Donnerstag, 18. April 2024

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CSU-Sondierer Kreuzer
"Die FDP hätte ein Stück springen müssen"

Die FDP habe mit ihrer Absage an eine Jamaika-Koalition für sich konsequent gehandelt, aber nicht gut für den Staat, sagte der CSU-Politiker Thomas Kreuzer im Dlf. Sie müsse sich nun gut überlegen, was sie wolle. Eine Minderheitsregierung mit den Grünen werde die CSU nicht eingehen.

Thomas Kreuzer im Gespräch mit Christine Heuer | 20.11.2017
    Der Vorsitzende der bayerischen CSU-Landtagsfraktion, Thomas Kreuzer
    Thomas Kreuzer, CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag Thomas Kreuzer und bis dato Unterhändler seiner Partei in den nun geplatzten Sondierungsgesprächen für eine Jamaika-Regierungskoalition (picture alliance / Alexander Heinl/dpa)
    "Ich glaube, dass die FDP aus ihrer Sicht konsequent gehandelt hat, aber aus Sicht des Staates ist es nicht gut", sagte der CSU-Fraktionschef im bayerischen Landtag, Thomas Kreuzer, im Dlf. "Ich halte dies nicht für besonders verantwortbar, denn Deutschland muss regiert werden. Und das ist natürlich jetzt schwierig", sagte der Teilnehmer der Sondierungsgespräche mit Blick auf die Absage der FDP an eine mögliche schwarz-gelb-grüne Regierungskoalition im Bund.
    Eigentlich hätten die Verhandlungsparteien sich gestern am Ende der Sondierungsgespräche angenähert, sagte Kreuzer. "Ich persönlich glaube, dass die FDP hätte eben auch ein Stück springen müssen, und ich glaube auch, dass man sich hätte einigen können." Nach Kreuzers Meinung stand die Absage der FDP am gestrigen Sonntag recht früh fest und sei geplant gewesen.
    Ohne die SPD werde es zu Neuwahlen kommen
    Kreuzer geht davon aus, dass Bundespräsident Steinmeier nun dennoch der Spitzenkandidatin der stärksten Fraktion, Angela Merkel (CDU), den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen werde. "Und dann werden wir sehen. Es gibt ja auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Dies ist natürlich nicht schön, vor allem für die Handlungsfähigkeit Deutschlands auch in Europa."
    Sollte die SPD weiter nicht für eine Regierungsbildung zur Verfügung stellen, rechne er mit Neuwahlen, sagte Kreuzer. In diesem Fall habe die CSU nichts zu befürchten: "Ich glaube, dass die CSU hier aus Neuwahlen gestärkt herausgehen wird." Einer Minderheitsregierung mit den Grünen erteilte Kreuzer eine Absage.

    Das Interview im Wortlaut
    Christine Heuer: Selten sah man in den letzten Monaten Angela Merkel und Horst Seehofer so friedlich beisammen, man möchte fast sagen zusammen stehen, wie heute Nacht nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen. Die CDU-Vorsitzende versprach, Verantwortung ausüben zu wollen in der schwierigen politischen Situation – ein friedliches Bild mit Dank von Horst Seehofer wie gehört. Aber auf Horst Seehofer und Angela Merkel und auch auf ihre Parteien dürften stürmische Zeiten zukommen.
    Thomas Kreuzer ist der Fraktionsvorsitzende der CSU im bayerischen Landtag und er hat mitsondiert in Berlin. Guten Morgen, Herr Kreuzer.
    Thomas Kreuzer: Guten Morgen.
    Heuer: Wie haben Sie das heute Nacht erlebt?
    Kreuzer: Es war ein plötzliches Ende. Ich glaube, dass insgesamt der Tag so geworden ist, dass man sich nähergekommen ist, und dann ist es doch nicht gelungen und man muss dies akzeptieren und in die Zukunft blicken. Ich glaube, dass die FDP aus ihrer Sicht konsequent gehandelt hat, aber aus Sicht des Staates ist das nicht gut.
    Heuer: Es gibt ja Vorwürfe an die FDP, das sei kühl durchkalkuliert gewesen. Teilen Sie diesen Vorwurf?
    Kreuzer: Ich glaube, dass sich die FDP relativ früh am gestrigen Tag entschlossen hat, diese Koalition nicht zu machen, und somit glaube ich, dass sie dies geplant hat – ja.
    "Ich halte dies nicht für besonders verantwortbar"
    Heuer: Geplant vielleicht mit dem Ziel, gut dazustehen bei Neuwahlen.
    Kreuzer: Mit Sicherheit. Ich glaube, dass die FDP natürlich kalkuliert, was ist in ihrem Interesse, und sie in diese Regierung nicht gehen wollte, da sie ihre Überzeugungen nicht in entsprechendem Maße durchsetzen konnte. Ich halte dies nicht für besonders verantwortbar, denn Deutschland muss regiert werden, und das ist natürlich jetzt schwierig.
    Heuer: Aber Sie klingen relativ sanft, wenn Sie jetzt über die FDP sprechen. Da klingen die Grünen viel böser.
    Kreuzer: Man sollte sich gegenseitig nicht zu viele Vorwürfe machen. Ich halte das nicht für angemessen. Aber ich persönlich glaube, dass die FDP hätte auch ein Stück springen müssen, und ich glaube auch, dass man sich hätte einigen können gestern.
    Heuer: Dann schauen wir nach vorne, Herr Kreuzer, wie Sie es gerne machen wollen. Was kommt denn jetzt? Kommen jetzt Neuwahlen?
    Kreuzer: Es kommt der normale Gang des Grundgesetzes. Es wird jemand zum Regierungsauftrag beauftragt vom Bundespräsidenten und dann kommen die entsprechenden Wahlgänge. Ich gehe davon aus, dass Frau Merkel beauftragt wird, dies zu tun, und dann werden wir sehen. Es gibt ja auch die Möglichkeit einer Minderheitsregierung. Dies ist natürlich nicht schön, vor allem für die Handlungsfähigkeit Deutschlands auch in Europa. Und ich sehe es so, wenn die SPD sich weiterhin jeder Verantwortung verweigert – und dies tut sie ja; das ist ja die Ursache dieses ganzen Problems hier, dass eine Partei sich zurückzieht und keine Verantwortung für den Staat übernimmt –, dass es dann zu Neuwahlen kommen wird.
    "Minderheitsregierung mit Grünen wird es nicht geben"
    Heuer: Herr Kreuzer, wenn es zu Neuwahlen kommt, sollte die Union dann wieder mit Angela Merkel antreten?
    Kreuzer: Dies ist eine Entscheidung der CDU.
    Heuer: Sie sind ja trotzdem eine Union.
    Kreuzer: Aber die CDU bestimmt natürlich, wen sie als Spitzenkandidaten hat. Angela Merkel hat dies jetzt hier hervorragend gemacht. Und ich gehe davon aus, dass die CDU sich entsprechend entscheiden wird, wieder Angela Merkel als Kanzlerkandidatin aufzubieten.
    Heuer: Gehen Sie denn überhaupt von Neuwahlen aus, oder wären Sie für eine Minderheitsregierung mit den Grünen? Was wäre Ihnen lieber?
    Kreuzer: Eine Minderheitsregierung mit den Grünen wird es mit Sicherheit nicht geben, sondern es wird eine Minderheitsregierung im bürgerlichen Lager geben, wenn überhaupt.
    Heuer: Die FDP sagt, sie steht dazu nicht zur Verfügung. Das haben wir gerade vor ein paar Minuten hier im Deutschlandfunk von Volker Wissing gehört. Die FDP steht nicht zur Verfügung, Herr Kreuzer.
    Kreuzer: Für eine Minderheitsregierung.
    Heuer: Ja, so habe ich ihn verstanden. Können Sie sich das mit den Grünen vorstellen?
    Kreuzer: Man muss nun ganz klar sehen, dass natürlich die Probleme insgesamt in dieser Koalitionsbildung zwischen dem bürgerlichen Lager und den Grünen gewesen sind und nicht zwischen der CDU/CSU und der FDP.
    "FDP muss sich insgesamt überlegen, was sie will"
    Heuer: Sie würden jetzt um die FDP noch mal werben wollen?
    Kreuzer: Ich würde hier überhaupt um niemanden werben, sondern die FDP muss sich insgesamt überlegen, was sie will. Wenn sie sofort in eine Neuwahl gehen will, dann wird die CDU/CSU natürlich auch diesen Weg gehen, und ich glaube, dass wir von der CSU insgesamt auf jeden Fall nichts zu befürchten haben. Wir haben uns bemüht, diese Regierung zu bilden. Es ist nicht möglich gewesen und dann muss eben jeder, der FDP wählt, wissen, dass dies dann auch keine Zukunft insgesamt hat, wenn er eine bürgerliche Regierung haben will.
    Heuer: Die CSU droht gerade, sehr viel zu verlieren, nämlich ihren Ministerpräsidenten in Bayern und Parteivorsitzenden Horst Seehofer. Sind seine politischen Tage nicht gezählt?
    Kreuzer: Die CSU hat Parteitag im Dezember. Horst Seehofer hat angekündigt, dass er ein Modell vorlegen wird, wie es weitergeht im Jahre 2018. Ich glaube, dass die CSU hier gestärkt aus Neuwahlen hervorgehen wird und nicht schwächer abschneiden wird wie bisher.
    Heuer: Aber die Frage ist ja, mit wem die CSU künftig antritt. Ich habe gelernt, dass die Mehrheit der Fraktion, die Sie leiten, dafür ist, dass Horst Seehofer abtritt.
    Kreuzer: Horst Seehofer hat selber gesagt, dass er ein Zukunftsmodell vorstellen wird. Wir werden dies abwarten. Wir haben bisher abgewartet, wie diese Sondierungsgespräche ausgehen. Ich gehe davon aus, dass Horst Seehofer selbst ein Modell vorschlagen wird, mit dem die CSU gestärkt in die Zukunft gehen kann, und dies wollen wir abwarten. So haben wir dies vereinbart.
    Söder, Dobrindt, Seehofer: "hervorragende Politiker"
    Heuer: Wäre Markus Söder, Herr Kreuzer, ein guter Ministerpräsident Ihres Freistaates?
    Kreuzer: Markus Söder ist ein hervorragender Politiker. Ich kann mir vorstellen, dass er für jedes Amt zur Verfügung steht und für jedes Amt auch in Frage kommt, weil er es gut machen würde. Aber wie wir dies machen, werden wir jetzt in diesen Tagen besprechen und uns dann entsprechend vereinbaren.
    Heuer: Wäre Alexander Dobrindt ein guter CSU-Vorsitzender?
    Kreuzer: Alexander Dobrindt hat jetzt in diesen Besprechungen, in diesen Sondierungen ganz klar gezeigt, dass er Weitblick hat, dass er insgesamt das entsprechende Durchhaltevermögen hat. Ich glaube, dass er ein guter CSU-Vorsitzender wäre, auch im Hinblick darauf, dass dies in Berlin insgesamt schwierig ist im Moment.
    Heuer: Wäre das Tandem Söder-Dobrindt Erfolg versprechend für Bayern, Herr Kreuzer?
    Kreuzer: Ich halte beide für hervorragende Politiker, aber auch Horst Seehofer, und wir werden uns entsprechend aufstellen. Ich will dies nicht vorwegnehmen, sondern wir werden insgesamt als CSU geschlossen ein entsprechendes Modell vertreten, und das werden wir in den nächsten Tagen miteinander vereinbaren und dann auch miteinander vertreten.
    Heuer: Dann sind wir gespannt. – Thomas Kreuzer, Vorsitzender der CSU-Fraktion im bayerischen Landtag und christsozialer Sondierer gewesen bei den Jamaika-Verhandlungen in Berlin. Herr Kreuzer, danke fürs Gespräch.
    Kreuzer: Danke auch.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.