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Cranach-Ausstellung
Diesmal der Jüngere

Lucas Cranach der Jüngere wurde fast immer als Erbe des Namens und der Kunst seines Vaters wahrgenommen. Beide sind zwei der wichtigsten Künstler der Reformationszeit. Eine eigene Ausstellung gab es für die Werke Cranachs des Jüngeren jedoch nicht. Bis jetzt, denn nun widmet sich seine Geburtsstadt Wittenberg seinen Bildern in einer eigenen Schau.

Von Carsten Probst | 26.06.2015
    Eine Luther-Bibel mit Motiven von Lucas Cranach dem Jüngeren ist am 25.06.2015 in der Ausstellung "Lucas Cranach der Jüngere - Entdeckung eines Meisters" im Augusteum in Wittenberg (Sachsen-Anhalt) zu sehen. Mit der Landesausstellung (26. Juni bis 01. November 2015) stehen erstmals Leben und Werk von Lucas Cranach dem Jüngeren im Mittelpunkt einer Ausstellung. In Wittenberg sind 120 Werke des Meisters zu sehen, die aus Museen und Sammlungen der ganzen Welt zusammengetragen wurden.
    Mit der Landesausstellung stehen erstmals Leben und Werk von Lucas Cranach dem Jüngeren im Mittelpunkt einer Ausstellung. In Wittenberg sind 120 Werke des Meisters zu sehen, die aus Museen und Sammlungen der ganzen Welt. (picture alliance/ dpa / Hendrik Schmidt)
    Christiane Eulenau war vermutlich eine vornehme Dame des 16. Jahrhunderts, und wenn es nach dem Porträt geht, das Lucas Cranach der Ältere 1534 von ihr angefertigt hat, dann war sie ein willensstarkes Wesen, das den Betrachter vor einem aggressiv roten Hintergrund mit einem ziemlich verschlagenen Lächeln anblickt.
    Dieser Frauentypus mit dominant vorgeschobenem Kinn und einer Haltung, die ein nervöses Temperament verrät, kommt bei Cranach dem Älteren öfter vor. Er taucht, wie so oft in der Cranach-Werkstatt, in ganz verschiedenen Zusammenhängen wieder auf, bei antiken Gestalten ebenso wie bei der Eva. Lucas Cranach der Jüngere hat im selben Jahr als 19-Jähriger diese ansonsten unbekannte Christiane Eulenau gemalt, zumindest nimmt das die Forschung an, dass dieses zweite Porträt der Dame nicht von seinem Vater stammt.
    Schwierige Forschungslage
    Solche Nachweise sind außerordentlich schwierig, zu führen, da Vater und Sohn Cranach ihre Bilder selten persönlich eindeutig signiert und an zahlreichen Werken auch gemeinsam gearbeitet haben. In diesem Fall glaubt sich die Forschung allerdings relativ sicher zu sein, ein frühes Einzelwerk von Cranach dem Jüngeren vor sich zu haben. Es ist jetzt aus den Dresdner Kunstsammlungen nach Wittenberg verliehen worden und hängt zum Vergleich direkt neben der Fassung seines Vaters, die aus der Neuen Residenz in Bamberg stammt.
    Bei Cranach dem Jüngeren wirkt das Antlitz der Christiane Eulenau empfindsamer, weicher, der Blick weniger berechnend als vielmehr ergeben, und der jadegrüne Bildhintergrund kühlt das weibliche Temperament deutlich ab. Mit feinen, sorgsam gesetzten Pinseltupfern modelliert Cranach der Jüngere auf engstem Raum gewissenhaft kleinste Schatten auf dem Gesicht. Das ist der Grund, weshalb sein Stil im Vergleich zu dem seines Vaters als weniger zeichnerisch, weniger psychologisch und weniger blickfängerisch gilt.
    Cranach der Jüngere, so scheint es, strebt nach malerischen Lösungen, stellt die Auffälligkeit hintan und verleiht dadurch selbst scheinbar chaotischen Figurenzusammenstellungen einen erstaunlich harmonischen Duktus.
    Bis ins Jahr 1550 bleibt die sogenannte Händescheidung zwischen Vater und das Hauptproblem, um die jeweiligen Anteile von Vater und Sohn an den zentralen Werken der Cranach-Werkstatt zu beurteilen.
    Altbekanntes und neue Schätze
    Die Wittenberger Ausstellung kann da auch nichts anderes tun, als die mal mehr, mal weniger heuristischen Annahmen über den eigenen Stil Cranachs des Jüngeren aufzunehmen. Aber gerade deshalb ist diese Ausstellung interessant und verdienstvoll. Denn ab 1550, als Cranach der Ältere nach der Schlacht bei Mühlberg seinem ehemaligen Dienstherren Herzog Johann Friedrich in die Augsburger Gefangenschaft folgte, übernahm sein Sohn die Werkstatt allein. Aus dieser Zeit sind zahlreiche Kompositionen überliefert, die nur von Cranach dem Jüngeren stammen können, wenn man die stilistischen Vorannahmen berücksichtigt. Und sie zeigen nicht nur die schon bislang geläufigen Cranach-Motive, von der Venus über Adam und Eva, Porträts von Luther, Melanchthon und anderen Reformatoren.
    Auch die protestantischen Programmbilder tragen jetzt diese neue, reduzierte Handschrift, die zugleich durch eine spannungsreiche malerische Einheitlichkeit gekennzeichnet ist. Eine Auferstehung von 1554, eine Grablegung von 1561, insbesondere auch zahlreiche Porträts aus der Zeit nach 1550 zeigen Cranach den Jüngeren als einen völlig eigenständigen, herausragenden Maler, der den Vergleich mit Hans Holbein dem Jüngeren nicht zu scheuen braucht. Das unterstreichen auch die hier erstmals in diesem Zusammenhang ausgestellten Porträtskizzen aus Reims, die nach langen Zweifeln mittlerweile ebenfalls Cranach dem Jüngeren zugeschrieben werden.
    Entdeckung eines Meisters
    Ihr Hauptversprechen löst diese Ausstellung ein: Sie ist tatsächlich die Entdeckung eines Meisters, der allzu oft nur in direkter Korrespondenz mit seinem Vater gezeigt wurde und als zweitrangig galt. Und sie lädt ein, über die Bilder hinaus auch Wittenbergs Altstadt mit weiteren Cranach-Orten, Kirchenaltären und Lebensstationen kennenzulernen – und das ist zweifellos mehr, als andere Museumsschauen je bieten können.