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Coronakrise
EU-Hilfspaket: Kompromiss gefunden, Streit vertagt

Wie soll die EU die Wirtschaft nach der Corona-Pandemie ankurbeln? Nach Wochen des Streits haben sich die EU-Finanzminister auf ein milliardenschweres Hilfspaket geeinigt. Der Konflikt scheint aber nur vertagt und das Reizwort "Coronabonds" nur vermieden. Berliner CDU/CSU-Politiker begrüßen den Kompromiss.

Von Theo Geers | 10.04.2020
Der niederländische Minister Wopke Hoekstra während einer Videokonferenz mit den EU-Finanzministern in Den Haag, Niederlande
Die europäischen Finanzminister diskutieren den Ansatz zur Bewältigung der Coronakrise (picture alliance/dpa - ANP)
Trotz Karfreitagsruhe überwiegt in Berlin zunächst die Erleichterung, dass sich die Euro-Finanzminister überhaupt zusammen gerauft haben. Am späten Vormittag informierte Finanzminister Olaf Scholz die Haushaltspolitiker der Koalition wie der Opposition über das Ergebnis, schließlich müssen die Hilfen durch den Bundestag. Eckhardt Rehberg, der haushaltspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, begrüßt gegenüber dem Dlf den Kompromiss, weil er den Weg frei mache für umfassende Finanzhilfen.
Eine zerrissene EU-Fahne flattert im Wind.
Was sind Coronabonds?
Gemeinschaftliche Anleihen aller EU-Staaten oder ESM, der Rettungsmechanismus aus der Finanzkrise – in der EU ist ein Streit darüber entbrannt, wie die immensen finanziellen Herausforderungen der Coronakrise bewältigt werden sollen. Doch es gibt auch Kompromissvorschläge.
"Das ist schnelle Hilfe und deswegen gerade für Italien, Spanien und Frankreich: Schnelle Hilfe, praxisorientierte Hilfe ist die richtige Hilfe."
Deutschland sei solidarisch, so Rehberg, es trage den größten Anteil der Garantien für die Kredite von insgesamt 500 Milliarden Euro, die nun aufgenommen werden können. Für SPD-Chef Norbert Walter-Borjans, ist das Ganze aber nur ein erster Schritt. Gemessen an den Maßnahmen, die der Bundestag allein für Deutschland beschlossen habe, müssten für Italien und Spanien weitere Schritte folgen, so Walter-Borjans gegenüber der Funke Mediengruppe. So sehen es auch Franziska Brantner, bei den Grünen Sprecherin für Europapolitik, und ihr Fraktionskollege Sven-Christian Kindler, Sprecher für Haushaltspolitik:
"Die Maßnahmen sind ein erster Schritt und es ist auch wichtig, dass die jetzt schnell umgesetzt werden. Aber vor der entscheidenden Frage, wie Europa den Wiederaufbau nach der Pandemie bewältigt, vor dieser Frage haben sich die Finanzminister gedrückt. Es gibt keine Einigung, wie der Wiederaufbau finanziert werden soll. Das würde am besten mit gemeinsamen europäischen Anleihen gehen, mit Coronabonds, die blockiert aber die Bundesregierung aus ideologischen Gründen."
Erleichterung über Einigung in Berlin
So zeigt sich: Deutschland wäre nicht Deutschland, wenn sich in die Erleichterung über die Einigung nicht Erwartungen und Warnungen mischen würden. Sven-Christian Kindler spießt es auf: Die Euro-Finanzminister haben den seit Wochen schwelenden Grundsatzstreit erst einmal nur vertagt – die Frage, wie nach dem Ende der akuten Pandemie-Bekämpfung die Wirtschaft wieder angekurbelt werden soll. Hier ist ein europäischer Wiederaufbaufonds geplant, der ebenfalls mit Krediten finanziert werden soll. Doch wie die neuen Schulden aufgenommen werden, ob mit europäischen Coronabonds oder nicht, tobt der Streit. Um den erst einmal auszuklammern, haben die Minister in ihrer gestrigen Abschlusserklärung das Reizwort Cortoanabonds nicht erwähnt, sie sprechen stattdessen von innovativen Finanzinstrumenten. Doch die ersten ersten Reaktionen in Deutschland zeigen, dass Coroanabonds weiter ein Reizwort bleiben. SPD-Chef Walter-Borjans ist weiter dafür, Sven-Christian Kindler auch:
"Niemand in Deutschland hat ein Interesse, das nach der Pandemie halb Europa am Boden liegt. Dann wird auch die deutsche Wirtschaft nicht wieder auf die Beine kommt. Und wichtig ist, dass man jetzt mit einmaligen Anleihen, sogenannten Coronabonds, den Wiederaufbau finanziert, das ist die beste Lösung, die Europa nach vorne bringen wird."
Flaggen der Europäischen Union wehen im Wind vor dem Berlaymont-Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel.
Einigung auf milliardenschweres Hilfspaket
Lange wurde gerungen, nun haben die EU-Staaten ein Hilfspaket geschnürt mit wirtschaftlicher Unterstützung für Arbeitnehmer, Firmen und Staaten. Daneben einigten sich die Finanzminister auf einen Wiederaufbaufonds. Dennoch könnte die Debatte um die sogenannten Coronabonds schon bald wieder aufflammen.
CSU geht es um Prinzip: keine gesamtschuldnerische Haftung Deutschlands für Anleihen
Doch genau das – also von den Eurostaaten gemeinsam aufgenommene Coronabonds mit einer gemeinsamen Haftung dafür – sind mit der Bundesregierung weiterhin nicht zu machen. Auch nicht durch die Hintertür, indem sie als innovative Finanzinstrumente daher kommen, stellt der CDU-Haushaltsexperte Eckhardt Rehberg nicht zum ersten Mal klar. CDU und CSU geht es um Prinzip: keine gesamtschuldnerische Haftung Deutschlands für Anleihen, die für andere Länder oder mit anderen Ländern aufgenommen werden und die Gefahr beinhalten, dass Deutschlands am Ende allein für solche Kredite gerade stehen müsste, wenn andere Länder diese Anleihen nicht zurückzahlen könnten.
"Jedem, der Coronabonds im Hinterkopf hat, rate ich dringend, der Artikel 125 der EU-Verträge nachzulesen, der eine gemeinsame Haftung ausschließt. Und in Deutschland rate ich jedem Politiker, ins Grundgesetz zu gucken und sich die Urteile des Bundesverfassungsgerichts anzuschauen. Wer in Deutschland von Eurobonds redet, gibt die Budgethoheit des Bundestages auf - und das ist nicht verfassungskonform."
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