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Coronavirus-Update
Welche Rolle spielen COVID-19-Genesene und Antikörper-Therapien?

Alle starren während dieser Corona-Pandemie auf die Zahlen: Wie viele Infizierte gibt es? Wie viele sind gestorben? Es ist aber auch wichtig zu wissen, was mit denen ist, die die Krankheit überstanden haben. Und können die Antikörper der Genesenen genutzt werden, um Kranken zu helfen? Ein Überblick.

Von Volkart Wildermuth | 30.03.2020
Ein leeres Bett steht in der Intensivstation des Prosper Hospitals in Recklinghausen. Durch die Ausbreitung des Coronavirus und die Zunahme der Fallzahlen werden derzeit bundesweit Eingriffe verschoben und die Intensivbettenkapazität aufgestockt.
Die Daten über Genesene COVID-19 Patienten werden in Deutschland bisher nicht systematisch erfasst (dpa / Jonas Güttler )

Wieviele Menschen haben COVID-19 in Deutschland überstanden?

Nach Angaben der Johns-Hopkins-Universität haben 9.200 mit dem Coronavirus Infizierte in Deutschland die Krankheit COVID-19 überstanden (Stand: 30.03.20, Vormittag). Im Vergleich zur Gesamtzahl von 62.400 Infizierten sind das zwar nur etwa 15 Prozent. Das klingt auf den ersten Blick niedrig. Doch die Leute stecken sich erst an, und dann dauert es etwa zwei Wochen bis der Körper – hoffentlich – mit der Krankheit fertig wird. Solange die Entwicklung aber exponentiell verläuft, rasen in diesen zwei Wochen die Ansteckungszahlen weiter nach oben. Dadurch wirkt die Zahl der Genesenen erstmal klein. Deshalb ist der Blick in die Provinz Hubei in China wichtig: Dort zählt die Johns-Hopkins-Universität rund 82.000 Infizierte und 3.277 Tote. 76.000 Menschen sind aber wieder genesen. Also haben dort über 90 Prozent die Krankheit überstanden.

Warum gibt es keine genauen Zahlen zu den Genesenen?

Die Zahlen werden in Deutschland bisher nicht systematisch erfasst. Die Gesundheitsämter kümmern sich um die Kranken mit schweren Symptomen. Diese kommen in die Klinik, wo es dann auch registriert wird, wenn sie wieder entlassen werden. Da aber die allermeisten Menschen Symptome wie Husten und Fieber haben und keine Atemnot, sind diese zuhause. Bei ihnen geht das Robert-Koch-Institut davon aus, dass sie nach gut zwei Wochen wieder gesund sind, wenn das Institut nichts anderes hört. In diesen Haushalten wird nicht aktiv nachgefragt, da die Kapazitäten dafür nicht ausreichen. Das ist der Grund, warum die Zahl der Genesenen in Deutschland nur relativ langsam steigt.
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Kann man Antikörper von COVID-19-Genesenen gegen die Krankheit nützen?

Die Medizinische Hochschule Hannover sucht für eine Studie nach Personen, die COVID-19 überstanden haben. Nach Angaben von Rainer Blasczyk von der MHH verspricht man sich davon, die Antikörper nutzen zu können, die Genesene gegenüber COVID-19 gebildet haben, um so anderen zu helfen. Bei der Masern-Epidemie in den 1930er Jahren in den USA hat man den kranken Kindern nicht die gereinigten Antikörper, sondern das Blutplasma von genesenen Personen als Therapiemaßnahme gespritzt. Dieses Konzept möchten Rainer Blaszcyk und andere Forscher in Deutschland und weltweit bei COVID-19 anwenden.

Wie läuft der Prozess der Antikörper-Suche genau ab?

Der CDU-Politiker Friedrich Merz hat gesagt, er wolle sich zur Verfügung stellen. Derzeit läuft ein Aufruf, dass sich Personen melden sollen, die sich mit SARS-CoV-2 angesteckt haben und wieder gesund sind. Bei diesen Personen wird dann überprüft werden, ob sie Antikörper gebildet haben. Im nächsten Schritt würden sie - wie bei einer normalen Blutspende - einen halben Liter Blut abgeben. Daraus werden die Zellen entfernt, das gelbliche Plasma bleibt übrig. Im Anschluss muss das genau untersucht werden. Da geht es um die Sicherheit, denn Blutplasma kann Erreger wie HI-Viren oder Hepatitis-Viren enthalten.
Bei einer regulären Blutspende würde man den Spender erneut nach vier Monaten testen. Erst wenn dann immer noch keine Viren nachgewiesen werden, kann die Spende verwendet werden. In dieser akuten Situation schlägt Rainer Blasczyk allerdings vor, darauf zu verzichten. Die Landesbehörden und auch das Paul-Ehrlich-Institut müssten dieses Vorgehen aber genehmigen. Letzteres hat bereits angedeutet, dass es beim Thema Sicherheit keine Kompromisse geben werde. Das MHH soll aber schon Plasma sammeln, damit man schnell loslegen können.

Wie würde eine Plasma-Therapie aussehen?

An der Medizinischen Hochschule Hannover würden nur leicht an COVID-19 erkrankte Personen einen Viertelliter Plasma mit neutralisierenden Antikörpern erhalten. Zum Vergleich: Masernkranke haben nur zehn Milliliter bekommen. Dann hoffen die Ärzte, dass die fremden Antikörper das Virus besiegen.
In der Studie würde gezählt werden, ob dadurch weniger Kranke auf Intensivstationen verlegt werden müssen. An einer anderen Klink in Deutschland will man das Plasma der Genesenen für die Behandlung schwerkranker COVID-19 Patienten nutzen. Ähnliche Studien werden gerade in New York und anderen Städten geplant.

Wie stehen die Erfolgsaussichten für die COVID-19-Antikörper-Therapie?

Rainer Blasczyk von der MHH ist optimistisch, denn es gibt Berichte aus China und Italien, die sich positiv anhören. Aber erst am Ende der Studien wird klar sein, ob das ein gangbarer Weg ist. Bei SARS und MERS soll das Plasma wenig gebracht haben. Bei Ebola scheint Plasma von Ebola-Überlebenden dagegen hilfreich zu sein. Besonders effektive neutralisierende Antikörper könnte man auch klonen und dann in großen Mengen im Bioreaktor herstellen, aber das ist noch Zukunftsmusik. Die Plasma-Therapie ist nur ein Ansatz, es laufen natürlich auch Studien zu traditionellen Medikamenten.