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COVID-19-Patienten
Erste Erfolge gegen Corona mit der Blutplasma-Therapie

Weil bereits genesene COVID-19-Patienten Corona-Antikörper im Blut haben, kann man deren Plasma verwenden, um frisch Erkrankten zu helfen, das Virus zu bekämpfen. Mediziner haben bislang gute Erfahrungen mit Einzefallbehandlungen gemacht - allerdings gibt es noch keine klinische Studie zur genauen Wirksamkeit.

Von Martin Winkelheide | 02.06.2020
Blutkonserven von Spenderblut im Blutlabor
Die Grundidee der Plasmatherapie: Das Plasma enthält Antikörper, die zielgenau den Corona-Erreger attackieren. (imago / blickwinkel/ McPhotox /Erwin Wodicka)
Schauplatz Universitätsklinik Köln, das Infektionsschutzzentrum: "Die meisten Patienten haben ihre Erkrankung in der Heim-Quarantäne ausgesessen, wenn ich das so sagen darf, und kommen zu uns und sind eigentlich sehr dankbar, wenn sie hierher kommen."
Max Augustin arbeitet als Assistenzarzt in der Genesenen-Ambulanz. Menschen, die eine Corona-Infektion überstanden haben, können hierherkommen.
"Die Patienten, die zu uns kommen, fühlten sich isoliert, waren ausgeschlossen von der Gesellschaft, mussten sich verstecken, mussten zu Hause bleiben. Jetzt ist ein Aufruf gestartet, und sie sind herzlich willkommen, sich vorzustellen."
Interaktive Karte mit COVID-19-Statistiken vom Zentrum für Systemwissenschaft und Systemtechnik der Johns Hopkins University in Baltimore
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Im Coronavirus-Zeitalter sind wir alle zahlensüchtig: Wie viele gemeldete Coronavirusfälle gibt es in Deutschland? Verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus, wie entwickeln sich die Fallzahlen international? Wie die Zahlen zu bewerten sind – ein Überblick.
Aufruf an Corona-Patienten zur Blutspende
Die Genesenen können sich untersuchen und Blut abnehmen lassen. Im Idealfall: vier Mal im Laufe eines Jahres. Die Mediziner wollen lernen: Welche Langzeitfolgen kann das Virus anrichten? Wie reagiert das Immunsystem auf das Virus? Welche Abwehrmoleküle bildet es? Wie verändern sich diese Antikörper im Laufe der Zeit – was deren Menge und Gestalt angeht?
Viele, so Max Augustin, kommen auch, weil sie helfen wollen: anderen Menschen, die gerade akut an Corona erkrankt sind. Und helfen können sie, indem sie Blutplasma spenden, in dem die Abwehrmoleküle gegen das Corona-Virus enthalten sind.
Eine Spritze steckt in einem Fläschchen mit der Aufschrift "Coronavirus-Impfstoff" und
Warum es so lang dauert, einen Corona-Impfstoff zu entwickeln
Noch gibt es gegen das Coronavirus keinen Impfstoff. Die Entwicklung läuft weltweit auf Hochtouren, erste Versuche und klinische Studien sind bereits gestartet. Doch trotz der intensiven Forschung dürfte es noch einige Zeit dauern.
Dennis ist 37 Jahre alt. Er wohnt im Raum Düsseldorf. "Ich bin im Blut-Spende-Zentrum heute Abend, um Blutplasma zu spenden", sagt er. "Ich war im März in Österreich mit einer Skigruppe, und wir sind Covid19-positiv aus dem Urlaub wieder gekommen."
Bei allen Sieben aus der Gruppe ist die Infektion glimpflich verlaufen. "Wir hatten alle Geruchs- oder Geschmacksverlust, und einer hatte etwas erhöhtes Fieber. Einer von uns hatte 39 Grad, aber das auch nur einen Tag."
Dennis ist zum ersten Mal in seinem Leben in einem Blutspendezentrum. "Das ist die Premiere, und wahrscheinlich würde ich auch so kein Blut spenden. Und nur mit dem Hintergrund, jetzt Leuten zu helfen, denen es durch Corona schlecht geht, mach ich es halt jetzt."
Herstellung von Plasma für COVID-19-Patienten
"Ich würde gar nicht so zwischen den unterschiedlichen Blutspende-Arten unterscheiden, denn die Spende-Kriterien sind für alle gleich", sagt Professorin Birgit Gathof, sie leitet die Transfusionsmedizin an der Universitätsklinik Köln.
"Wir haben die Vollblut-Spende, bei der man einen halben Liter Blut spendet, aus dem wir rote Blutkörperchen und Plasma machen. Und wir haben eine Maschinen-unterstützte Blutspende, bei dem man Plasma direkt gewinnen kann, oder Blutplättchen und Plasma. Und all diese Spende-Arten sind geeignet, um für Covid-Patienten Plasma herzustellen."
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Wer nicht so gute Venen hat, der sollte lieber an eine normale Blutspende denken, rät Birgit Gathof: "Die eigentliche normale Vollblut-Spende dauert nur etwa fünf bis zehn Minuten. Es ist ein kurzes Verfahren, während die Plasmaspende doch eine halbe oder dreiviertel Stunde dauert. Und man muss auch mit dem Gerät mitarbeiten. Das Gerät entnimmt ja mit Stau Blut aus der Vene", erklärt sie.
"Aber nicht alle unsere Spendewilligen haben Venen mit einem großen Durchmesser. Das hängt mit dem Sport zusammen und mit der persönlichen Konstitution. Dann muss man eben pumpen. Und wenn Sie eine halbe Stunde einen Ball gedrückt haben, am Arm und das im Rhythmus gemacht haben mit der Maschine. Danach wissen Sie auf jeden Fall, was Sie gemacht haben, und haben vielleicht am nächsten Tag auch ein bisschen Muskelkater."
Zwischen 600 und 850 Milliliter Plasma entnimmt das Gerät. Die roten Blutzellen gibt das Gerät wieder in den Körper zurück. Und auch der Flüssigkeitsverlust wird mit Kochsalzlösung wieder ausgeglichen.
Antikörper, die das Corona-Virus attackieren
Nach der Spende durchläuft das Plasma eine Reihe von Laboruntersuchungen: etwa auf Krankheitserreger wie HIV oder Hepatitis-Viren oder auf Syphilis-Erreger, die für den Empfänger ein Risiko bergen könnten. "Das Plasma, wenn es gespendet ist, wird eingefroren bei minus 30 Grad und kann dann drei Jahre gelagert werden", so Gathof. Bei Bedarf lässt sich das Plasma auftauen und als Medikament geben.
Die Grundidee der Plasmatherapie: Das Plasma enthält Antikörper, die zielgenau den Corona-Erreger attackieren. Sie neutralisieren das Virus und verhindern so, dass es sich im Körper weiter vermehren und Schäden an der Lunge oder an anderen Organen anrichten kann.
In vielen Ländern haben Kliniken auch bereits eine solche Antikörpertherapie bei Corona-Patienten ausprobiert, sagt Professor Florian Klein, der Direktor des Instituts für Virologie an der Universitätsklinik Köln.
"In aller Regel als individuellen Heilversuch. Das heißt, das ist nicht passiert im Rahmen einer kontrollierten klinischen Studie. Und das hat man gemacht, und da sind Einzelfallberichte beschrieben, auch mit ganz guten Ergebnissen."
Aber viele Fragen sind noch offen: Wann sollten die Antikörper gegeben werden? Möglichst früh? Wie viele Antikörper müssen wie oft gegeben werden? Wie zuverlässig lässt sich ein schwerer Krankheitsverlauf abwenden? Welche Patienten profitieren am meisten? All diese Fragen, so Florian Klein, lassen sich nur im Rahmen von klinischen Studien beantworten. Deren Ergebnisse stehen aber noch aus.
"Wenn wir die schon hätten, dann würden wir es vielleicht auch schon häufiger einsetzen. Aber hier steht auf jeden Fall noch aus, dass man gucken muss, ob und bei wem und zu welchem Zeitpunkt da eine Wirksamkeit vorliegt."