Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

COVID-19-Erkennung
Was Schnelltests können und was sie wirklich aussagen

Im Zusammenhang mit dem Coronavirus wird immer wieder von Schnell- und Antikörpertests gesprochen. Dlf-Wissenschaftsexperte Joachim Budde erklärt, welche Tests es gibt, wo die Unterschiede liegen und wie zuverlässig solche Tests überhaupt sind.

Von Joachim Budde | 06.04.2020
    Coronavirus-Testauswertung in einem Labor in Geesthacht in Schleswig-Holstein. Eine Person mit blauen Schutzhandschuhen befüllt Teströhrchen.
    Es gibt zwei Arten von Coronavirus-Schnelltests (dpa/Daniel Bockwoldt)

    Welche Arten von Schnelltests gibt es?

    Wenn von Schnelltests die Rede ist, dann sind kleine Teststreifen gemeint, die ähnlich aussehen und funktionieren wie ein Schwangerschaftstest. Es geht nicht um schnellere oder langsamere Labortests, die per Polymerase, Kettenreaktion oder PCR nach dem Virus suchen. Es geht auch nicht um Labortests auf Antikörper.
    Beide Sorten Tests gibt es auch bei den Schnelltests: einmal Tests, die das Virus selbst nachweisen. Die Schnelltests spüren Bausteine auf der Oberfläche der Viren auf, sogenannte Antigene. Die Labortests suchen nach markanten Abschnitten im Erbgut der Viren. Dadurch sind sie sehr empfindlich. Beide Arten zeigen, ob jemand momentan akut erkrankt ist.
    Die zweite Sorte Schnelltests soll nachweisen, ob das Immunsystem eines Patienten auf das Virus reagiert hat, also die Antikörper nachweisen.
    Coronavirus: Dossier

    Was unterscheidet diese Tests? In welchen Stadien der Erkrankung kann man sie einsetzen?

    Die Antigentests funktionieren, wenn viel Virusmaterial vorhanden ist. Experten gehen davon aus, dass das im Rachen eines Menschen schon am zweiten Tag der Fall ist, nachdem jemand Symptome gezeigt hat. Der große Vorteil: Diese Tests funktionieren wie ein Schwangerschaftstest. Flüssigkeit drauf, und nach zehn bis 15 Minuten kann man an farbigen Streifen das Ergebnis ablesen.
    Aber: Wenn ein Patient erst einmal Symptome hat, war er schon mehrere Tage lang ansteckend. Dann kommt das Schnelltestergebnis ein bisschen zu spät. Und: Diese Tests arbeiten wie die Labortests mit einem Abstrich tief aus dem Rachen eines Patienten. Den wirklich an der richtigen Stelle zu entnehmen, ist gar nicht so einfach. Außerdem können Verunreinigungen das Ergebnis verfälschen. Anders als der Schwangerschaftstest ist so ein Antigen-Schnelltest sicher nichts für den Hausgebrauch.

    Welche Sorten von Antikörpertests gibt es?

    Von den Antikörpern gibt es mehrere Sorten, die der Körper zu unterschiedlichen Zeiten bildet: Noch während der akuten Infektion bildet der Körper das Immunglobulin M und das Immunglobulin A. Das geschieht aber erst ein paar Tage nach Beginn der Erkrankung, zu einem Zeitpunkt, wenn der Patient schon lange ansteckend war. In den ersten Tagen der Infektion kann man mit diesen Tests nichts anfangen.
    Zweites gibt es das Immunglobulin G. Das ist sozusagen die Abwehr, die der Körper bereithält, falls das Virus zurückkehrt. Das bildet der Körper erst nach zwei bis drei Wochen, wenn die Infektion normalerweise schon vorbei ist. Diese Antikörper zeigen an, dass jemand zumindest eine Zeit lang gegen das Virus immun ist.
    Einem Mitarbeiter der Berufsfeuerwehr Köln wird im dritten Infektionsschutzzentrum der Stadt Köln mit einem Stäbchen ein Abstrich für einen Test auf den Coronavirus entnommen. 
    Schnelltests für COVID-19 - Wie die Tests für das Coronavirus funktionieren
    Die aktuellen Tests für das Coronavirus können in wenigen Stunden zeigen, ob jemand infiziert ist. Dennoch sei es nicht sinnvoll, "jeden mit einem Husten auf Corona zu testen", sagte Wissenschaftsredakteur Volkart Wildermuth im Dlf.

    Was ist von diesen Tests zu halten?

    Die Schnelltests auf Antigene – also die, die das Virus selbst nachweisen – können die Diagnostik vereinfachen, meinen Experten. Damit könnte jede Ärztin, jeder Arzt das Virus in der eigenen Praxis nachweisen. Aber dafür müssen die Tests sehr zuverlässig sein. Inwieweit das zutrifft, wird noch untersucht.
    Vor den Antikörper-Schnelltests warnt das Bundesgesundheitsministerium ausdrücklich. Die sind unzuverlässig. Dabei wäre es sehr wichtig zu wissen, wie viele Menschen tatsächlich am SARS-CoV-2 erkrankt sind und waren. Experten vermuten, dass die Dunkelziffer hier sehr hoch ist. Erst wenn man die tatsächliche Häufigkeit in der Bevölkerung kennt, kann man auch die Sterberate zuverlässig errechnen, wie gefährlich das Virus wirklich ist.
    Außerdem könnte der Nachweis, dass sie Antikörper gegen das neue Coronavirus haben, Menschen aus einer Risikogruppe eine große Sorge abnehmen. Und auch die Menschen in medizinischen Berufen, in der Pflege, bei der Polizei oder auch an der Supermarktkasse könnten etwas beruhigter zur Arbeit gehen.

    Welche wichtigen Qualitätsmerkmale für einen medizinischen Test gibt es?

    Erstens: Die Sensitivität, also: Wie zuverlässig erkennt ein Test, dass jemand tatsächlich krank ist? Dieser Wert ist oft richtig gut und liegt zwischen 95 und 99 Prozent.
    Zweitens: Die Spezifizität, also: Wie oft schlägt ein Test falsch an? Es kann zum Beispiel sein, dass er auch bei Antikörpern Alarm schlägt, die der Körper gegen eines der anderen humanen Coronaviren gebildet hat. Bei manchen Tests liegt die Spezifität schon bei 98,5 Prozent. Das heißt: Bei 15 Menschen von 1000 spuckt der Test ein positives Ergebnis aus, obwohl sie gar keine Antikörper gegen SARS-CoV-2 haben. [*]
    Drittens: Der sogenannte positive prädikative Wert. Der gibt an, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass jemand auch wirklich krank ist, wenn der Test positiv ist. Und dieser Wert hängt sehr davon ab, wie verbreitet eine Krankheit überhaupt ist.

    Warum gibt es noch keine großen Studien zu COVID-19-Antikörpern?

    Momentan haben Schätzungen zufolge etwa 0,7 Prozent der Menschen in Deutschland eine Coronavirusinfektion durchgemacht. Von 1.000 Menschen, die getestet werden, haben sieben tatsächlich Antikörper gegen das SARS-CoV-2. Nehmen wir an, die würde der Test alle zuverlässig finden. Wir haben ja gerade gesehen, dass der Test bei 15 von 1.000 Menschen zu Unrecht anschlägt.
    Bei 1.000 getesteten Menschen hätten wir damit 22 positive Testergebnisse, also 22-mal die Aussage: "Sie haben Antikörper gegen das neue Coronavirus." Nur sieben von den 22 Ergebnissen sind aber korrekt. Das heißt: Zwei Drittel der positiven Tests liegen falsch. Solch ein Test bringt niemandem etwas. Darum gibt es noch keine großen Studien auf Antikörper. Medizinische Labore arbeiten daran, aussagekräftige Antikörpertests zu entwickeln. Die Tests könnten die Voraussetzungen für Antikörperstudien in drei bis vier Wochen erfüllen.

    [*] Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle im Text wurde die Erklärung des Begriffs "Spezifität" korrigiert. Das hier ebenfalls fehlerhafte Audio wurde gelöscht.