Freitag, 19. April 2024

Archiv

Corso-Spezial "Johannesburg"
Arts on Main - Künstleroase in Maboneng

Künstler sind meist die Ersten, die in vormals verrufene Stadtteile gezogen sind. So auch im Johannesburger Distrikt Maboneng. Doch hier glauben sie nicht an einen typischen Gentrifizierungsprozess. Denn Johannesburg, so sagen sie, ist eine komplizierte Stadt und Gentrifizierung funktionierte hier nicht nur in eine Richtung.

Von Leonie March | 09.06.2014
    Ein goldfarbener Schriftzug "Place of Gold" – eine Hommage an Johannesburg.
    Ein goldfarbener, spiegelverkehrter Schriftzug "Place of Gold" - eine Hommage an Johannesburg. (Marietta Schwarz)
    Ein lichtdurchfluteter Raum mit schweren Arbeitstischen mitten in Maboneng. Es riecht nach Lack und Farbe. Jillian Ross trägt eine schwarze Schürze über ihrem schicken Vintage-Kleid – sie leitet den "David Krut Printing Workshop". Die Kunstdruckerei war einer der Pioniere des Künstlerkomplexes "Arts on Main".
    Jillian Ross:
    "Wir suchten damals nach einem großen Raum mit natürlichem Licht und – das war vielleicht am wichtigsten – einer kreativen Gemeinschaft. All das bietet "Arts on Main". Einen solchen Ort hatten sich viele in Johannesburg immer gewünscht. Die Leute haben sich also auf die Räume gestürzt. Nicht alle Galerien konnten sich bis heute halten. Aber die Eröffnung war der Knaller. Und das war wunderbar."
    Jillian Ross schaut zwei jungen Künstlern über die Schulter, die gerade einen frischen Druck aus der Presse holen. Einen goldfarbenen Schriftzug "Place of Gold" – eine Hommage an Johannesburg. Nachwuchskünstler arbeiten hier buchstäblich Schulter an Schulter mit den Stars der südafrikanischen Kunstszene: Der Fotograf Mikhael Subotzky hat um die Ecke sein Atelier, ebenso wie William Kentridge. Ein oft und gern gesehener Gast in der Druckerei.
    Seine Linolschnitte hängen dicht an dicht an den Wänden - schwarze Vögel gedruckt aufseiten eines alten Wörterbuchs. Daneben ein großformatiges abstraktes Bild der Künstlerin Mary Wafer. Auch sie war Feuer und Flamme, als "Arts on Main" 2009 eröffnete. In einer früheren No-Go-Area.
    Johannesburg ist kompliziert
    Maboneng District (Johannesburg) mit Müllsammlern NUR FÜR CORSO SPEZIAL AM 09.06.14 verwenden!
    Maboneng District (Johannesburg) mit Müllsammlern (Marietta Schwarz)
    Mary Wafer:
    "In den meisten Großstädten der Welt sind Künstler die ersten, die in solche Gegenden einziehen und dort eine neue Gemeinschaft aufbauen. Die alten Fabrik- und Lagerräume können perfekt zu Ateliers umgebaut werden. Sie sind groß und preiswert – das ist das Reizvolle zu Beginn. Später wird alles natürlich teurer und exklusiver."
    Ein typischer Fall von Gentrifizierung also? Mary Wafer schüttelt den Kopf.
    Mary Wafer:
    "Johannesburg ist eine komplizierte Stadt. Es gibt viele Ebenen von Inklusion und Exklusion und Gentrifizierung funktioniert in beide Richtungen. Auf der einen Seite entstehen hier günstige Wohnungen, aber wohl eher für gebildete Leute, wie Studenten. Der arme Durchschnitts-Südafrikaner bleibt auch hier außen vor."
    Der arme Durchschnitts-Südafrikaner bewacht die Eingangstore zu den Galerien und Ateliers, serviert Café Latte im Innenhof, schaut vom Bürgersteig mal durch die Fenster in eine andere Welt. Hinein traut er sich in der Regel nicht, meint auch Cara Snyman nachdenklich. Sie arbeitet für das Goethe Institut in Johannesburg, das hier die kleine Galerie "Goethe on Main" betreibt."
    Cara Snyman
    "Was uns am Anfang gereizt hat, war einen Ausstellungsraum zu haben mitten in der Stadt. Wir wollten sehen, welches Publikum man hier erreichen kann und welche Energie sich hier entwickeln würde. Wir wollten nicht wie ein UFO hier landen, sondern die Umgebung mit einbeziehen. Diesen Teil der Stadt und seine Probleme. Aber natürlich stellen wir hier nicht auf der Straße aus, sondern in einer Galerie. Und dazwischen verläuft noch immer eine unsichtbare Grenze."
    Es wäre naiv anzunehmen, dass diese Grenze einfach verschwindet, meint Cara Snyman. Vor allem in einer Stadt wie Johannesburg, die von ihrer rassistischen Vergangenheit und der tiefen Kluft zwischen Arm und Reich gezeichnet ist. Doch gerade junge Künstler kennen sich in beiden Welten aus und können Brücken bauen.
    Der Fotograf Muntu Vilakazi ist so ein Wanderer zwischen den Welten. Aufgewachsen im Township Voslorus, im Osten von Johannesburg. Dort sind auch die Bilder seiner ersten Ausstellung entstanden.
    Fotograf Muntu Vilakazi
    Fotograf Muntu Vilakazi (Leonie March)
    "Ideal wäre eine Vernissage in den Townships gewesen. Aber dort gibt es keine Galerien. Deshalb hängen meine Fotos jetzt hier. Ich habe in Voslorus Flyer verteilt. In der Ausstellung geht es um Euch, habe ich gesagt, kommt doch vorbei. Ein gut gekleideter Typ fragte mich daraufhin: Was ist denn eine Ausstellung? Wir leben in einer Gesellschaft, in der die Benachteiligung der Vergangenheit noch immer darüber entscheidet, wer hier hereinspaziert, um sich das Auto anzusehen, das ich zur Vernissage gebracht habe und wer sich eher für meine Fotos interessiert."