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Corona und Sponsoring
Der Markt wird schrumpfen

Bis vor gut einem Monat wurde im internationalen Profifußball noch mit Rekordsummen hantiert, inzwischen haben viele Vereine Existenzängste. Wie wirkt sich das auf den Sponsoringmarkt aus? Eine Befragung von Hauptsponsoren der 1. bis 3. Liga.

Von Jessica Sturmberg und Heinz Peter Kreuzer | 11.04.2020
Die Telekom ist bereits jetzt bei Sportübertragungen aktiv und will offenbar die Rechte für die Fußball-EM 2024
Sportökonom Henning Vöpel: "Nachher haben wir nur noch fünf Vereine, die maßgeblich sind und dann ist es nur noch der Fußball, der eine Rolle spielt." (Bernd Feil/M.i.S./imago)
Seit gut drei Wochen erhalten die Sponsoren der Fußballvereine praktisch keine Leistung für ihr Geld. Ihre Marken werden nicht prominent jede Woche über die Fernsehbilder oder Fotos präsentiert, die Logen in den Stadien können nicht für Geschäftsbeziehungen oder Marketing-Maßnahmen genutzt werden, das Gesprächsthema Fußball, das sie für sich nutzen, ist auf die Frage reduziert: Wann geht es wie weiter? Dazu kommen eigene wirtschaftliche Schwierigkeiten: Von den 18 Hauptsponsoren in der 1. Liga haben mindestens drei Kurzarbeit angemeldet. In den unteren Ligen ist die Lage noch prekärer, so dass schon jetzt absehbar ist:
"Es werden einige Partnerschaften auseinandergehen und ich befürchte auch, je tiefer sie in der Liga gehen, umso mehr Partnerschaften, weil sich einfach die Struktur der Sponsoren verändert. Das heißt, wenn sie von der Bundesliga in die 2. Bundesliga gehen, in die dritte Liga, geschweige denn noch weiter runter, haben sie immer mehr regionale Unternehmen, die von der aktuellen Lage stärker betroffen sind als große Unternehmen oder international aufgestellte Unternehmen und in den unteren Ligen ist auch eine größere Abhängigkeit von wenigen Sponsoren gegeben." Das sagt Karsten Petry, Geschäftsführer von Octagon Deutschland, einer Agentur, die auf Sportmarketing spezialisiert ist. Sie berät derzeit drei große Sponsoren in der Bundesliga, Vereine und auch den DFB und DFL. Es werde jetzt unbürokratischer und unkonventioneller miteinander umgegangen, sagt Petry.
Krise führt zu gegenseitigem Verständnis
"In Nichtkrisenzeiten wird öfters mal auf Paragrafen herumgeritten, wo man jetzt sieht, dass das teilweise überhaupt keinen Sinn macht, sondern dass man gemeinsam schauen muss, wie jeder seine Ziele erreicht." Diese Krise aus heiterem Himmel führe auch dazu, dass ein gegenseitiges Verständnis für die Lage des jeweils anderen da ist, beobachtet der Sportmarketingexperte: "Wenn es jetzt dann zu Zahlungsengpässen kommt, versucht man auch gemeinsam Lösungen zu finden und vielleicht auch zu sagen, wir verschieben die Zahlungen auf die nächste Saison oder wir gehen jetzt sogar eine Vertragsverlängerung ein um eine Leistung, die jetzt nicht erbracht werden kann, dass die in der folgenden oder übernächsten Saison nachgeholt wird. Es wird auch komplett neu gedacht ohne jegliche Barrieren im Kopf."
Vereine brauchen Geld, Sponsoren haben weniger, das haben mehr oder weniger alle gemeinsam. Wie stark die Sponsoren von der Krise betroffen sind, hängt allerdings von der Branche ab. Wettanbieter sind sehr stark im Sportsponsoring engagiert. Gegenüber unserem Sender wollten sie sich nicht äußern. Sie dürften besonders stark betroffen sein. Der Wettmarkt ist fast komplett zusammengebrochen, wie der Präsident des Deutschen Sportwettverbandes, Matthias Dahms erklärt: "Vor zwei Wochen sprachen wir noch von einem Umsatzrückgang von etwa 90 Prozent, inzwischen sind wir bei nahezu 100 Prozent Umsatzverlust. Wie lange das noch gut geht, hängt vom Liquiditätspolster des Unternehmens ab."
Branchen sind unterschiedlich betroffen
Ebenso die Touristikbranche. Der Pauschalreisenanbieter Schauinsland-Reisen, Sponsor des Drittligisten MSV Duisburg, sieht einer ungewissen Zukunft entgegen. Das Unternehmen teilt mit: Es könne gerade keine langfristigen Zusagen machen, entsprechend werde man das Sportsponsoring reduzieren müssen. Ganz anders die Situation der Unternehmen in der Lebensmittelbranche - der Geflügelproduzent Wiesenhof gibt an, Werder Bremen uneingeschränkt weiter unterstützen zu können. Der Sponsor des 1. FC Köln, Rewe, ist nach eigenen Angaben zu beschäftigt, um derzeit überhaupt darauf eine Antwort geben zu können.
Der Großteil der vom Deutschlandfunk angefragten Hauptsponsoren äußerte sich nicht zu der Frage, ob das Sponsoring uneingeschränkt fortgesetzt wird. Die meisten halten sich noch zurück. Fünf Hauptsponsoren in der ersten Liga haben sich bisher bekannt weiterzumachen. Fans wünschen sich mit großer Mehrheit, dass Sponsoren gerade jetzt die Treue halten, und sie beobachten genau, wie sich Unternehmen in der derzeitigen Situation verhalten, hat das Beratungs- und Forschungsunternehmen Nielsen Sports erhoben, wie ihr Marktforschungsexperte Jens Falkenau erklärt: "Die Erwartungen der Fans an die Sponsoren sind dabei eindeutig: "Haltet dem Verein die Treue! Unterstützt ihn in diesen schwierigen Zeiten! Das erwarten 64 Prozent der Sportfans von den sponsernden Unternehmen."
Fans wollen Treue der Sponsoren
Eine Kündigung oder Reduzierung von Verträgen kann laut der Umfrage jedoch ein Viertel der Fans nachvollziehen. Dass der Anspruch an den Sponsor umso größer ist, je enger die Fans an ihren Verein gebunden sind, beobachtet Harald Layenberger. Der mittelständische Unternehmer, Produzent von Protein- und Eiweißprodukten, war drei Jahre Sponsor von Union Berlin in der 2. Liga und sponsert jetzt den Drittligisten 1. FC Kaiserslautern - beides Vereine mit einer sehr traditionsbewussten Fanbasis.
"Die Fans wollen grundsätzlich für ihren Verein immer das Beste. Sie erwarten grundsätzlich von dem Partner, von den Sponsoren des Vereins auch, dass man in Notsituationen zum Verein steht. Dass es umgekehrt auch sein muss, da hat der Fan nicht immer Verständnis dafür, aber ein Fan ist auch nicht rational. Da kann ich gut mitreden, weil ich bin auch irgendwo in meiner Seele Fan und dann sieht man vieles ganz, ganz emotional."
"Sponsoren können auch profitieren"
Layenberger will vom FCK, der schon vor Corona in Schwierigkeiten steckte, jetzt kein Geld zurück. Auch wenn sein Unternehmen gerade ebenfalls Verluste mache und die Chancen in der 3. Liga gering sind, dass die Saison noch zu Ende gespielt wird. Die Kosten der Spielaustragung wären höher als die Einnahmen, das kann sich kaum ein Club jetzt leisten. Wer in dieser Situation als Sponsor großzügig sein kann, kann sogar gewinnen, findet Harald Layenberger: "Ich kann als Sponsor auch davon profitieren. Vom Umfeld, vom Image. Ich kann ein ganz anderes Feld einnehmen bei den Sponsoren und ich kann mich bei den Fans in einen ganz anderen Level heben, der kann sogar lang anhaltend sein."
Aber auch das muss sich ein Sponsor gerade leisten können. Wenn er nicht einmal mehr die Bezahlung der Mitarbeiter gewährleisten könnte, würde auch bei ihm das Sponsoring hinten anstehen, sagt Layenberger. Selbst große Konzerne, die nicht in schwere Turbulenzen geraten sind, keine Kurzarbeit angemeldet haben, kalkulieren jetzt erst einmal vorsichtiger mit Blick auf eine unsicherere Lage.
Der Markt wird schrumpfen
"Da kann der Mittelstand sich erlauben, emotionaler zu reagieren wie ein Wirtschaftsunternehmen, was in der Konzernform geführt wird. Es ist auch ein Unterschied, ob ich mein eigenes Geld ausgebe oder fremdes Geld. Wirtschaftsmanager geben fremdes Geld aus, Unternehmer geben eigenes Geld aus. Ich muss mich nicht schämen, wenn ich meinen Verein in einer Situation unterstütze und ich muss niemandem Rechenschaft ablegen, dem dann irgendeine Auswertung, was der Einsatz dann letztendlich an Erfolg gebracht hat," sagt Harald Layenberger.
Was sich schon jetzt abzeichnet, ist, dass nicht nur deutlich weniger Geld für Sponsoring ausgegeben und damit der Markt entsprechend schrumpfen wird, Sponsoring wird sich auch inhaltlich verändern. Während bislang vor allem in den internationalen Topligen auf Reichweiten, Mediadaten geschaut wurde und der Erfolg als wichtigste Kennziffer galt, werden jetzt auch andere Werte wichtiger. Sportmarketingexperte Karsten Petry sieht künftige Vertragsbeziehungen langfristiger angelegt, es wird mehr darum gehen, dass Verein und Sponsor ein gemeinsames Thema für ihre jeweiligen Zielgruppen entwickeln.
Art des Sponsoring kann sich ändern
So schätzt es auch Sportökonom Henning Vöpel ein, Chef des Hamburger Weltwirtschaftsinstituts, ein: "Die Gesellschaft wird vielleicht Erfolg nicht mehr ganz oben anstellen, sondern auch Werte von Solidarität, von Vertrauen, von Verantwortung, auch gesellschaftlicher Verantwortung im Sport stärker honorieren. Und das wird sich auch in der Art des Sponsorings niederschlagen:
"Ich kann mir vorstellen, dass tatsächlich die großen internationalen Sponsoren, die ja auch für viele Aktivitäten und Engagements etwas anonym daherkommen, da fragt man sich, was war eigentlich jetzt der Grund für dieses Sponsoring, meistens war es der Austausch Erfolg und Aufmerksamkeit gegen Geld, das dieses Austauschverhältnis im Sport sich grundlegend verändert. Dass man dann sagt, vielleicht regional oder lokal sogar kann ich eine Aufmerksamkeit erzielen, die mir mehr nützt. Ich kann meine Solidarität, meine lokale Verbundenheit mehr Ausdruck verleihen, mehr Spielen letztlich auch als Vermarktungsinstrument. Wenn ich nicht auf den Erfolg eines Vereines gucke, sondern tatsächlich auf die Art und Weise, wie auch gesellschaftliche Ziele dort mit in den Fokus gerückt werden."
"Vor allem die Kleinen wird es treffen"
Auch wenn dieser Wertewandel eintritt, das Problem, dass insgesamt weniger Geld zur Verfügung stehen wird, trifft die am härtesten, die diese Werte bisher am meisten gelebt haben. Denn mehr oder weniger alle Unternehmen müssen sich einschränken und das Geld konzentriert sich auf die Großen im Markt: "Ich kann mir vorstellen, die ersten, die dann wegspringen, sind jene, die kleinere Vereine oder Randsportarten sponsern und das hätte einen wie wir sagen adversen Effekt. Gerade, da wo sie am nötigsten sind und am systemrelevantesten sind, da springen die ersten dann weg und das befördert genau diese Konzentrationstendenzen. Nachher haben wir nur noch fünf Vereine, die irgendwie maßgeblich sind und dann ist es nur noch Fußball, der eine Rolle spielt. Und da nimmt sich der Sport nicht anders aus als in anderen Bereichen der Kultur oder des öffentlichen Lebens."
Sportökonom Henning Vöpel rechnet damit, dass die Ungleichheit innerhalb und auch zwischen den Ligen zunehmen, die Abhängigkeit kleinerer Vereine von einzelnen Geldgebern oder Mäzenen größer werden wird. Und die Not, Geld von einzelnen Investoren anzunehmen um das Überleben zu sichern, ebenso.