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Coronavirus-Fall in Deutschland
Zwischen Abwarten und ausverkauften Mundschutzen

In der oberbayrischen Gemeinde Gauting ist der erste Coronavirus-Fall bekannt geworden. Ein Mitarbeiter des Autoteileherstellers Webasto hat sich bei einer Kollegin aus China angesteckt. Die Menschen in der Region reagieren mehr oder auch weniger gelassen.

Von Tobias Krone | 28.01.2020
Das Hauptgebäude des Automobilzulieferers Webasto im bayerischen Stockdorf
Der erste Coronavirus-Patient in Deutschland arbeitet beim Automobilzulieferer Webasto in Bayern (picture alliance/ dpa/ Peter Kneffel)
Gauting, Ortsteil Stockdorf. Die Frau mit dem Daunenmantel eilt mit der Hand vor dem Gesicht die Bahnhofsstraße entlang. Auch in der S-Bahn sieht man vereinzelt Menschen, die sich den Mund zuhalten. Mit dem Reporter sprechen will die Frau nicht. Dafür dieser Mann mit Nickelbrille und grauer Mütze, der vorzeitig seinen Arbeitsplatz verlässt in Richtung S-Bahn.
"Ich gehe jetzt einfach mal nach Hause, ist ja kein hoher Preis. Ich kann gut von zu Hause arbeiten und insofern…"
Mehr will er nicht sagen. Der Mann arbeitet bei Webasto. Dort, wo der erste deutsche Corona-Fall bekannt wurde. Ein 33 Jahre alter Mitarbeiter des Autoteileherstellers, der aus dem Landkreis Landsberg stammt, habe sich bei einer Kollegin aus China angesteckt, die zuvor Kontakt mit ihren Eltern aus dem Infektionsgebiet um Wuhan hatte. Der Angesteckte befindet sich derzeit im Klinikum München-Schwabing, vermeldet das Bayerische Gesundheitsministerium. Der Chefarzt Clemens Wendtner auf einer Pressekonferenz.
Lungenkrankheit: Wie gefährlich ist das neuartige Coronavirus?
An einer bislang unbekannten Lungenkrankheit sind in China nach offiziellen Angaben inzwischen rund 4.500 Menschen erkrankt und mehr als 100 gestorben. Auch in Deutschland wurde ein erster Fall bestätigt. Auslöser ist wohl ein neues Virus aus der Gruppe der Coronaviren. Es ähnelt dem Sars-Virus, ist aber weit weniger aggressiv.
"Dem Patienten geht es sehr gut. Er ist fieberfrei. Hat auch derzeit keine Atemwegssymptomatik mehr. Ich habe ihn heute morgen mit meinen Oberärzten besucht. Er ist wach, ansprechbar und ich würde auch das Statement wagen, dass er außer Lebensgefahr ist."
"Keinerlei Gefahr für Mitpatienten"
Die Münchner Klinik habe ausreichend Vorsorgemaßnahmen getroffen.
"Ich habe dem Patienten mit Handschuhen die Hand gegeben. Natürlich haben wir Ärzte Schutzmaßnahmen. Wir sind verkittelt, wir haben einen Mundschutz und ziehen Handschuhe an, haben einen Augenschutz. Damit sind wir sicher. Ich möchte noch einmal betonen: Es besteht keinerlei Gefahr für Mitpatienten. Der Patient ist in einem Isolationszimmer mit einer Schleuse. Sogar zusätzlich in einem Unterdruckzimmer untergebracht. Das wäre eine Maßnahme, die nicht erforderlich wäre. Wir sind in München in einer luxuriösen Situation, dass wir dies vorhalten."
Nun würden Mitarbeiter der Gesundheitsämter in der Region 40 Menschen aus dem engeren Kollegenkreis des Infizierten und zusätzlich Familienmitglieder überprüfen, die Zahl der Infizierten könne noch steigen. Der Präsident des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit Andreas Zapf.
"Deswegen haben wir die Gesundheitsämter gebeten, mit den Personen Kontakt aufzunehmen. Wir haben den medizinischen Dienst der Messen informiert, wir haben noch einmal die Maßnahmen der Hygiene vor Ort mit den Kollegen besprochen. Das erscheint uns zur Zeit als die adäquate Maßnahme."
Professor Clemens Martin Wendtner bei einer Pressekonferenz in München anlässlich des ersten Coronavirus-Falls in Deutschland.
Professor Clemens Martin Wendtner bei einer Pressekonferenz in München anlässlich des ersten Coronavirus-Falls in Deutschland (picture alliance / ZUMA Wire / Sachelle Babbar)
Viele leere Schreibtische bei Webasto
Im großen gläsernen Gebäude des Firmensitzes in Gauting sieht man an diesem Tag von Außen viele leere Schreibtische. Bei Webasto hat man seinen 1000 Mitarbeitenden hier freigestellt, diese Woche von zu Hause aus zu arbeiten. Wie viele das Angebot derzeit in Anspruch nähmen, wisse man noch nicht, heißt es bei der Pressestelle des Unternehmens. Zudem würden Desinfektionsmittel für die Arbeitsplätze ausgegeben.
Doch wie geht man im Ort mit dem Ansteckungsfall um? – Dieser ältere Herr reagiert gelassen.
"Teils teils, es kommt drauf an, wo man zugange ist. Wie jetzt in der Firma natürlich, da ist es angebracht, ganz klar, weil er hat mit Sicherheit Kontakt gehabt. Damit man auch feststellen kann, wann und wo er sich das eingefangen hat, dann wäre da natürlich schon Klärungsbedarf, ganz klar. Aber für die, die hier leben – glaub ich – da besteht keinerlei Gefahr."
Deutlich mehr Angst bekommt Elisabeth Zehetbauer zu spüren. Sie leitet die Katharinen-Apotheke auf dem Weg zur S-Bahnstation.
"Sehr viel Angst – es ist mit Angst verbunden. Ganz klar, weil man ja nicht weiß, was da kommt, wie sich das ausbreitet. Man kann ja den Virus nicht unterschätzen, auch nicht überschätzen. Man weiß nicht, wie man das händelt, ganz klar."
Mundschutze sind in der Apotheke ausverkauft
Und schon kommt der nächste in den Laden – und fragt nach einem Mundschutz. Doch auch ihn muss Elisabeth Zehetbauer enttäuschen.
"Wir sind ausverkauft. Wir haben im Moment keinen Mundschutz mehr. Der ist jetzt im Moment schwierig zu bekommen – erst wieder voraussichtlich im Februar. Also es ist jetzt nicht mehr weit hin, aber wir bräuchten ihn jetzt. Wir haben gestern alles versucht, aber alle verkauft – an die 200 Stück."
Grund zur Panik gebe es derzeit nicht, heißt es auch beim Bayerischen Gesundheitsministerium. Im Regelfall bestehe die Infektionsgefahr nur in Face-To-Face-Gesprächen ab einer Dauer von 15 Minuten. Die Experten raten dazu, sich regelmäßig die Hände zu waschen und zu sichtlich Kranken Abstand zu halten. Auch diese ältere Passantin mit dem roten Regenschirm sieht keinen Grund zur Panik.
"Man darf sich nicht verrückt machen. Man muss aufpassen: Wenn man halt erkältet ist, geht man zum Arzt, wenn man sonst nicht geht. Aber ich habe gerade nix…" Und so lange sie nicht krank sei, lasse sie sich den Tag vom Virus nicht verderben.