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CSU-Politiker zum Koalitionsstreit
"Man hat eigentlich nicht Maaßen gemeint, sondern Seehofer"

Die SPD habe im Fall Maaßen versucht, einen sachkundigen Beamten mit dem Mittel der politischen Erpressung aus dem Dienst zu kippen, sagte der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach im Dlf. Es sei gut, dass der Versuch, auch Innenminister Horst Seehofer zu beschädigen, gescheitert sei.

Hans Michelbach im Gespräch mit Christoph Heinemann | 24.09.2018
    Der CSU-Politiker Hans Michelbach
    Der CSU-Politiker Hans Michelbach (imago stock&people)
    Christoph Heinemann: Selbst der linke Flügel der SPD sendet Signale der Entspannung. Matthias Miersch und Hilde Mattheis haben die Lösung im Streit um den bisherigen Verfassungschef Hans-Georg Maaßen als "akzeptable Entscheidung" bezeichnet. Angela Merkel, Andrea Nahles und Horst Seehofer haben sich gestern darauf geeinigt, dass Maaßen im Bundesinnenministerium Sonderberater im Rang eines Abteilungsleiters werden soll. Das heißt, er verdient genauso viel wie im Bundesamt für Verfassungsschutz. Alle Seiten betonen nun, die Regierung müsse sich ab sofort um die Lösung der wichtigen Probleme kümmern.
    Am Telefon ist der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach, Wahlkreis Coburg. Guten Tag!
    "Niemand kann einen Dauerzwist gut finden"
    Hans Michelbach: Guten Tag!
    Heinemann: Herr Michelbach, alles soll jetzt gut werden. Aber für wie lang?
    Michelbach: Ich hoffe, für länger, denn niemand kann einen Dauerzwist gut finden. Und ich finde es gut, dass die gemeinsame Initiative für diese Korrektur jetzt stattgefunden hat. Die Welle der Empörungen muss beendet werden, denn nur wenn man verbal abrüstet, kann diese Koalition noch erfolgreich arbeiten. Wir haben ja eigentlich sehr viel zu tun und die Koalition muss Lösungen erarbeiten und sie umsetzen. Darauf kommt es jetzt an.
    Heinemann: Kann eine Koalition mit einem Minister Horst Seehofer vernünftig arbeiten?
    Michelbach: Selbstverständlich. Er hat als Bundesinnenminister eine klare Aufgabenstellung. Die ist nicht einfach, für die innere Sicherheit zu sorgen, natürlich auch für die Asylgesetzgebung, dass die rechtmäßig umgesetzt wird. Und es gibt natürlich eine inhaltliche Übereinstimmung mit Seehofers Positionen in der Union. Es ist klar, dass die SPD versucht hat, einen sachkundigen Beamten mit dem Mittel der politischen Erpressung aus dem Dienst zu kippen, aber man hat eigentlich gar nicht Maaßen gemeint, sondern man meint Seehofer, und deswegen kann man diese Sache nicht gutheißen. Ich bin sehr froh, dass dieser Versuch, jetzt über Herrn Maaßen Herrn Seehofer zu beschädigen, gescheitert ist.
    "Wichtig, dass die Zuwanderung, die Migrationspolitik neu geregelt wird"
    Heinemann: Herr Michelbach, wenn wir uns die letzten Monate mal anschauen: Krach um die Zurückweisung von Migranten an der Grenze. Dann kam die Mutter aller politischen Probleme um die Ecke. Jetzt Maaßen. Wieso sollte es besser werden?
    Michelbach: Ich will die ganze Genese des Asylstreits hier nicht noch mal aufleben lassen. Aber so viel am Ende hat das zur Bewegung geführt, auch auf europäischer Ebene, und diesen Impuls muss man weiter nutzen. Das darf nicht erlahmen. Wie schwierig das alles ist, konnten wir jetzt beim EU-Gipfel in Salzburg ja erleben, wo man letzten Endes die europäische Lösung jetzt als richtig empfindet, aber natürlich noch nicht den Weg der Umsetzung gefunden hat. Deswegen ist es ganz wichtig, dass die Zuwanderung, die Migrationspolitik neu geregelt wird, damit mehr Akzeptanz in der Bevölkerung entsteht und die Spaltung der Gesellschaft beendet wird. Das ist ja eigentlich die Aufgabe – eine schwierige Aufgabe -, und wenn man natürlich politisch auf der ganz linken Seite steht, ist man da natürlich sehr schnell im Fadenkreuz der Kritik.
    Heinemann: Ist die Frage, ob der Bundesinnenminister daran arbeitet, die Spaltung zu überwinden. Es gibt ja die Vermutung, Horst Seehofer arbeite daran, dass Angela Merkels Kanzlerschaft scheitert. Wird Seehofers Handeln vor diesem Hintergrund verständlicher?
    Michelbach: Nein. Horst Seehofer ist mit sich im Reinen. Er hat nichts zu verlieren. Er ist natürlich von der Aufgabe Bundesinnenminister klar überzeugt, dass es hier eine neue Aufstellung braucht, dass es hier eine neue Position benötigt und dass auch die notwendigen Abschiebungen, die nach den Asylgesetzen vorgesehen sind, auch stattfinden und wir dieses Nichthandeln beenden müssen, wenn wir Zustimmung in der Bevölkerung bekommen wollen. Ich denke, dass wir natürlich Seehofer in dieser Führungsverantwortung sehen, sehen müssen, und das ist eine schwierige Verantwortung, eine schwierige Aufgabe, die er da übernommen hat.
    "Wir müssen starken europäischen Grenzschutz haben"
    Heinemann: Sie sprachen, Herr Michelbach, von der Führungsverantwortung und davon, dass er nichts zu verlieren habe. Sind seine, sind Seehofers Tage in dieser Bundesregierung gezählt, wenn die CSU bei der Landtagswahl in Bayern abstürzen sollte?
    Michelbach: Nein. Wir haben immer Korpsgeist bewiesen. Wir haben ja einen Spitzenkandidaten, der heißt Markus Söder. Wir haben dort gute Arbeit. Und man muss ja sehen: Hier in Berlin hat sich Herr Lindner und seine FDP vom Acker gemacht. Jetzt wollen sie in München am gut gedeckten Frühstückstisch platznehmen. Ich denke, dass wir noch nicht aller Tage Abend haben. Wir haben noch die Chancen, in München die Vier vorne dranstehen zu haben, und ich bin auch ganz zuversichtlich, dass wir dann auch die Bürger noch überzeugen können.
    Heinemann: Herr Michelbach, Sie haben die Migrationspolitik angesprochen. Der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat jetzt in einem Zeitungsinterview gesagt, man solle nicht allzu stark die Hoffnung schüren, dass die Großzahl der Migrantinnen und Migranten zurückgeführt werden könne. Eher sollte man alle Kraft dafür aufbringen, sie in unsere Gesellschaft zu integrieren. Geben Sie ihm recht?
    Michelbach: Was Herr Schäuble hinsichtlich der Abschiebungen sagt, kann ja jeder an den Zahlen ablesen. Dieser Vorgang ist hoch problematisch. Wir müssen jenen Menschen Schutz bieten, die tatsächlich verfolgt sind, und jene, die nicht anerkannt werden, müssen das Land auch wieder verlassen. Ich bin ja Vorsitzender der Mittelstandsunion, und wenn es um Integration geht, dann sage ich Ihnen, gerade der Mittelstand tut eine ganze Menge, um Menschen, die ein Bleiberecht haben, auszubilden und in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Das gilt gerade auch für uns in Bayern. Die Schlussfolgerung, die man aus den Sätzen des Bundestagspräsidenten ziehen muss, lautet meines Erachtens, wir müssen starken europäischen Grenzschutz haben, am Mittelmeer neu aufbauen, wir brauchen ein gemeinsames europäisches Asylrecht, und wer keinen Schutzgrund glaubhaft machen kann, muss auch wieder nachhause zurückgeschickt werden, weil wir nicht alle aufnehmen können. Ich glaube, dann gibt das auch Sinn. Die Arbeit, die hier der Bundesinnenminister zu leisten hat, ist schwierig, aber der einzig richtige Weg, und es ist kein Anlass, dass die Linken ihn versuchen, weidwund zu schießen.
    "Wir müssen die Probleme der Menschen angehen"
    Heinemann: Aber Schäuble sagt ja gerade, die Rückführung wird nicht klappen, das ist eine Schimäre.
    Michelbach: Schäuble sagt, dass zu wenige Abschiebungen stattfinden, er die Abschiebungen von den Zahlen her nicht erweitert sieht. Ich denke, dass die Akzeptanz nicht stattfindet, wenn wir einen Spurwechsel oder Ähnliches bekommen, das heißt, dass das Signal in die Welt hinausgeht, man muss nur nach Deutschland die Grenze überschreiten und dann kann man ungeprüft hier bleiben. Das kann so nicht stattfinden, wird auch in weiten Teilen der Bevölkerung nicht akzeptiert.
    Heinemann: Nimmt Schäuble Seehofer damit nicht auch den Wind aus den Segeln? Seehofer versucht ja, endlich Ordnung in die unterschiedlichen Migrationsverfahren zu bekommen, mit Rückführungsabkommen und so weiter.
    Michelbach: Selbstverständlich! Ich glaube, dass hier die Gesetzgebung vom Bundesinnenminister angewandt wird und dass er ja nicht gegen die Gesetze, sondern mit den Gesetzen arbeitet, und das ist eigentlich Konsens – es sei denn, man möchte eine völlig andere Politik, eine völlig andere Zuwanderungspolitik, und möchte das Signal geben, dass wir alle Leute, die zu uns wollen, einfach ungeprüft aufnehmen. Das ist die Situation.
    Heinemann: Kann man so gesehen sagen, Wolfgang Schäubles Äußerung war nicht gerade hilfreich?
    Michelbach: Dass dies in diesem Moment stattfindet, kann ich natürlich so als nicht unproblematisch ansehen. Aber wir müssen natürlich sehen, dass vieles im Moment diskutiert wird. Wir müssen klare Lösungsansätze haben, Schluss mit einem Streit. Wir müssen die Probleme der Menschen angehen. Und wir haben ja auch gearbeitet. Es ist ja nicht so, dass die Koalition nicht arbeitet. Und wir haben Herausforderungen: Digitalisierung, Bildung, Wohnungsbau, Dieselautos, Integration, Brexit. Ich sehe nicht, dass wir es uns kurzfristig in Deutschland leisten können, dass diese Koalition durch irgendwas Neues ersetzt wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.