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Mit Politpromis in den Europawahlkampf

Manfred Weber hat gute Chancen, nach der Europawahl am 25. Mai Fraktionschef der Europäischen Volkspartei EVP zu werden - also dem Zusammenschluss aller christlich-konservativen Parteien im EU-Parlament. Weber wäre dann einer der mächtigsten Politiker Europas. Nur: Es kennt ihn kaum jemand außerhalb von Niederbayern.

Von Michael Watzke | 15.05.2014
    Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende, Horst Seehofer, gibt am 26.04.2014 im Kloster Andechs (Bayern) vor der CSU-Vorstandsklausur Interviews.
    Horst Seehofer lächelt als Politpromi im Europawahlkampf von den Plakaten für die CSU. (dpa/Marc Müller)
    Wer hätte das gedacht? Dass Horst Seehofer einmal sagen würde:
    "Bayern braucht Europa!"
    Oder dass der CSU-Chef von sich behauptet, er sei
    "... ein leidenschaftlicher Europäer."
    Zitate aus dem neuen Europawahl-Werbespot der CSU. Einer Partei, die noch beim Politischen Aschermittwoch über die Europäische Union gelästert hat:
    "Wenn wir die ganzen Kaziken in Brüssel sehen, dann sind da die nackten, dummen Kaiser zusammen, die nicht sehen, in welches Unglück sie die Leute stürzen!"
    Das war vor zwei Monaten. Und nun also leidenschaftliches Europäertum? Untermalt von klassischer Musik? Da muss sogar Manfred Weber schmunzeln. Der CSU-Europa-Abgeordnete weiß, dass die Ukraine-Krise auch an seiner Partei nicht spurlos vorbeigegangen ist. Weber ist mit dem Werbespot seines Parteichefs zufrieden.
    "Vielleicht ist der Blick von außen immer etwas überraschend. Wir als CSU in Bayern sind eine klar europäische Kraft. Die Kritik, die geäußert wird, ist nicht anti-europäisch. Sondern das ist Sachkritik. Dass wir ein besseres Europa wollen. Genauso, wie wir in Deutschland Dinge kritisieren, kritisieren wir auch Europa."
    Tatsächlich? Hätte Peter Gauweiler in Passau auch die deutsche Kanzlerin als "nackte dumme Kaiserin von Berlin" geschmäht? Manfred Weber verzieht das Gesicht, wie er es immer tut, wenn man ihn auf Gauweiler anspricht.
    "Also wenn wir uns immer einig wären, dann bräuchten wir keine Diskussionen mehr. Eine lebendige Volkspartei lebt davon, dass man miteinander diskutiert. Trotz mancher öffentlicher Äußerungen von einzelnen Kollegen in der Partei."
    Das persönliche Verhältnis zwischen "Euro-Manfred" und dem "schwarzen Peter" ist so frostig wie ein Eiszapfen in einer ukrainischen Winternacht. Aber auch die Betriebs-Temperatur zwischen Horst Seehofer und Manfred Weber liegt im Null-Grad-Bereich. Der Niederbayer, einer der mächtigsten konservativen Europa-Politiker, galt mal als Nachwuchs-Hoffnung der Christsozialen. Doch Seehofer hat ihn innerparteilich kalt gestellt. "Der Weber ist zu träge, der muss mehr Wahlkampf machen", heißt es aus Seehofers Umfeld. Weber dagegen kritisiert, die CSU verstecke ihre Europa-Politiker. Sie verheimliche, wie viel Macht längst von Brüssel ausgehe. Auch von EU-Parlamentariern aus Bayern.
    "Ich würde sagen, dass wir bei der Europawahl nicht diskutieren sollten: "Ja oder Nein, Europa?" Auch am 26.Mai wird es ein Europa-Parlament geben. Wird es eine Kommission geben. Wird es einen Rat geben. Es wird weiter in Europa gearbeitet. Deshalb steht nicht die Frage im Raum: "Gefällt mir Europa oder nicht?" Sondern es geht um die Frage des Weges. In welche Richtung geht Europa?"
    Manfred Weber hat gute Chancen, nach der Europawahl am 25. Mai Fraktionschef der Europäischen Volkspartei EVP zu werden – also dem Zusammenschluss aller christlich-konservativen Parteien im EU-Parlament. Weber wäre dann einer der mächtigsten Politiker Europas. Nur: kennen tut ihn außerhalb Niederbayerns kaum jemand. Oder weiß jemand, wer Albert Deß ist? Einer der einflussreichsten Agrar-Politiker im Europäischen Parlament.
    "Wir verwalten pro Jahr das Zehnfache des deutschen Agrar-Budgets. Wir nehmen Spitzen-Positionen in Brüssel ein. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass ein Landwirt aus der Oberpfalz, aus einem kleinen Dorf mit 200 Einwohnern, hier agrarpolitischer Sprecher der größten Fraktion mit Mitgliedern aus 27 Ländern ist."
    Albert Deß tingelt im Europa-Wahlkampf seit Wochen durch die Oberpfalz. Mit einem VW-Bus, auf dessen Seitenscheibe sein Konterfei abgebildet ist. So gut wie niemand erkennt ihn. "Wer san jetzt Sie?" ist der häufigste Satz, den er hört. Die CSU könne schon noch mehr tun, um der bayerischen Bevölkerung ihr Brüsseler Personal vorzustellen, klagt Deß. Aber die Parteizentrale plakatiert vor allem Horst Seehofer - mit einem alten Franz-Josef-Strauß-Zitat:
    "Europa ist unsere Zukunft, Deutschland unser Vaterland und Bayern unsere Heimat. Dies ist ein politisches Vermächtnis."
    Ein Vermächtnis, das die CSU aus Sicht vieler Europapolitiker in den eigenen Reihen zu verspielen droht. Zwar liegt die Partei in den Umfragen in etwa beim Ergebnis der letzten Europawahl 2009. Damals hatte die CSU in Bayern 48 Prozent erzielt. Doch diesmal gibt es weder eine Fünf- noch eine Drei-Prozent-Hürde für kleine Parteien wie die euro-kritische "Alternative für Deutschland". Deshalb dürften der CSU selbst 50 Prozent nicht reichen, um Seehofers erklärtes Ziel umzusetzen: erneut alle acht Europa-Kandidaten der CSU ins EU-Parlament zu bringen. Manfred Weber allerdings darf schon mal fünf weitere Jahre in Brüssel planen.
    "Nach den Europawahlen sollten wir uns bemühen, Europa auch im gesetzgeberischen Alltag, in den Tagesthemen, die in Brüssel anstehen, stärker medial darzustellen. Stärker zu sagen, wofür Bayern steht. Wofür wir in Brüssel kämpfen. Um den Alltag besser zu spiegeln."
    Das würde auch helfen, das Legitimationsdefizit in der EU-Politik zu verringern, vor dem viele Politikwissenschaftler so eindringlich warnen.