Donnerstag, 28. März 2024

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CSU-Landesgruppenchef Dobrindt
"Diese Koalition ist deutlich besser als ihr Ruf"

Die CSU wolle dafür sorgen, dass die Große Koalition in ihrer zweiten Halbzeit mehr Zustimmung in der Öffentlichkeit bekomme, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt im Dlf. Dazu brauche es auch neue Impulse. Welche personellen Änderungen es dafür geben sollte, wollte er nicht sagen.

Alexander Dobrindt im Gespräch mit Silvia Engels | 07.01.2020
Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, spricht während einer Demonstration von Landwirten während der Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag vor dem Kloster Seeon
Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef, bei der Winterklausur der CSU (dpa / Matthias Balk)
Silvia Engels: Die Organisatoren der CSU-Klausur der Landesgruppe des Bundestages im Kloster Seeon hatten schon im Vorfeld mit Vorschlägen zur Sozial-, zur Familien- und zur Migrationspolitik von sich Reden gemacht. Und dann kam CSU-Chef Söder und zog die Aufmerksamkeit auf sich, indem er eine Umbildung des Bundeskabinetts vorschlug. Das Thema bleibt auf der Agenda, auch wenn heute eigentlich im Kloster Seeon die Außenpolitik im Vordergrund stehen soll.
In Seeon erreichen wir Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef im Bundestag. Guten Morgen, Herr Dobrindt!
Alexander Dobrindt: Schönen guten Morgen, Frau Engels!
Enge Abstimmung mit Söder
Engels: Eigentlich hatten Sie in Seeon ja vor allem über Familien-, über Finanz-, über Renten- oder Migrationspolitik sprechen wollen, haben verschiedene Konzepte dazu erarbeitet. Dann kommt Ihr Parteichef Markus Söder und alle reden nur über Kabinettsumbildung in Berlin. Was haben Sie ihm gesagt? Bestimmt doch kein Dankeschön, oder?
Dobrindt: Doch, selbstverständlich! Wir sind sehr froh, dass er die Klausur hier mit begleitet, dass er mit dabei ist, dass wir intensive Gespräche miteinander führen. Wir haben diese Klausur gemeinsam vorbereitet, wir sind da eng abgestimmt in den inhaltlichen Fragen, in allem anderen, was dazugehört. Es ist die Kombination am Schluss. Wir sind uns einig darin, dass wir diese Koalition bis 2021 fortführen wollen, und wenn man das will, dann muss man auch sagen, wie man eine zweite Halbzeit gestalten will. Dazu gehört alles natürlich zusammen, die Inhalte, die neuen Impulse, auch die Aufstellung. Das ist ein gemeinsames Paket und deswegen diskutieren wir das gemeinsam.
Engels: Dann machen wir es doch konkret. Sie hatten ja auch den Vorstoß Söders gestern im Grundsatz bekräftigt, sagen das auch jetzt. Es ginge darum, mehr Dynamik zu erreichen. Drei CSU-Minister sind im Bundeskabinett, Innenminister Seehofer, Verkehrsminister Scheuer, Entwicklungshilfeminister Müller. Wer geht?
Dobrindt: Ja, das ist natürlich jetzt diese Frage, die man ständig gestellt bekommt. Wer ist denn jetzt eigentlich gemeint? – Aber das ist ein bisschen zu einfach und eigentlich auch ein bisschen unfair, wenn ich jetzt einfach irgendwelche Namen in den Raum schmeißen würde, sondern es geht doch um die Frage, mit welchen inhaltlichen Impulsen können wir am Schluss diese Dynamik entfalten, über die wir reden, die wir wollen, wie können wir eigentlich zeigen, dass das, was ja so gerne im Zusammenhang mit der Großen Koalition immer wieder genannt wird, dass man da nicht so hundertprozentig zufrieden ist, um es mal so zu formulieren, wie kann man das eigentlich stärker machen, stärker darstellen, dass diese Koalition deutlich besser ist als ihr Ruf. Das ist unser Anspruch und deswegen reden wir genau auch darüber und wollen dafür sorgen, dass diese Koalition dann auch in ihrer zweiten Halbzeit hin auf 2021 mehr Zustimmung in der Öffentlichkeit hat.
Wettbewerbssituation auf der Welt annehmen
Engels: Wenn Sie es weiten wollen, meinen Sie mit der Kritik dann zum Beispiel Wirtschaftsminister Altmaier, um mehr Dynamik in Wirtschaftsfragen zu bekommen, ihn abzulösen?
Dobrindt: Schauen Sie, es wird ja durch die Nachfrage jetzt dann auch nicht besser, bliebe nach wie vor vollkommen unfair. Wir müssen darüber reden, wie können wir die Wettbewerbssituation auf der Welt annehmen, wie können wir die Herausforderungen, dass wir große Dynamiken im Bereich der Digitalisierung beispielsweise in der Welt haben, in den Vereinigten Staaten von Amerika, aber auch in den asiatischen Märkten, wie können wir uns da auf Augenhöhe bringen, wie kann man das mit Ideen am Schluss auch bekräftigen, wer den Wettbewerb annehmen will. Das sind die Herausforderungen, die wir da sehen, und das sind die Fragen, denen wir uns hier stellen. Darum geht’s und um eine Mannschaft, ja, die auf 2021 hinarbeiten soll, und das ist etwas, da muss man im Jahr 2020 drüber reden. Das ist richtig, aber das ist auch ganz natürlich und normal.
Engels: Aber ist es nicht auch unfair, um Ihre Wortwahl zu verwenden, so ein Thema halb anzureißen, dann aber nicht Ross und Reiter zu nennen? Wie wollen Sie denn damit heute Frau Kramp-Karrenbauer gegenüberstehen, die ja nun auch von diesem Thema erfasst wird, sich dazu äußern muss und als CDU-Chefin heute bei Ihnen erwartet wird?
Dobrindt: Es ist doch jetzt illusorisch zu glauben, dass nur die CSU sich Gedanken darüber machen würde, wie man diese zweite Hälfte der Koalition gestalten will, oder dass nur die CSU sich Gedanken darüber macht, was kommt denn eigentlich nach 2021, sondern das beschäftigt doch alle im politischen Berlin und das nicht erst seit gestern oder seit dem Sonntag. Von daher sind alle auf Diskussionen und Fragen dieser Art natürlich vorbereitet und inhaltlich damit beschäftigt. Aber die Diskussion heute mit Annegret Kramp-Karrenbauer ist ja maßgeblich eine, die über Sicherheit, über Verteidigung, die über die Krisenherde geht. Sie ist ja als Verteidigungsministerin bei uns heute eingeladen. In diesem Zusammenhang gibt es ja auch eine ganze Reihe von aktuellen Entwicklungen, die wir dringend mit ihr diskutieren wollen, auch über unsere Rolle in der NATO. Wir haben den Anspruch, dass wir deutlich stärker uns da einbringen, indem wir auch unseren Anteil an den Ausgaben, an den Verteidigungsausgaben, unseren Beitrag deutlich erhöhen, das Zwei-Prozent-Ziel erreichen. Darin unterstützen wir AKK ganz nachdrücklich. Diese Fragen werden wir mit ihr vorrangig diskutieren.
Kampf gegen den IS im Irak mit unterstützen
Engels: Da sind wir beim Thema. Roderich Kiesewetter, der Obmann der CDU, hat vor einer Stunde hier im Deutschlandfunk angeregt, dass sich die Europäer stärker beteiligen in der Region Nahost – eigentlich aufgrund auch gerade der Zuspitzung der Iran-Eskalation hier Kompetenzen stärker einzubringen. Sind Sie dabei?
Dobrindt: Das ist jetzt ein bisschen sehr pauschal. Wir haben großes Interesse daran, dass wir den Kampf gegen den IS im Irak mit unterstützen. Das haben wir in der Vergangenheit ja auch getan. Jetzt gibt es Signale aus dem Irak, gerade aus dem Parlament heraus, dass man diese Unterstützung jetzt nicht mehr will, möglicherweise nicht mehr will. Ohne den Wunsch der Regierung dort können wir natürlich nicht helfen. Das sind die Fragen, die werden jeden Tag auch neu bewertet, wie sind die aktuellen Entwicklungen. Dass man Sorge hat bei dem, was insgesamt in der Region passiert, dass man Sorge auch hat, was ist eigentlich diese Eskalation der Auseinandersetzung, die wir in den letzten Wochen erlebt haben, auch wo führt das eigentlich hin, das ist das, was uns an der Stelle ja auch mit umtreibt.
Engels: Dann greifen wir noch einen anderen Vorschlag auf, den Sie konkret gemacht haben. Da geht es um die Migrationspolitik, eng verwoben ja auch immer mit der Außen- und Sicherheitspolitik. Da geht es darum, die Maghreb-Staaten als sichere Herkunftsländer auszuweisen, indem die Bundesregierung ein Gesetz beschließen soll, das die Zustimmung des Bundesrats und damit der dort stark vertretenen Grünen nicht braucht. Der Vorwurf an Sie heißt, Sie unterhöhlen damit Landeskompetenzen. Was sagen Sie?
Dobrindt: Nein! Der Vorwurf ist vollkommen falsch. Wir erleben, dass es eine Blockade gibt im Bundesrat über die Grünen, dass die Ausweisung sicherer Herkunftsstaaten dort blockiert, nicht vollzogen wird, nicht unterstützt wird. Ich finde das nicht sehr verantwortungsvoll, weil wir brauchen dieses Prinzip der sicheren Herkunftsstaaten, um Verfahren entsprechend zu beschleunigen, um aussichtslose Asylverfahren nicht ewig sich hinziehen zu lassen. Und ja, gut! Wenn man jetzt nach vielen Versuchen erkennt, dass dort keine Bereitschaft im Bundesrat ist, dieses Konzept mit zu unterstützen, dann wollen wir einen Weg finden, dass dies im Bundestag alleine möglich ist. Das geht rechtlich und deswegen wollen wir, dass das auch umgesetzt wird und das Konzept der sicheren Herkunftsstaaten über die Regierung, über den Bundestag beschlossen und umgesetzt wird.
Verwunderung über Debatten in der SPD
Engels: Haben Sie das auch mit Kommissionspräsidentin von der Leyen gestern diskutiert? Ist hier auch auf europäischer Ebene Bewegung in Sicht?
Dobrindt: Auf europäischer Ebene stellen sich die Frage gerade ja etwas anders. Das sind ja nationale Aufgaben, die wir hier erledigen könnten. Mit Ursula von der Leyen haben wir die Frage natürlich der Bekämpfung der Fluchtursachen, aber auch vor allem den Grenzschutz besprochen, die Stärkung von Frontex, wie kann man auch dann nationale Kompetenzen bei der Grenzsicherung mit europäischen Kompetenzen verzahnen, so dass wir langfristig einen sicheren Schutz an den Außengrenzen haben. Das ist ja eine unserer großen Forderungen auch immer gewesen. Wenn man im Inneren keine Grenzkontrollen mehr hat, dann müssen natürlich die Grenzkontrollen nach außen umso stärker werden. Da brauchen wir Europa, das haben wir intensiv mit Ursula von der Leyen besprochen.
Engels: Und wie geht das in Übereinstimmung mit dem SPD-Koalitionspartner, der ja in vielen Themen auf einen anderen Kurs setzt, erst recht durch die neue Führung im Moment. Zum einen ist da deutliche Kritik am Zwei-Prozent-Ziel der NATO zu hören. Jetzt wieder die Forderung nach einer strengeren Reglementierung von Rüstungsexporten. Kann das noch lange gut gehen?
Dobrindt: Man wundert sich ja manchmal darüber, wie Debatten auch in der SPD laufen. Kritik am Zwei-Prozent-Ziel kann ich nicht verstehen. Es waren auch immer SPD-Regierungsvertreter, die sich bekannt haben zum Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels, die auch dabei waren, als diese Vereinbarungen innerhalb der NATO getroffen worden sind, zugestimmt haben. Darum kann man das nicht nachvollziehen. Und dass Sicherheit, Ausrüstung der Bundeswehr für uns auch ein hohes Gut ist, ist doch eigentlich fast selbstverständlich, aber die Erreichung dessen eben nicht, und deswegen muss Politik stärker daran arbeiten, dass dies möglich ist. Aber ich habe ehrlicherweise in den letzten Tagen oder vielleicht auch Wochen, auf jeden Fall zwischen den Jahren das eine oder andere an Verstörendem aus der SPD in der Tat wahrgenommen. Ich glaube, dass hier ein echter Linksruck offensichtlich stattfindet. Zumindest versucht man in der SPD diesen Eindruck zu vermitteln. Wenn das so weit geht, dass auch am Schluss noch einige SPD-Vertreter ganz offensichtlich davon träumen, dass es eine Fusion von SPD und Linkspartei geben kann, dann sind das sicherlich Signale, die etwas verstörend wirken können. Aber wir werden sehen, wie sich die neuen Parteivorsitzenden dann auch damit auseinandersetzen.
Engels: Das heißt, das Ende der Koalition durch diesen Linksruck fürchten Sie nicht?
Dobrindt: Ich mache mir zumindest Sorgen darüber, welchen Weg die SPD geht. Es gibt ja neben dieser Frage, die offensichtlich die SPD intern aufgeworfen hat, ob man mit der Linkspartei fusionieren könnte, auch einige Signale, die absonderlich anmuten. Wenn Walter-Borjans, der neue Vorsitzende, den Hinweis gibt, man könnte zukünftig bei Wertsteigerungen von Grundstücken diese Wertsteigerung für den Staat abschöpfen, dann scheint mir das irgendwie etwas doch stärker am Sozialismus zu sein als an unserer Marktwirtschaft. Von daher gibt es eine Reihe solcher Signale, wo ich glaube, die SPD muss sich noch ein bisschen sortieren. Ich selber rate der SPD auf jeden Fall dazu, ein klares Bekenntnis zu dieser Großen Koalition abzugeben, weil Flucht aus der Verantwortung hat noch nie zu mehr Zustimmung geführt. Wir wollen diese Koalition fortsetzen. Ich würde mich freuen, wenn die SPD dies auch will.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.