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CSU-Landesgruppenchefin
"Wir wollen keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme"

Die Vorsitzende der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt, bekräftigte im DLF die Haltung ihrer Partei in der Debatte um Armutsmigranten. Missbrauch von Sozialleistungen wolle die CSU mit intensiverer Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Behörden bekämpfen. Als Konsequenz der NSA-Affäre forderte sie ein stärkeres Bewusstsein für Datensicherheit in Deutschland.

Gerda Hasselfeldt im Gespräch mit Katharina Hamberger | 05.01.2014
    Hamberger: Frau Hasselfeldt, die Klausurtagung der CSU-Landesgruppe im Bundestag, deren Vorsitzende Sie sind, in Wildbad Kreuth, die steht kurz bevor. Die Inhalte, die Sie dort diskutieren, die beherrschen schon seit einigen Tagen die Schlagzeilen. Vor allem ein Satz: "Wer betrügt, der fliegt". So steht es in einer Ihrer Beschlussvorlagen zum Thema Armutseinwanderung. Funktioniert denn Politik nur noch über solche Zuspitzungen?
    Hasselfeldt: Wir haben in dem Inhalt unserer Beschlussvorlage Bezug genommen auf das, was in der Koalitionsvereinbarung steht. Inhaltlich ist das das ganz Gleiche. Das heißt, wir wollen den Missbrauch von Sozialleistungen bekämpfen und wir wollen dies tun mit einer intensiveren Zusammenarbeit zwischen Kommunen und den Behörden und im Übrigen auch mit der Überprüfung der rechtlichen Grundlagen, sowohl auf Bundes- als auch auf europäischer Ebene.
    Sanktionen, wenn es im Missbrauch von Sozialleistungen geht
    Hamberger: Es ist ja auch durchaus nachvollziehbar, dass man sagt, man muss über Sanktionen sprechen, wenn es um Missbrauch von Sozialleistungen geht. Aber ist es wirklich notwendig, dass man solche Sprache dafür gebraucht? Es muss Ihnen doch irgendwo klar gewesen sein, dass Sie damit Vorurteile vielleicht bedienen, Ressentiments schüren?
    Hasselfeldt: Uns geht es darum, eine Diskussion anzustoßen, die auf die Probleme hinweist. Eine Diskussion, die dann auch zur Lösung dieser Probleme führt. Und dazu brauchen wir eine breite gesellschaftliche Diskussion, und die haben wir damit auch erreicht.
    Hamberger: Die Frage des Betruges ist das Eine, was Sie ansprechen eben mit diesem überspitzten Satz. Das Andere, das Sie fordern in Ihrer Beschlussvorlage ist, Sozialleistungen generell in den ersten drei Monaten bei einem Aufenthalt in Deutschland auszusetzen für Zuwanderer. Jetzt gibt es schon diverse Regelungen, unter anderem müssten die Städte nicht unbedingt – Sozialleistungen zahlen. Sie unterstützen aber oft die Einwanderer trotzdem freiwillig, weil, so hat das ein Sprecher vom Deutschen Städte- und Gemeindebund gesagt: Man könne eine Familie, die plötzlich in eine Stadt komme, nicht einfach auf der Straße stehen und verhungern lassen. Das müsste doch eigentlich auch in Ihrem Sinne sein oder, wenn man an das "C" in Ihrer Partei denkt?
    Ein Toilettenschild mit dem Logo von CSU und CDU
    CDU und CSU regieren in der Großen Koalition mit der SPD (AFP / Johannes Eisele)
    Hasselfeldt: Ich begrüße das sehr, wenn Städte auch den Betroffenen freiwillig helfen. Allerdings müssen wir auch dafür Sorge tragen, dass in den jeweiligen Herkunftsländern die Situation sich für die Betroffenen verbessert. Und deshalb ist es auch notwendig in den Herkunftsländern, dass die Mittel, die die Europäische Union dafür bereitstellt, Armut zu bekämpfen, Minderheiten zu schützen und ihre Lebenssituation zu verbessern, dass diese Mittel auch abgerufen werden und dafür auch eingesetzt werden, um den betroffenen Menschen dort zu helfen. Im Übrigen fordern wir nicht die Aussetzung dieser Sozialleistungen, sondern wir fordern die Überprüfung der Aussetzung der Leistungen.
    Hamberger: Aber glauben Sie denn, dass das so viel Druck auf die Länder macht, dass sie sagen, in den Herkunftsländern werden dann die Mittel lockergemacht, um dort die Menschen zu unterstützen? Das wird doch wahrscheinlich den Ländern an sich erst mal nichts ausmachen?
    Bessere Zusammenarbeit zwischen Kommunen und Behörden gefordert
    Hasselfeldt: Parallel sind die Anstrengungen notwendig. Es sind einmal die Anstrengungen in den einzelnen Ländern notwendig – dazu müssen Gespräche geführt werden. Zum Zweiten aber auch die Zusammenarbeit zwischen den Kommunen und den Behörden muss verbessert werden. Die Kommunen dürfen mit dieser Aufgabe nicht alleine gelassen werden. Wir haben übrigens reagiert auf Schreiben des Deutschen Städtetages, auf Schreiben übrigens auch des Münchener Oberbürgermeisters vor einigen Monaten an die Bundestagsabgeordneten, in denen die Städte auf diese Problematik aufmerksam gemacht haben und den Bund auch um Unterstützung gebeten haben.
    Hamberger: Woher kommen denn eigentlich Ihre Befürchtungen, wenn man das mal in Zahlen nimmt? Also Sie schreiben in Ihrem Papier von "einem fortgesetzten Missbrauch der europäischen Freizügigkeit durch Armutszuwanderung". Und können Sie mal erklären, was Sie unter dieser "fortgesetzten" oder diesem "fortgesetztem Missbrauch" verstehen?
    Hasselfeldt: Zunächst will ich klarstellen: Wir stehen voll zur Freizügigkeit in der Europäischen Union, da gibt es für uns überhaupt keinen Zweifel. Aber wir wollen keinen Missbrauch dieser Freizügigkeit. Und wir wollen keine Zuwanderung in unsere Sozialsysteme. Denn das führt dazu, dass die Freizügigkeit auch in der Bevölkerung nicht mehr die Akzeptanz findet, die wir brauchen. Das ist der Grundansatz. Und bei dem Missbrauch geht es beispielsweise um Vortäuschung falscher Tatsachen, um Dokumentenbetrug. Bei diesen Fällen ist es heute möglich, dass diese Menschen ausgewiesen werden können, aber Sie können auch wieder einreisen. Und deshalb wollen wir in diesen Fällen des Betrugs von Sozialleistungen, beispielsweise durch Dokumentenbetrug, eben auch die Möglichkeit eröffnen, nicht nur auszuweisen, sondern auch diejenigen Menschen, die dieses tun, an der Wiedereinreise zu hindern.
    Hamberger: Wo haben Sie denn Hinweise darauf, dass sich dieses Problem noch verstärken wird? Im Moment betrifft es ja hauptsächlich große Städte. München ist betroffen, Dortmund ist betroffen, Mannheim ist betroffen. Das sind Städte, die darüber klagen, dass sie unter großer Armutszuwanderung leiden. Aber es scheint kein großes, breites Problem im Moment zu sein, das ganz Deutschland betrifft?
    Hasselfeldt: Es ist ein Problem. Darauf haben uns die Kommunen ja selbst hingewiesen und insbesondere SPD-regierte Kommunen hingewiesen. Und deshalb ist es auch zum Gegenstand der Beratungen in der Koalitionsvereinbarung geworden.
    Hamberger: Wenn wir mal gucken, es stehen für Sie jetzt Europawahlen, Kommunalwahlen an. Dass Sie jetzt mit diesem Thema kommen, haben Sie denn auch ein bisschen Angst, bei der Europawahl rechts überholt zu werden? Denn auch so eine Partei wie die AfD hat sich das Thema Sozialleistungen für Zuwanderer auf die Fahnen geschrieben …
    Keine parteitaktischen Überlegungen
    Hasselfeldt: Es geht ja nicht um parteitaktische Überlegungen, sondern einzig und allein darum, dass Probleme, auf die uns die Kommunen selbst aufmerksam gemacht haben, einer Lösung zugeführt werden müssen. Dazu sind wir gewählt. Das ist unser Auftrag. Und deshalb wollen wir zielgerichtet darauf hinarbeiten.
    Hamberger: Sind Sie denn die einzige Partei in der Koalition, die den Ruf der Kommunen gehört hat? Weil dieses Thema hat ja auch Gegenfeuer vom Koalitionspartner gebracht beziehungsweise sogar von beiden, also von der CDU auch und auch von der SPD. Wenn man mal so ein Beispiel nimmt, jetzt hat der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier von der SPD gesagt: "Die europäischen Freiheiten sind der Kern unserer Idee von Europa. Die Arbeitnehmerfreizügigkeit ist ein unverzichtbarer Teil der europäischen Integration." Und der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Michael Roth – auch hier von der SPD – hat sogar noch gesagt: "Die CSU hat Europa nicht verstanden und offenkundig will sie es auch nicht."
    Hasselfeldt: Ich empfehle jedem, der sich in dieser Diskussion mit einmischt, vor allem vonseiten der Koalition, einmal einen Blick in die Koalitionsvereinbarungen, in den Koalitionsvertrag zu werfen. Dort ist fast wörtlich das Gleiche enthalten, was in unserer Beschlussvorlage enthalten ist.
    Hamberger: Hätte man es trotzdem – um des Koalitionsfriedens willen – nicht vielleicht gemäßigter formulieren können, gemäßigtere Worte wählen können?
    Hasselfeldt: Nun, wir haben ja auf ein Problem aufmerksam zu machen. Und wir alle wissen, dass manche Aufmerksamkeit auf ein Problem erst dann eintritt, wenn es auch klar formuliert ist – und das haben wir getan.
    Bekenntnis zu Freizügigkeit in Europa
    Hamberger: Ich werde den Eindruck nicht ganz los, die CSU muss jetzt ein bisschen lauter poltern, um nicht von den beiden großen Koalitionspartnern – SPD und CDU – untergebuttert zu werden, denn sie sind ja nun mit Abstand der kleinste Partner im Moment.
    Hasselfeldt: Damit hängt das überhaupt nicht zusammen. Wir haben auch in der Vergangenheit unsere Stimme immer erhoben, wenn wir es für notwendig erachtet haben. Und hier erachten wir es auch für notwendig. Wir haben immer eine konstruktive Rolle gespielt bei der europäischen Einigung und das werden wir auch künftig tun. Wir wollen Freizügigkeit in Europa. Wir wissen, dass wir gerade in Deutschland von einem geeinten Europa, einem starken Europa in besonderer Weise auch Vorteile haben. Aber wir wollen keinen Missbrauch der Regeln in Europa und darauf müssen wir hinweisen. Das ist unsere Aufgabe. Das erwarten auch die Wählerinnen und Wähler von uns.
    Hamberger: Sie hören das Interview der Woche im Deutschlandfunk, mit der Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe, Gerda Hasselfeldt. Frau Hasselfeldt, lassen Sie uns doch mal auf Ihre Landesgruppe schauen. Sie haben ein wichtiges Ministerium verloren, vor allem eines, bei dem das Thema Zuwanderung keine unwichtige Rolle spielt, das Innenministerium. Wie sehr schmerzt Sie dieser Verlust? Sie haben jetzt im Moment noch das Landwirtschaftsministerium – allerdings ohne den Verbraucherschutz, wie es vorher war. Sie haben für die CSU das Entwicklungsministerium und Sie haben das Verkehrsministerium mit der digitalen Infrastruktur. Ist Ihnen das nicht vielleicht ein bisschen zu wenig?
    Hasselfeldt: Wir haben – wie Sie gerade sagen – drei wichtige Ministerien. Drei für uns in der CSU und für Bayern wichtige Ministerien. Hatten übrigens auch zu Beginn der letzten Legislaturperiode das Innenministerium nicht, sondern erst im Laufe der Legislaturperiode das Innenministerium übernommen. Die drei wichtigen Ministerien sind deshalb für uns so wichtig, weil wir die einzige Partei zum Beispiel sind, die sich um die Probleme des ländlichen Raums und der Landwirtschaft kümmert. Mit dem Entwicklungsministerium haben wir einen Fuß in der Außenpolitik und knüpfen übrigens dabei an, an die Tradition von Jahrzehnten unserer Arbeit. Und mit dem Verkehrsressort zuständig zusätzlich auch noch für die digitale Entwicklung, das heißt für die Breitbandinfrastruktur. Ein, gerade in der jetzigen Zeit, vor der Einführung der Maut, für uns äußerst wichtiges Haus.
    Drei wichtige Ministerien für die CSU
    Hamberger: Aber warum haben Sie denn nicht mehr um das Innenministerium gekämpft, wenn Ihnen das Thema Zuwanderung ein so wichtiges ist?
    Sigmar Gabriel,(SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) mit dem Koalitionsvertrag 2013 - 2017.
    Sigmar Gabriel,(SPD), Angela Merkel (CDU) und Horst Seehofer (CSU) (dpa / picture alliance / Hannibal Hanschke)
    Hasselfeldt: Ach wissen Sie, wir haben viele Ministerien, die wichtig sind und wo wir auch unsere Handschrift immer wieder zum Ausdruck bringen. Wenn Sie zum Beispiel in der letzten Legislaturperiode das Betreuungsgeld nennen, das ist von der CSU durchgesetzt worden, obwohl wir das Ministerium nicht in der Federführung hatten. Und Sie können sicher sein, dass uns die Probleme der inneren Sicherheit auch in dieser Legislaturperiode, auch wenn wir den Innenminister persönlich nicht stellen, am Herzen liegen.
    Hamberger: Wenn man weiter sonst auf die Landesgruppe schaut, fällt auch eines auf: Außer Ihnen hat im Moment keine Frau der Landesgruppe eine Position in der ersten Reihe. Sie haben keine Ministerin, der Generalsekretärsposten ist wieder nachbesetzt worden mit einem Mann und ebenso der Parlamentarische Geschäftsführer. Warum?
    Hasselfeldt: Nun, Sie haben es ja selbst schon angesprochen: An der Spitze der Landesgruppe steht eine Frau. Das ist keine Selbstverständlichkeit. Das ist das erste Mal in der Geschichte der Landesgruppe überhaupt. Und das wiegt zwar nicht alles auf, aber doch sehr vieles. Und wenn Sie ins Bayerische Kabinett schauen, da haben wir eine große Anzahl von Frauen im Kabinett. Und momentan haben wir halt bei den Ministern mal keine CSU-Frau dabei, aber Sie können sicher sein, dass wir das ganz unkompliziert und unspektakulär sehen. Bei uns haben die Frauen gute Chancen, sie können sich hervorragend entwickeln. Wir haben erfolgreiche Frauen und Männer in der Landesgruppe und dafür werde ich schon sorgen, dass jede und jeder auch seinen Talenten entsprechend sich entfalten kann.
    Eine Frau an der Spitze der Landesgruppe ist keine Selbtverständlichkeit
    Hamberger: Das heißt, sollte wieder ein Posten frei werden, werden Sie sich dafür einsetzen, dass es vielleicht eine Frau bekommt?
    Hasselfeldt: Ich sehe das ganz unverkrampft, auch ohne jeden Blick auf eine Quote, sondern danach, mit welchen Talenten wir gerade zu der Zeit, in der Stellen zu besetzen sind, diejenigen Stellen besetzen, die eben gerade frei sind.
    Hamberger: Das widerspricht aber eigentlich doch dem Kurs, den auch Horst Seehofer gerne anspricht, nämlich dass die CSU weiblicher und jünger werden soll? Jetzt ist es eigentlich ein bisschen Rückwärtskurs?
    Hasselfeldt: Nein, im Gegenteil. Es ist kein Rückwärtskurs, sondern wir haben heute in der Landesgruppe der CSU mit den 56 Abgeordneten ein Viertel Frauen. Das ist weit mehr, als wir das in den früheren Legislaturperioden hatten. Dabei sind aber eine ganze Reihe von Neuen mit dabei, die sich zunächst einmal natürlich einarbeiten müssen.
    Hamberger: Wenn wir jetzt mal auf die Klausurtagung noch mal zurückblicken, wo sich diese Landesgruppe trifft, die beginnt kommenden Dienstag, Sie haben auch den neuen amerikanischen Botschafter, John B. Emerson, zu Gast. Ein Thema, das ganz schön Bewegung in die transatlantischen Beziehungen gebracht hat, ist die NSA-Affäre. Wie sehr hat das denn aus Ihrer Sicht die transatlantischen Beziehungen gestört?
    Hasselfeldt: Genau deshalb haben wir auch den amerikanischen Botschafter zum Gespräch geladen. Weil durch die Aktionen des amerikanischen Geheimdienstes das transatlantische Bündnis durchaus einen Vertrauensverlust erlitten hat, und diesen gilt es wieder aufzubauen. Wir müssen wieder eine Balance finden zwischen Sicherheit und Freiheit. Und nicht nur bei uns, sondern eben auch im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika. Das transatlantische Bündnis ist für uns von ganz entscheidender Bedeutung. Und deshalb ist uns dieses Gespräch auch sehr wichtig. Wir müssen über die Gründe dieser Aktionen sprechen. Wir müssen über das Ausmaß sprechen. Und auch über konkrete Schritte, um künftig so etwas zu verhindern.
    Hamberger: Was erwarten Sie denn da vom amerikanischen Botschafter?
    Offene Aussprache mit dem US-Botschafter erwartet
    Hasselfeldt: Ich erwarte eine offene Aussprache, die auch die Ursachen, die Gründe beinhaltet, das Ausmaß der Aktionen mit beinhaltet. Und natürlich einen Blick nach vorne, wie wir dazu kommen, um gemeinsam eine tragfähige Basis für diese Balance – Sicherheit auf der einen Seite und Freiheit des Einzelnen auf der anderen Seite – zu gewährleisten.
    Hamberger: Eine solche Basis könnte ja unter anderem dieses geplante No-Spy-Abkommen sein. Werden Sie das denn auch mit ansprechen? Im Moment sieht es ja so aus, als würde es noch etwas länger dauern, bis es dazu kommt und vor allem, weil die Amerikaner da ein bisschen zögern?
    Hasselfeldt: Wir werden all diese Punkte ansprechen. Ich will dem Gespräch und kann dem Gespräch ja auch nicht vorgreifen. Wir erwarten ein interessantes, ein sehr offenes Gespräch mit dem Botschafter.
    Hamberger: Wenn wir mal auf das Thema NSA noch mal gucken, da bewegt sich ja auch in Deutschland einiges, und zwar könnte es jetzt im Bundestag einen Untersuchungsausschuss geben. Zumindest hat Ihr Parteivorsitzender Horst Seehofer jetzt angedeutet, dem Wunsch der Opposition nach einem solchen Untersuchungsausschuss nachzukommen. Und die SPD hat das eigentlich auch schon vor der Bundestagswahl angedeutet. Was erhoffen Sie sich denn von einem solchen Untersuchungsausschuss zur NSA-Affäre?
    Hasselfeldt: Nun, noch liegt kein Antrag vor. Und es liegt auch kein Untersuchungsauftrag – und damit der Inhalt dessen, was untersucht werden soll – vor. Ich sehe diesem sehr gelassen entgegen und werde mich, wenn ein Antrag vorliegt mit einem konkreten Untersuchungsauftrag, dem nicht widersetzen.
    Hamberger: Also das heißt, Sie werden auch dann mit Ihrer Landesgruppe sprechen und sagen: Wir werden auch einen solchen Untersuchungsausschuss unterstützen, wenn die Opposition das möchte?
    Hasselfeldt: Zunächst gibt es ja noch nicht einmal einen Antrag dazu.
    Hamberger: In Deutschland ist auch ein Thema in dem Zusammenhang, vor allem seit eben öffentlich gemacht wurde, in welchem Umfang die amerikanischen Behörden, aber auch andere, Daten sammeln, das ist die Sicherheit der Daten. Also Telefongespräche, Inhalte von E-Mails, Bewegungsprofile, das alles scheint eben interessant für ausländische Dienste zu sein, und zwar von jedem Bürger. Wie wollen Sie denn dafür sorgen, dass die Bürger in Zukunft davor auch geschützt werden?
    Bewusstsein für Weitergabe persönlicher Daten stärken
    Hasselfeldt: Nun, wir werden auch darüber einen Gesprächspartner in Kreuth haben, nämlich den neuen Chef der Telekom. Und uns ist auch klar, dass wir insgesamt in unserer Gesellschaft das Bewusstsein für Datensicherheit und für die Weitergabe, auch teilweise unbedachte Weitergabe von persönlichen Daten, stärken müssen. Auch darüber muss in der Gesellschaft ganz offen diskutiert werden.
    Hamberger: Wird das auch ein Thema sein, mit dem Sie sich in Zukunft mehr beschäftigen? Weil Sie stellen ja jetzt eben dieses neue Ministerium für Verkehr unter anderem, aber auch digitale Infrastruktur, wo besonders die Staatssekretärin Dorothee Bär zuständig sein wird. Werden Sie sich in der Landesgruppe da mehr auseinandersetzen noch?
    Hasselfeldt: Nicht zuletzt weil dieser Bereich des Breitbandausbaus und auch der zusammenhängenden Fragen über Datenschutz einen breiteren Raum in unserer Gesellschaft einnehmen, ist auch dieser zusätzliche Schwerpunkt im Verkehrsministerium geschaffen worden. Es geht zunächst einmal darum, eine Infrastruktur aufzubauen für die Versorgung mit schnellem Internet, wofür dann der Verkehrsminister zuständig sein wird. Und zum Zweiten aber auch, um die noch intensivere Befassung der Problematik Datenschutz im Internet. Deshalb auch die Überlegung im Deutschen Bundestag, einen zusätzlichen Ausschuss, einen zusätzlichen Internet-Ausschuss einzurichten, der sich mit all diesen Fragen noch intensiver beschäftigt als das bisher der Fall war. Und das gilt natürlich dann auch für uns in der Landesgruppe.
    Hamberger: Können wir denn damit rechnen, dass dieser Ausschuss sicher kommt?
    Hasselfeldt: Ich gehe davon aus, dass er kommt, ja.
    Hamberger: Wie viel Eigenständigkeit muss Deutschland denn beim Thema digitale Infrastruktur überhaupt erreichen? Das ist ja auch schon mal angedeutet worden im Zusammenhang mit der NSA-Affäre, dass man sagt: Wir haben einfach zu wenig Kompetenz.
    Der Ausbau der Breitbandversorgung auf dem Land läuft nur schleppend.
    Der Ausbau der Breitbandversorgung auf dem Land läuft nur schleppend. (picture alliance / dpa - Michael Reichel)
    Hasselfeldt: Ich glaube, dass wir schon alle Kraft darauf setzen sollten, in Europa eine eigene Kompetenz, auch technische Kompetenz so aufzubauen, dass wir von den Vereinigten Staaten von Amerika beispielsweise nicht abhängig sind.
    Hamberger: Und wie kann dann ein solcher Ausbau einhergehen mit dem Ausbau der Sicherheit?
    Hasselfeldt: Nun, zunächst geht es ja um die technischen, um Voraussetzungen zu schaffen, dass alle – auch in den ländlichen Regionen – in den Genuss des schnellen Internets kommen. Das ist das Eine. Das Zweite ist, die technischen Kapazitäten so auszubauen, dass E-Mails beispielsweise, wenn sie innerhalb Deutschlands oder Europas verschickt werden, nicht den umständlichen Weg über die ganze Welt gehen müssen, um damit auch dann zu gewährleisten, dass sich die Datensicherheit mehr an dem orientieren kann, was in unserer Region auch von der Bevölkerung gewünscht wird. Das heißt, diese Balance zwischen Sicherheit und Freiheit muss immer auch darauf gerichtet sein, wie die Menschen vor Ort dazu stehen. Darüber brauchen wir eine intensive Diskussion übrigens auch. Auch eben über das Verhalten der Einzelnen, was alles ins Netz gesetzt wird.
    Hamberger: Hat das Thema – vor allem eben dieses Gleichgewicht von Freiheit und Sicherheit – Sie eigentlich vor der NSA-Affäre auch schon so sehr beschäftigt oder sagen Sie: Eigentlich denken wir jetzt erst richtig darüber nach?
    Hasselfeldt: Ich glaube, dass die Sensibilität, sowohl der Politik als auch der Bevölkerung, in diesen Fragen durch diese Abhöraktionen der NSA noch geschärft wurde.
    Hamberger: Sie haben – um noch mal zurückzukommen auf den Ausbau der digitalen Infrastruktur – vorher auch die Kommunen angesprochen. Wie sehr denken Sie denn, wenn Sie das Thema ansprechen, auch an den bevorstehenden Kommunalwahlkampf, der ja Sie als Landesgruppe jetzt erst mal nicht betrifft, aber trotzdem stehen in Bayern Kommunalwahlen an? Alles, was die CSU macht, wird wohl in der Bevölkerung auch wahrgenommen?
    Ausbau der digitalen Infrastruktur
    Hasselfeldt: Für uns in der CSU ist die enge Verbindung mit den Gemeinden und Städten und Landkreisen immer schon selbstverständlich gewesen. Wir haben eine große kommunalpolitische Familie. Und die Abgeordneten, sowohl im Bayerischen Landtag als auch im Deutschen Bundestag aus den Reihen der CSU, kommen häufig aus der Kommunalpolitik, sind sogar teilweise immer noch verwurzelt als Kreisräte, Gemeine- und Stadträte. Und diese enge Bindung trägt schon immer dazu bei, dass im Deutschen Bundestag vonseiten der CSU-Landesgruppe ein großes Verständnis für die Situation der Kommunen vorhanden war und ist.
    Hamberger: Wie positiv oder negativ gestimmt sehen Sie denn auf die Kommunalwahlen am 16. März in Bayern? Es ist ja für die CSU nicht so leicht wie bei der Bundestagswahl. Es gibt eine größere Konkurrenz auf Kommunalebene. Es sind oft mehr noch Personenwahlen als bei der Bundestagswahl, was oft in Landkreisen zu solchen Konstellationen führt, dass man vielleicht einen CSU-Bundestagsabgeordneten hat, aber dafür dann einen SPD-Bürgermeister, einen Landrat von den Freien Wählern. Das heißt, Sie sind da einer größeren Konkurrenz ausgesetzt?
    Hasselfeldt: Es ist richtig, dass die Kommunalwahl eigene Gesetze hat, dass die Persönlichkeiten dort noch eine stärkere Rolle spielen als die Partei selbst. Aber es ist auch richtig, dass es eine enge Verzahnung zwischen kommunaler Ebene und landes- und bundespolitischer Ebene gibt. Und diese enge Verzahnung kommt nicht nur persönlich zum Ausdruck, sondern sie kommt auch zum Beispiel zum Ausdruck dabei, welche Maßnahmen Bund und Länder für die Kommunen bereitstellen. Und deshalb haben wir beispielsweise großen Wert darauf gelegt, dass die Kommunen finanziell entlastet werden in der letzten Legislaturperiode dadurch, dass der Bund mittlerweile die Leistungen, die Ausgaben für die Grundsicherung übernimmt. Und deshalb wollen wir auch das Bundesleistungsgesetz für die Menschen mit Behinderungen in dieser Legislaturperiode umsetzen, um eine weitere Entlastung für die Kommunen zu erreichen, damit sie ihre eigenen Aufgaben, wie beispielsweise Kinderbetreuung und Ähnliches noch besser als bisher wahrnehmen können.
    Hamberger: Frau Hasselfeldt, ich danke Ihnen für das Gespräch.
    Hasselfeldt: Bitte sehr.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.