. Er hat einen nachvollziehbaren und transparenten Winterfahrplan für Kindertagesstätten gefordert. Der Verband versteht sich als Stimme freier, unabhängiger Träger von Kindertagesstätten in ganz Deutschland. Die Vorsitzende Waltraud Weegmann plädierte im Deutschlandfunk dafür, die Freiräume von Kindern in den Kindertagesstätten zu sichern und damit berufstätige Eltern zu entlasten.
Kate Maleike: Was wünschen Sie sich denn als Kita-Träger vom Treffen vom Mittwoch von Bund und Ländern?
Waltraud Weegmann: Wir wünschen uns natürlich vor allem Regelungen, die dazu führen, dass die Kinder ihre Freiräume in den Kitas weiterhin haben, aber auch sich draußen frei bewegen können. Von daher denken wir, dass man die Erfahrungen, die wir gemacht haben, und die wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass Kinder nicht ansteckend oder fast nicht ansteckend sind, dass man die übernimmt und da auch einfach auch die entsprechenden Handlungskonsequenzen draus nachvollzieht.
Maleike: Das heißt, Sie sind auch erst mal glücklich, dass es keinen erneuten Kita-Lockdown Stand heute gibt?
Weegmann: Über alle Maßen – weil das, was wir gelernt haben in der Zeit, war, dass Kinder unbedingt Kinder brauchen, und von daher sind wir sehr erleichtert. Da Corona anders als andere Infektionen nicht so ist, dass das bei den Kindern besonders schwierig und die besonders infektiös sind, sondern genau das Gegenteil, das erleichtert uns sehr.
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Uneinheitliche Quarantäneregelungen
Maleike: 2020 war für alle bislang eine Herausforderung, auch für die Kitas. Sie sagen, es wäre wichtig, dass es mehr Klarheit und Entbürokratisierung geben sollte für die nächsten Regelungen. Was heißt das, was läuft bislang nicht so gut?
Weegmann: Was für uns schwierig ist, sind die Quarantäneregelungen, und zwar einfach deswegen, wir haben die Zuständigkeiten der Gesundheitsämter, die sind ja sehr regional gegliedert, und ehrlich gesagt haben wir so viele unterschiedliche Regelungen: In einem Fall wird die Gruppe geschlossen, in einem anderen die ganze Kita, und wir können es überhaupt gar nicht mehr nachvollziehen, wie das ist. Von daher wäre das für uns und für alle Träger wichtig, da klare, einheitliche Regelungen zu machen, wo man auch berücksichtigt, dass Kinder eben nicht ansteckend sind und dass es letztendlich mehr um die Erwachsenen geht. Ich finde, da muss man sehr gucken, wenn Erwachsene infektiös sind, dann ist vollkommen klar, dann können die auf gar keinen Fall in die Kita kommen, und dann ist auch klar, dass man sich überlegen muss, was mit den anderen Erwachsenen ist, aber für die Kinder zählt das einfach so nicht.
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Maleike: Sie würden sagen, es muss bundesweit einheitliche Regelungen geben?
Weegmann: Auf alle Fälle, und die müssen eben nachvollziehbar sein, in dem Sinne nachvollziehbar, es ist klar, wenn Kinder nicht die Infektionstreiber sind, dann muss man aus dem Thema eben auch nehmen, dass wir dann die Kitas nicht schließen müssen, nur weil ein Kind mit einem anderen Kind im Garten gespielt hat, das mal positiv getestet wurde.
Aus Inzidenzen bestimmte Maßnahmen ableiten
Maleike: Diese einheitlichen Regelungen – die Forderung gibt es ja sehr häufig –, denen wird ja immer entgegnet, dass das Infektionsgeschehen eben nicht einheitlich ist, eben unter Umständen von Ort zu Ort unterschiedlich. Das sehen Sie eher als Belastung sozusagen, individuellere Lösungen da möglich zu machen, denn als Entlastung?
Weegmann: Die Frage ist ja, mit welchen Rahmenbedingungen arbeite ich. Wenn ich jetzt davon ausgehe, ich hab irgendwo überhaupt keine Infektionen in einem Ort, dann habe ich die Rahmenbedingungen, die anders sind. Das heißt, ich kann das Handeln ja an Rahmenbedingungen festmachen, also wie hoch ist der Infektionsgrad in dieser Stadt oder an diesem Ort, und dementsprechend kann ich das machen. Und das kann ich dann bundesweit einheitlich machen. Wir machen das ja im Moment mit den Inzidenzen, das sind die Neuinfektionen innerhalb der letzten sieben Tage, und da haben wir diese 100.000-Einwohner-Regelung. Das wäre ja zum Beispiel ein Maßstab, wo man sagt, okay, wenn die Inzidenzen jetzt über 100 liegen, dann reagieren wir so und so, wenn sie über 150 sind so und so, aber wir hätten eine einheitliche Regelung überall. Das heißt, ich weiß ganz genau, wenn bei uns die Inzidenzen steigen, dann werden sich bestimmte Maßnahmen daraus ableiten. Im Moment ist es ja so, dass es damit gar nichts zu tun hat und zumindest für die Bürger auch nicht nachvollziehbar ist.
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Maleike: Wären Sie auch gegen eine generelle Maskenpflicht zum Beispiel in Kitas?
Weegmann: Ich denke, wenn wir ein Infektionsgeschehen haben, dann ist es vollkommen klar, dass die Erwachsenen eine Maske aufziehen müssen, und zwar immer dann, wenn sie außerhalb ihrer Kohorte sind. Das heißt, eine Kohorte sind 10 beziehungsweise 20 Kinder mit ein oder zwei Erwachsenen, und da ist es klar, dann haben die in diesem Raum keine Maske auf, aber sobald die rausgehen, in einen anderen Bereich gehen, sich mit anderen Erwachsenen treffen, haben die Erwachsenen eine Maske auf. Das halte ich für richtig und auch für sinnvoll. Das muss ich nicht mehr machen, wenn es gar keine Corona-Fälle gibt. Das heißt, auch das kann ich an den Inzidenzen festmachen.
Erneuten Lockdown in Kitas "will ich mir nicht vorstellen"
Maleike: Frau Weegmann, wenn wir in die Zukunft gucken, müssen wir auch alle ein bisschen in die Glaskugel gucken, das heißt also, Eventualitäten mitbedenken. Was wäre, wenn ein erneuter Kita-Lockdown käme, wären Sie vorbereitet?
Weegmann: Lockdown heißt, wir schließen die Kita zu. Da muss man sich nicht so furchtbar drauf vorbereiten, weil die Frage ist ja nur, was mache ich in dieser Zeit dann mit den Kindern. Sagen wir mal, Videokonferenzen mit Kinder zu machen, glaube ich, ist vielleicht ein bisschen besser gar nichts zu machen, aber das hilft sicher nicht weiter. Wenn wir hier das Büro zumachen, dann machen wir Videokonferenzen, kein Problem, aber das ist für Kinder keine gute Lösung. Die Kinder sind dann zu Hause, und die Eltern arbeiten. Aus meiner Sicht will ich mir das überhaupt gar nicht vorstellen und kann es mir auch gar nicht vorstellen, dass wir uns das noch mal leisten.
Maleike: Was brauchen Sie denn jetzt konkret, um den Betreuungsalltag gut zu gestalten, was könnte Ihnen jetzt noch helfen?
Weegmann: Jetzt würde uns helfen, wenn wir sehr schnelle Tests für die Mitarbeiter bekommen, weil wir haben ja oft die Situation, dass jemand Halsweh, Husten oder irgendwas hat und man nicht weiß, ist es Corona oder nicht. Wenn wir wissen, dass es Corona nicht ist, sondern einfach nur Halsschmerzen, dann können wir die ganzen Kitas normal geöffnet halten. Und wenn wir nicht wissen, also noch im Zweifel sind, ob es Corona ist oder nicht, dann ist das für uns natürlich ganz arg schwierig, und wir müssen eigentlich überlegen, wer alles jetzt nicht in die Kita darf, bis wir endlich Bescheid haben. Das macht es ganz schwierig.
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