Dienstag, 19. März 2024

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Cross-Border-Journalismus
"Nationalismus können wir uns nicht mehr leisten"

376 Journalisten aus 76 Ländern haben für die "Panama Papers" zusammengearbeitet - ein Rechercheprojekt der Superlative. Warum internationale Medienkooperationen immer wichtiger werden, war Thema einer Tagung in Ilmenau.

Von Henry Bernhard | 01.10.2018
    Frederik Obermaier (rechts) und sein Kollege Bastian Obermayer (l) - beide Journalisten der Süddeutschen Zeitung - präsentierten bereits gemeinsam die sogenannten Panama Papers, dem Vorläufer der Paradise Papers.
    Bastian Obermayer (links) und Frederik Obermaier von der der Süddeutschen Zeitung waren an den Recherchen für die Panama Papers beteiligt. (EFE)
    Für die deutsch-dänische Journalistin Brigitte Alfter begann der Cross-Border-Journalismus aus purer Notwendigkeit. Alfter war damals Brüssel-Korrespondentin einer dänischen Tageszeitung und wollte einer Frage nachgehen, die nicht nur Dänemark, sondern ganz Europa betraf:
    "Das heißt, ich habe ein Netzwerk gemacht mit Kollegen aus verschiedenen europäischen Ländern, die dann jeweils ihre eigene, nationale Geschichte hatten. Und dann haben wir in dem Netzwerk gemeinsam das europäische Puzzlespiel zusammengesetzt. Ich hätte natürlich einfach einen kleinen, nationalen Winkel erzählen können, aber dann hätte der Kontext gefehlt, und den brauchen meine Leser ja, um die Welt zu verstehen oder Europa zu verstehen, in diesem Fall."
    Lokale Ansätze reichen nicht mehr
    Die eigene Nation, Europa, die Welt – die aktuellen Fragen der Menschheit lassen sich nicht mehr lokal oder national beantworten, so der Tenor der Tagung. Dies betonte der Nigerianer Farooq Kperogi, der in den USA lehrt, aus der Sicht von Afrika:
    "Exklusiven Nationalismus können wir uns nicht mehr leisten. Terrorismus, ansteckende Krankheiten können sich in der ganzen Welt verbreiten – egal, wo sie ausbrechen. Die Probleme und Themen der Welt betreffen uns immer mehr gemeinsam."
    Der technische Fortschritt, das Internet hätten die Möglichkeiten des Nachrichtenaustausches stark verändert, so Kperogi. Afrika hätte heute bessere Chancen, in der Welt wahrgenommen zu werden. Die Berichterstattung allein durch Korrespondenten erzähle immer nur einen Teil der Wahrheit.
    Ergänzung zu klassischen Auslandskorrespondenten
    "Das alte Modell des internationalen Journalismus ist der Auslandskorrespondent. Der exotisiert 'das Andere' und betrachtet es als fremd. Das seltsame Wesen der Anderen erklärt er dann seinem heimischen Publikum."
    Die Zusammenarbeit ausländischer mit lokalen Journalisten aber könne zum Beispiel die Korruption in vielen Ländern des Südens viel besser aufdecken. Davon profitiere auch der Norden, denn viele Hilfsgelder des Westens würden schließlich in Afrika veruntreut.
    Sparzwang befördert internationale Projekte
    Herman Wasserman von der Universität Kapstadt in Südafrika kann in diesem Zusammenhang sogar dem Abzug ausländischer Journalisten etwas abgewinnen: "Durch die finanziellen Schwierigkeiten der Medien haben viele ihre Büros in Afrika geschlossen. Da sie nun lokale Journalisten anzapfen müßten, nutzt das sogar der Berichterstattung."
    Die Zusammenarbeit von Journalisten über Ländergrenzen hinweg verlangt Anstrengungen und kostet Geld. Diverse Organisationen sind darin inzwischen involviert.
    Auf der Ilmenauer Tagung ging es auch um rechtliche und ethische Prinzipien im digitalen Zeitalter. Um die Bedeutung von Datenjournalismus und um die Ausbildung zukünftiger Journalisten, für die die internationale Zusammenarbeit eine Selbstverständlichkeit sein soll. Eine der Pionierinnen ist auch da Brigitte Alfter, die gerade ein Handbuch über Cross-Border-Journalismus veröffentlicht hat.
    "Man muss Vertrauen aufbauen"
    "Jetzt koordiniere ich gerade wieder so ein europäisches Grüppchen von zwölf Leuten oder so. Wir sind täglich im Chat miteinander, wir mailen, wir teilen Dokumente und sagen, 'Schau mal, das ist interessant, habe ich gerade gefunden…' Bei diesen Treffen ist das persönliche Treffen dennoch wichtig. Man muss sich begegnen, man muss rausfinden, ob man sich gut versteht. Da geht es ja dann auch darum, welche journalistische Ethik man hat, wie man mit Quellen umgeht und solche Sachen. Man muss Vertrauen aufbauen zwischen den Kollegen. Treffen ist also gut. Und wir benutzen dann die moderne Technik, eben um die Kommunikation, die wir sonst an der Kaffeemaschine führen würden, halt im Chat oder sonstwie zu führen."