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Cum-ex-Geschäfte
Milliarden für einige wenige

Warum durften vermögende Aktienbesitzer mit komplexen Finanzmarktgeschäften Milliarden von Euros vom Finanzamt einfordern statt Steuern zu zahlen? Ein Skandal, findet die Opposition im Bundestag und will Antworten in einem Untersuchungsausschuss zutage fördern. Auch die Rolle der Bankenaufsicht und die der Landesbanken soll geklärt werden.

Von Theo Geers | 04.12.2015
    "Es ist so, dass die Tür des Finanzamtes zehn Jahre lang offen stand und Betrüger ein- und ausgehen konnten und unser Geld raustragen. Deswegen ist das in besonderer Weise empörend und deswegen muss das aufgearbeitet werden."
    Was Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen, hier beschreibt, war bis vor drei Jahren möglich. Erst 2012 wurde die Gesetzeslücke geschlossen, mit der vermögende Aktienbesitzer mit Cum-Ex-Geschäften, die rund um den Auszahltag einer Dividende getätigt wurden, Millionenbeträge in die eigene Tasche wirtschafteten. Zwölf Milliarden Euro sollen so über die Jahre dem Staat an Einnahmen entgangen sein. Dabei hätten gleich drei Finanzminister - Hans Eichel, Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble - Zeit gehabt, diesem Unwesen ein Ende zu bereiten.
    "Am Finanzmarkt ausgetrickst"
    Nun wollen die Grünen und die Linken mit einem Untersuchungsausschuss des Bundestages zum einen herausfinden, warum es zehn Jahre lang dauerte, Cum-Ex-Geschäfte zu unterbinden, doch das, so Gerhard Schick, ist nicht die einzige Frage:
    "Warum hat eigentlich die Bankenaufsicht, deren Aufgabe es ist, den Banken auf die Finger zu schauen, über so viele Jahre nicht mitgekriegt, was da läuft, und entsprechend reagiert? Und der dritte Fragenkomplex zielt darauf, warum auch öffentliche Banken, namentlich Landesbanken, an diesen Geschäften beteiligt waren, also sozusagen der Steuerzahler den Steuerzahler am Finanzmarkt ausgetrickst hat."
    Spitze des Eisbergs
    Für Gerhard Schick geht es aber nicht um Aufklärung des womöglich größten Steuerskandals in der Geschichte der Bundesrepublik. Für den Haushaltsexperten der Grünen sind die Cum-Ex-Geschäfte nur die Spitze eines Eisbergs von Gesetzen, die aus seiner Sicht alle wie eine Vermögenssteuer wirken – nur mit umgekehrten Vorzeichen:
    "Nicht die Vermögenden zahlen und tragen damit bei, dass es öffentliche Leistungen gibt für alle und damit auch für diejenigen, die weniger begütert sind, sondern die normalen Menschen in diesem Land zahlen Steuern und Vermögende können über Steuertricks am Finanzmarkt uns allen in die Tasche greifen."
    Streuertricks für Vermögende
    Solche Regeln, davon ist auch Hessens Finanzminister Thomas Schäfer (CDU) überzeugt, gibt es bis heute. Schäfer startete erst gestern eine neue Initiative, um reiche Steuertrickser noch an einer anderen Stelle zu packen. Ginge es nach ihm, sollen künftig auch Gewinne aus Unternehmensbeteiligungen unterhalb von weniger als zehn Prozent besteuert werden. Bisher sind sie steuerfrei.. Das soll vor allem Unternehmen aus der Start-up-Szene helfen, in der Wachstumsphase Risikokapitalgeber zu finden, in dem diese ihre Firmenbeteiligung von weniger als zehn Prozent im Falle einer Erfolgsstory steuerfrei wieder abstoßen können.
    Inzwischen nutzen aber auch besser situierte Unternehmen dieses Schlupfloch: Statt steuerpflichtige Dividenden auszuschütten, werden die Gewinne einbehalten und – steuerfrei – erst bei einem späteren Verkauf realisiert. Der Fiskus geht leer aus, die Steuerausfälle: fünf Milliarden Euro im Jahr. Geld, das der Staat nach Meinung Schäfers zum Schornstein herausjagt, statt es sinnvoller einzusetzen.
    "Denken Sie daran, dass die Abschreibungsgrenze für geringwertige Wirtschaftsgüter seit vielen Jahren unverändert bei über etwas 400 Euro liegt. Die könnte man verdoppeln mit einer Milliarde Ausfall im Jahr, wenn man diese andere Lücke schließen würde, also könnte man für sehr viele in der Wirtschaft sehr viel mehr tun als für einige wenige, der große Geldmengen anlegen."