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Coronavirus
Auf der Suche nach Filtern für Blasinstrumente

Beim Spielen von Blasinstrumenten wird Atemluft in den Raum transportiert. Aufgrund des Coronavirus sucht die Staatskapelle Weimar mit der Bauhaus-Universität nach Möglichkeiten, die Verbreitung der Atemluft zu verringern. Dabei wird auch mit dem Papier von Küchenrollen experimentiert.

Von Henry Bernhard | 14.09.2020
    Großaufnahme des Horns, bei dem die vielen Blechröhren zur Geltung kommen.
    Blasinstrumente - wie können Sie in Zeiten von Corona wieder gespielt werden? (imago images / Fraser Band)
    Rupprecht Drees, Solo-Trompeter der Staatskapelle Weimar, war im März das letzte Mal im Orchestergraben. Er ist froh über jeden Auftritt. Und wenn der nur dem Zweck dient, im Foyer des Deutschen Nationaltheaters einen Filter für Blasinstrumente vorzuführen, der vielleicht Auftritte ermöglichen könnte, die heute noch untersagt sind.
    Coronavirus
    Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
    Zuerst hat er ohne Filter gespielt, dann nestelt er zum Amüsement seiner Bläser-Kollegen und der anwesenden Journalisten an der Papierbespannung am Schallloch seiner Trompete.
    "Es fühlt sich gedämpft an, ein bisschen wie verstopft oder wie … Es kommt nicht so viel raus wie ohne. Es ist deutlich obertonärmer. Es klingt weicher oder ein bisschen stumpfer, und deswegen glaube ich, dass man natürlich mit anderen Materialien da sicherlich noch experimentieren sollte, um das vielleicht auch noch auszugleichen."
    Die Staatskapelle Weimar hatte schon im Frühjahr Kontakt mit der Bauhaus-Universität aufgenommen, um die Frage zu klären, ob und wie man den Luft-Ausstoß aus den Blasinstrumenten verkürzen kann. Dazu hat der Bauphysiker Conrad Völker Testreihen vor einem Schlierenspiegel, der Strömungen der Luft sichtbar macht, durchgeführt.
    "Aus diesem Grund haben wir Musiker vor unserem Spiegel spielen lassen, um zu sehen, inwieweit Atem-Luftströmung in den Raum eingetragen werden. Und es zeigte sich schnell, dass es vereinzelt Instrumente gibt, wie zum Beispiel die Querflöte, die relativ viel und relativ weit Atemluft in den Raum transportieren. Und aus diesem Grund kam es dann zu einer Zusammenarbeit mit dem Kollegen Mühlenberend, der Filter entworfen hat, um eben diese Raumluft-Strömungen zu begrenzen. Und das haben wir dann wiederum vor dem Spiegel untersucht und haben uns so langsam vorgetastet, um ein gewisses Optimum zu erreichen."
    Küchenrollenpapier im Einsatz
    Andreas Mühlenberend ist Industriedesigner an der Bauhaus-Uni. Er hat verschiedene Papiere und Filter getestet und landete bei einer recht schlichten Lösung.
    "Wir haben gesehen, dass wir den Ausstoß der Atemluft oder beim Musikinstrument-Spielen, teilweise von 1,20 Meter auf 15 Zentimeter verringern konnten. Das beinhaltet aber noch keine Aussage über die Aerosole. Ich kann heute behaupten, dass wir die Verbreitung der Atemluft verringert konnten. Wir hatten verschiedene Papierproben. Was wir heute gehört haben, ist noch nicht der Weisheit letzter Schluss. Es handelt sich um eine ganz normales Küchenrollenpapier, Küchenrolle plus Tesafilm. Wir freuen uns, dass es für jedermann erhältlich ist. Wir müssen allerdings die großen Instrumenten-Größen dann zu stückeln, weil die Breite einer Küchenrolle so nicht reicht. Wir haben die Schnittmuster im Internet veröffentlicht, das heißt: Jeder, der Interesse daran hat, kann sich jetzt so ein Ding bauen."
    Blasinstrumente und Aerosole
    Das Papier wird mit Klebestreifen vor dem Schallloch des Instruments befestigt. Die Weimarer Staatskapelle will sich das genauer anschauen und ist für weitere Tests offen. Zumal die Frage offen ist, wie viele Aerosole überhaupt durch Blasinstrumente verbreitet werden und inwieweit der Papierfilter deren Verbreitung reduziert. Beim ersten Testlauf waren die Eindrücke verhalten positiv. Bernhard Stangl, Baßposaunist:
    "Es war im ersten Eindruck sehr angenehm. Wenn man dann eine längere Passage spielt, merkt man, dass man doch gegen den gewissen Widerstand bläst, und es dann anstrengender wird. Es fehlen ein bisschen die Obertöne, als es ist ein bisschen grauer. Es ist weniger brillant."
    Schwieriger ist es für den Hornisten Stefan Ludwig, der ja beim Spiel die Hand im Schallloch bewegt. Er muss dabei den Papierfilter in der Hand halten.
    "Mit diesem Teil ist diese Bewegung quasi hat absurdum geführt, weil das Tuch, ja alles quasi abdämpft. Dämpfer rein-raus ist natürlich mit dem Filter jetzt unmöglich. Und wenn ich mit dem Filter versuche, in der Tiefe einen runden, vollen Ton zu erzeugen, dass das fast unmöglich ist. Also, es ist wirklich ein bisschen verstopft. Also, man hat wirklich einen Wahnsinns-Widerstand. Man kriegt keine Luft dahinter, und man kann eigentlich sehr schwer nur wirklich eine gewisse Lautstärke erzeugen."
    "Alle lechzen danach, wieder spielen zu dürfen."
    Die gefilterte Berliner Luft war nur ein Testlauf. Einerseits gilt es nun, bessere Filter-Materialien zu finden; andererseits soll der Verband der Berufsgenossenschaften überzeugt werden, dass ein kürzerer Luftausstoß auch geringere Abstände zwischen den Musikern und damit größere Besetzungen erlauben könnte. Der Konzertmeister der Staatskapelle Weimar, Gernot Süßmuth, ist verhalten optimistisch.
    "Das werden wir sehen; also, wir werden es versuchen. Wir sind ja im Gespräch jetzt mit dem Orchesterdirektor und mit den Bläsern, wie sie sich hier so fühlen. Und das ist ja der erste Kontakt gewesen mit dieser Sache. Also momentan machen wir ja nur ganz kleine Besetzung, wo dann vielleicht so vier Bläser dabei sind meistens dann vor großen Plexiglas Schilden und so. Also, wenn das Theater Rückmeldung kriegt von der Kasse zum Beispiel, das geht, dann würden wir das machen. Alle lechzen danach, wieder spielen zu dürfen."