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Cowboy, Sheriff und einsamer Held

Ende der 50er-Jahre erschien im "New York Magazine" eine Geschichte über das Verschwinden des amerikanischen Helden - auf dem Titel war er zu sehen: Gary Cooper. Er symbolisierte nicht nur den unzerstörbaren Cowboy, sondern auch den melancholischen Denker.

Von Katja Nicodemus | 13.05.2011
    Er war die Art von amerikanischer Legende, die andere Legenden aus der Fassung bringen konnte. Als Gary Cooper wegen einer schweren Erkrankung den Ehrenoscar für sein Lebenswerk nicht mehr persönlich entgegennehmen konnte, kam stattdessen James Stewart auf die Bühne. Während seiner warmherzigen Rede für "Coop" konnte er nicht mehr gegen den Kloß im Hals ankämpfen.

    "Wir sind sehr stolz auf dich, Coop...sehr, sehr stolz."

    Einige Wochen später, am 13. Mai 1961, wenige Tage nach seinem sechzigsten Geburtstag erlag Gary Cooper seinem Krebsleiden. "Unsterblich", das ist die Kategorie, in die Schauspieler wie er fallen. Humphrey Bogart brachte das einmal auf den Punkt, als er behauptete, Cooper könne am Ende eines Films nicht "abgemurkst" werden. Überhaupt könne er gar nicht sterben. Und wirklich, mit der Legende Gary Cooper verbindet man keinen zeitgebundenen Typus, kein Image, sondern eine Haltung, die unzerstörbar im Gedächtnis bleibt: die des aufrechten, aufrichtigen Amerikaners.

    Coopers unglaubliche Gegenwärtigkeit vor der Kamera, auf Fotos und in der Kinogeschichte entstand nicht zuletzt aus seinem Minimalismus. Er existierte vor dem Objektiv, während andere sich ihre Präsenz erspielen mussten. Cooper brauchte sich auch nicht als Cowboy, Sheriff oder Scharfschütze zu gebärden, er war es einfach. Den Gegner, der ihn in "Vera Cruz" noch schmierig angrinst, hat seine Kugel längst erwischt. Hoch zu Ross, als Stuntman beim Stummfilm, begann die Karriere des Jungen, der als Sohn eines Anwalts in einer uramerikanischen Westernlandschaft aufwuchs:

    "Ich schätze mich glücklich, in Montana zur Welt gekommen und aufgewachsen zu sein. Einem noch recht wilden Land. Der Traum eines jeden Jungen im Westen ist es doch, ein Cowboy zu sein."

    Eigentlich war Gary Cooper zu groß und zu schlacksig für die Leinwand. Manchmal schien er nur aus seinen Extremitäten zu bestehen. In "Der große Wurf" zum Beispiel läuft Teresa Wright 1942 unter seinem Arm, mit dem er sich am Türrahmen festhält, hindurch wie unter einem Ast. Aber Cooper, der Mann mit dem Stirnrunzeln, war der Mann der Zeit. Vielleicht gerade, weil er das Bild nicht wie ein Fels ausfüllte. Denn mit dem Beginn des Tonfilms wurde der Western durchlässiger für die Krisen und Zeichen der Zeit. Und so wurde Cooper 1929 zum Star in Victor Flemings "The Virginian" - als grübelnder, zweifelnder Held. Er muss mit ansehen, wie sein bester Freund als Bandenmitglied gehängt wird und stillt seinen Rachedurst durch Selbstjustiz am Bandenchef. In den folgenden Jahrzehnten geriet die Mythologie des Western weiter ins Wanken. Coopers Sheriffs und Cowboys wurden auf der Leinwand zunehmend müde, für das Gute zu kämpfen.

    Ingrid Bergman: "Warum willst du unbedingt ein Held sein? Ich lege keinen Wert darauf, dass du ein Held bist."

    Gary Cooper: "Ich habe auch gar nicht die Absicht, einer zu werden. Wenn du denkst, dass ich es gern tue, dann irrst du dich sehr."

    Der einsame Held wider Willen und die menschenleere staubige Straße in "High Noon" - "12 Uhr mittags" von Fred Zinnemann. Die Gemeinschaft hat sich hinter der Tür verbarrikadiert. In diesem Film sieht Gary Cooper besonders erschöpft und melancholisch aus, was durch den Verzicht auf Schminke noch hervorgehoben wurde. Die mangelnde Solidarität lässt den Kampf seines Sheriffs Cane sinnlos erscheinen. Für wen wird hier gekämpft? Wie wird die Gewalt noch legitimiert? Immer wieder wurde Zinnemanns 1951 gedrehter Spätwestern als Allegorie für die antikommunistische Hetzjagd der McCarthy-Ära gesehen. Selbst der Richter packt in "12 Uhr mittags" die Gesetzbücher und Waagschalen der Gerechtigkeit ein. Wie so viele seiner Kollegen musste auch Gary Cooper vor dem Ausschuss für unamerikanische Umtriebe aussagen. Aber er sagte nicht viel und verriet niemanden:

    "Ich habe einige Drehbücher abgelehnt, die kommunistische Ideen zu enthalten schienen. Ich glaube, man hat nie versucht, mich, einzusetzen, vermutlich weil man weiß, dass ich dem Kommunismus nicht wohlgesonnen bin."

    Gary Cooper mag ein aufrechter Amerikaner gewesen sein, aber auf der Leinwand war er stets auch ein Subversiver, der die angeblich ehernen Werte hinterfragte. In Ernst Lubitschs "Serenade zu dritt" versuchte er sich 1930 erfolgreich an einer Ménage à trois". Für Josef von Sternberg wurde er 1933 in "Marocco" zu Marlene Dietrichs Objekt der Begierde. In Frank Capras "Mr. Deeds geht in die Stadt" betreibt er 1936 auf eigene Weise Kapitalismuskritik: Sein großes Erbe verteilt dieser Held freiwillig an Farmer. Daher wollen ihn die Reichen der Stadt für unzurechnungsfähig erklären.

    Vielleicht hat sein bester Freund James Stewart das Phänomen Cooper am besten erkannt: Gary Cooper, sagte Stewart, habe den Amerikanern auf der Leinwand vorgeführt, dass es nicht reiche, einfach nur Amerikaner zu sein.