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CSU-Politiker Huber lehnt mehr Europa entschieden ab

"Wir haben keinen Konstruktionsfehler in der europäischen Währung, wir haben auch keinen Konstruktionsfehler in den europäischen Verträgen," sagt Erwin Huber (CSU). Man bräuche mehr Disziplin bei den Mitgliedsländern - nicht eine Übertragung von Zuständigkeiten.

Erwin Huber im Gespräch mit Gerd Breker | 08.09.2011
    Gerd Breker: Der Parlamentsgeschäftsführer Peter Altmaier hat sich für eine Änderung der europäischen Verträge ausgesprochen. Er glaube, dass angesichts dieser Krise nun der nächste große Schritt in der europäischen Integration gegangen werden muss. Das erzählte er heute der Mitteldeutschen Zeitung. Und am Telefon sind wir nun verbunden mit dem Vorsitzenden des Wirtschaftsausschusses im bayerischen Landtag, mit Erwin Huber. Guten Tag, Herr Huber.

    Erwin Huber: Grüß Gott nach Deutschland.

    Breker: Können Sie da locker mitgehen und leichten Herzens mehr europäische Integration mittragen, wenn das bedeutet, dass Befugnisse, deutsche Befugnisse auf das Europäische Parlament übertragen werden?

    Huber: Da sage ich und da sagt die CSU ein entschiedenes Nein. Das ist auch die falsche Antwort, denn wir haben keinen Konstruktionsfehler in der europäischen Währung, wir haben auch keinen Konstruktionsfehler in den europäischen Verträgen, sondern wir haben die Tatsache, dass sich Griechenland und möglicherweise auch andere Länder nicht an klare Regelungen gehalten haben. Und da hat man auch über viele Jahre hinweg darüber hinweggesehen. Was wir also brauchen, ist mehr Disziplin bei allen Ländern, aber nicht eine Übertragung von Zuständigkeiten auf europäische Institutionen. Lehnt die CSU entschieden ab und damit klar: keine Vertragsänderung, keine Vereinigten Staaten von Europa, keine Wirtschaftsregierung, keinen europäischen Finanzminister. Man sollte die Regeln jetzt einhalten, aber nicht ständig neue Regeln schaffen.

    Breker: Die Frage ist nur, Herr Huber: Wie kann man denn erzwingen, dass die Regeln eingehalten werden?

    Huber: Das ist natürlich in der Vergangenheit schon ein Konstruktionsfehler gewesen, dass man die Griechen aufgenommen hat. Aber insgesamt hat es ja seit dem Start des Euro etwa 90 Verletzungen des Stabilitätspakts gegeben, ohne dass es zu Sanktionen gekommen ist. Wichtig ist also, dass eine Verletzung der Regeln sanktioniert wird. Das heißt also entweder, dass hier Geldstrafen ausgesprochen werden, oder dass Länder, die sich nicht an die gemeinsam vereinbarten Stabilitätsregeln halten, zum Beispiel ihr Stimmrecht verlieren. Es muss also weh tun, es muss wirksam werden.
    Ich sehe aber auch einen Fortschritt darin, dass immer mehr Länder nach dem Beispiel Deutschlands die Schuldenbremse einbauen. Das spanische Parlament hat ja mit großer Mehrheit in großer Eile jetzt diese Schuldenbremse eingezogen. Auch Italien arbeitet daran. Das halte ich für sinnvoll, wenn die einzelnen Staaten verbindlich in ihren Verfassungen sich dann solche Regeln geben und sich daran halten, wenn es europäisch sanktioniert wird. Aber da muss man nicht immer neue Institutionen schaffen, da muss man nicht neue Zuständigkeiten übertragen. Wenn man die bisherigen Regeln nicht einhalten konnte, bringen neue auch nichts, und deshalb muss man auch sehen, dazu gibt es ja auch keine Akzeptanz bei der Bevölkerung.

    Breker: Nun haben wir heute gehört und können es in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung nachlesen, dass es offenbar einen Kompromiss gibt in Sachen Stabilität, der so aussieht, dass es keinen Automatismus von Sanktionen gibt, wenn Schuldnerländer den Stabilitätspakt verletzen, sondern dass eine einfache Mehrheit dann ausreicht, dass es weiterhin so ist, dass politisch entschieden wird, ob es Sanktionen gibt oder nicht. Findet die CSU das gut?

    Huber: Also sehr viel besser wäre es, einen Automatismus einzuführen, denn wenn es politische Einflüsse gibt – das hat auch die Vergangenheit gezeigt -, dann gibt es immer wieder Nachgiebigkeit und dann sanktioniert man es eben nicht und dann wird gegenseitig möglicherweise Rücksicht genommen. Das heißt also, sehr viel besser wäre einmal ein Automatismus, und zweitens muss man dann natürlich auch eine Institution haben, die solche Sanktionen vollzieht, denn das nur festzustellen, macht ja keinen Sinn. Die Kanzlerin hat ja da mal vorgeschlagen den Europäischen Gerichtshof; man sich könnte vielleicht auch andere vorstellen. Aber die bisherigen Regelungen haben nicht gereicht. Das heißt also, Automatismus und eine strenge Institution, die anerkannt ist und die unabhängig von politischen Einflüssen im Sinne der Stabilität handelt, das wäre das Notwendige.

    Breker: Ein weiterer Punkt in diesem angeblichen Kompromisspapier lautet, dass Deutschland sanktioniert werden soll, weil unser Handelsüberschuss, den wir mit anderen europäischen Staaten haben, zu hoch ist. Finden Sie als Ordnungspolitiker das in Ordnung?

    Huber: Also das, um es einmal etwas deutlicher zu sagen, finde ich sogar hirnrissig, denn einmal ist es ordnungspolitisch falsch, eine Wirtschaft mehr oder weniger vom Staat und von der Politik her zu bremsen, und zweitens ist es wirtschaftspolitisch falsch, denn gerade unser Wachstum stärkt ganz Europa. Unser Wachstum bringt Arbeitsplätze. Da müssen sich eben die anderen Länder auch mehr anstrengen, um also wettbewerbsfähig zu sein, statt die guten zu bremsen. Also das ist sowohl marktwirtschaftlich, wie europäisch falsch, den guten eine Sanktion aufzuerlegen, mehr oder weniger eine Bremse anzulegen. Das zieht ganz Europa nach unten. Also das ist aus meiner Sicht politisch und wirtschaftlich indiskutabel!

    Breker: Die Meinung von Erwin Huber war das im Deutschlandfunk. Er ist der Vorsitzende des Wirtschaftsausschusses im bayerischen Landtag. Herr Huber, ich danke Ihnen sehr für dieses Gespräch.

    Huber: Danke!

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