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D-Mark-Einführung vor 70 Jahren
"Die D-Mark war eine weltweit geachtete Währung"

Auch 16 Jahre nach Einführung des Euro wird die D-Mark geschätzt: Rund 5,9 Milliarden D-Mark Banknoten seien noch immer im Umlauf, sagte Johannes Beermann, Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, im Dlf. Von ihrer Einführung vor 70 Jahren bis zur Abschaffung habe die Währung an Wert gewonnen und sei weltweit beliebt gewesen.

Johannes Beermann im Gespräch mit Klemens Kindermann | 21.06.2018
    D-Mark-Geldscheine und -Münzen
    Vor 70 Jahren wurde die D-Mark in den westlichen Besatzungszonen eingeführt. (picture alliance / dpa / Bernd Wüstneck)
    Klemens Kindermann: Heute vor 70 Jahren, am 21. Juni 1948 wurde die D-Mark in den westlichen Besatzungszonen eingeführt. Die D-Mark hat die Entwicklung und die Nachkriegsgeschichte Deutschlands geprägt. Wir wollen auf die wirtschaftshistorische Bedeutung blicken, aber auch auf das, was bleibt von der D-Mark, und können dazu mit dem Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, Johannes Beermann, sprechen. Guten Tag!
    Johannes Beermann: Guten Tag, Herr Kindermann.
    Kindermann: Herr Beermann, worin liegt aus heutiger Sicht die Bedeutung der D-Mark, deren Sachwalter ja die Bundesbank war?
    Beermann: Die D-Mark hat bis zu ihrer Pensionierung beständig an Wert und an Bedeutung gewonnen – in Deutschland wie in Europa wie in der ganzen Welt. Denn die D-Mark, Herr Kindermann, stand für stabile Preise. Sie war weltweit beliebt. Denn wenn Sie schauen: Überall auf der Welt legten Menschen ihr Erspartes in D-Mark an, um es vorm Wertverlust möglicherweise in der eigenen Währung zu schützen. Die D-Mark war eine weltweit geachtete Währung.
    Kindermann: Kann man sagen, dass die Währungsreform selbst ein gelungenes Beispiel für die Transformation einer Wirtschaft war?
    Beermann: Das kann man uneingeschränkt genau so sagen. Mit der Ausgabe der D-Mark kam wieder Schwung in das Wirtschaftsleben. Vor 70 Jahren waren auf einmal die bis dahin leeren Schaufenster wieder voll, zumindest wenn man den Berichten derjenigen glaubt, die damals dabei waren. Mit der Währungsreform wurden die bis dahin bestehenden Zwangsbewirtschaftungsmaßnahmen schlagartig beendet. Der Tauschhandel, mit Zigarettenwährung und was es sonst alles gab – mit all dem war Schluss.
    Das heißt, von Anfang an vertrauten die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in Westdeutschland der neuen Währung, eben der D-Mark, und in diese D-Mark setzten sie natürlich auch nach dem Desaster des Dritten Reiches alle ihre Hoffnungen, alle ihre Erwartungen, alles das, was sie sich von einer guten Zukunft erträumt haben. Das Wirtschaftswunder kam, die Hoffnungen wurden im Westen Deutschlands erfüllt, die D-Mark hat das in sie gesetzte Vertrauen nicht enttäuscht. Der wirtschaftliche Wohlstand in der Bundesrepublik Deutschland ist ohne die D-Mark völlig undenkbar.
    D-Mark als Freiheitsmittel und Einheitssymbol
    Kindermann: Sie sagen es: Der Westen Deutschlands hat davon profitiert. Am 1. Juli 1990 ersetzte ja die D-Mark auch die DDR-Mark. War das denn, ebenfalls natürlich aus heutiger Sicht, eine geglückte, ja da muss man ja sagen, Währungsunion?
    Beermann: Ja! Das war keine Währungsreform; das war, wie Sie zurecht sagen, eine Währungsunion. Und der 1. Juli 1990, an den ich mich gut erinnere, war ein ganz wichtiger Tag für die Wiedervereinigung Deutschlands. Auch hier war die neue gemeinsame Währung Vorläufer zu einer gemeinsamen Staatlichkeit. Die D-Mark war eine weltweit gehandelte und geachtete Währung. Sie war, wenn Sie so wollen, geprägte Freiheit und damit, mit der Einführung in der damaligen DDR, auch ein wichtiges Freiheitsmittel und Einheitssymbol. Das heißt, man konnte wieder von selbst das hart erarbeitete Geld, was man in D-Mark dann ausbezahlt bekam, alles kaufen, überall hinreisen und bezahlen, und insofern ist der Ruf, den viele noch im Ohr haben, damals der mutigen Revolutionäre in der DDR, "kommt die D-Mark, bleiben wir, kommt sie nicht, gehen wir zu ihr", dieser Ruf ist der Ruf nach wirtschaftlicher Freiheit. Kurz und gut: Die Währungsunion war von der Idee wie von der tatsächlichen Umsetzung her ein voller Erfolg.
    Kindermann: Sie sprechen von einem Vorläufer der Staatlichkeit. Das kann man ja möglicherweise auch sagen von dem nächsten Punkt: die Ablösung der D-Mark vom Euro. Viele sprachen danach vom Teuro, weil viele Produkte und Dienstleistungen sich schlagartig zu verteuern schienen. Hat die Gemeinschaftswährung unser Leben wirklich verteuert? Stimmt das eigentlich?
    Beermann: Jetzt wollen wir mal dem Euro nicht Dinge in die Schuhe schieben, für die er wahrhaftig nichts kann. Wenn ich an meine Großmutter denke, die schon zu D-Mark-Zeiten immer gesagt hat, es wird immer alles teurer, zeigt es, dass es schon immer eine Erfahrung gab, die bedeutete, Inflation haben wir. Inflation gab es also immer schon.
    Und wenn wir uns nun die letzten zehn Jahre des Währungslebens der D-Mark anschauen und nehmen dann die ersten zehn Jahre des Euro, dann können wir feststellen, dass die Inflation in diesen D-Mark-Zeiten höher war als zu den Euro-Zeiten. Das heißt, die Gemeinschaftswährung hat unser Leben nicht per se verteuert. Im Gegenteil! Wenn Sie zum Beispiel schauen, wieviel Kosten man spart, man muss gerade jetzt in der Sommerzeit nicht mehr Geld umtauschen, dann ist die Verteuerung, die dem Euro untergeschoben wird, glaube ich, etwas, wofür er nichts kann und wogegen ich den Euro auch in Schutz nehmen muss.
    6,7 Milliarden D-Mark-Münzen im Umlauf
    Kindermann: Trotzdem ist es ja so, dass sich manche Menschen noch nach der D-Mark zurücksehnen. Können Sie das verstehen?
    Beermann: Sie war so schön, die D-Mark, und auch für uns als Deutsche Bundesbank, als Hüterin der D-Mark, ist es schön, wenn die Bürgerinnen und Bürger die D-Mark in guter Erinnerung behalten. Aber, Herr Kindermann, die Zeiten ändern sich. Neben dem Wirtschaftsaufschwung in Westdeutschland gehört zur Nachkriegsordnung auch der Einigungsprozess Europas, und hier steht weder die Welt, noch Europa still. Und die Einführung des Euro war ein ganz wichtiger Meilenstein in diesem europäischen Friedenswerk. Ich glaube, es ist wirklich schön, dass die Menschen in Deutschland und in Europa den Euro wertschätzen, dass sie Vertrauen und Zuversicht in den Euro haben, und insofern die Menschen in Deutschland die Erinnerung, die schöne Erinnerung an die D-Mark mit der Zukunftsausrichtung des Euro verbinden.
    Kindermann: Diese schöne Erinnerung an die D-Mark führt ja auch dazu, dass noch viele Menschen D-Mark besitzen. Kann man aus Sicht der Bundesbank sagen, wieviel D-Mark noch in Umlauf sind?
    Beermann: Wir haben das mal versucht festzustellen. Zu Ende Mai dieses Jahres befanden sich an Banknoten, an D-Mark-Banknoten noch etwa 5,9 Milliarden D-Mark oder Banknoten in diesem Wert in Umlauf. Münzen, D-Mark-Münzen, gab es noch im Wert von 6,7 Milliarden Euro. Wir rechnen nicht damit, dass das alles vollständig zu uns, zur Bundesbank zurückkehrt, wobei wir feststellen, dass doch jedes Jahr bis zu 100 Millionen D-Mark noch zum Umtausch bei uns eingereicht werden.
    Aber man muss sehen, wie ich es eingangs gesagt habe: Große D-Mark-Bargeldbestände befinden sich noch im Ausland. Dann wird der eine oder andere wegen der schönen Erinnerung, die Sie ja auch schon angesprochen haben, noch einige Banknoten und einige Münzen zuhause haben. Eine ganze Reihe von Banknoten und Münzen sind auch schlicht vergessen worden oder verloren gegangen und insofern rechnen wir nicht damit, dass das Geld wieder vollständig bei uns eingeht. Aber wann immer jemand, wenn einer Ihrer Zuhörerinnen und Zuhörer D-Mark findet, er kann sie jederzeit zu uns oder zu einer unserer Filialen der Deutschen Bundesbank bringen. Er kann sie auch einsenden, natürlich auf eigene Gefahr, und bekommt dann im Wechselkurs von 1,95583 D-Mark zum Euro auch tatsächlich Euro im Austausch bezahlt.
    Kindermann: Herr Beermann, wir erleben ja ein Wiedererstarken nationalistischer Tendenzen in Europa. Die Finanzmärkte verfolgen aufmerksam, ob es Bestrebungen einzelner Staaten gibt, aus der Eurozone auszutreten. Wäre bei einem Bruch des Euro-Systems die Rückkehr zur D-Mark in Deutschland überhaupt denkbar?
    Beermann: Ich glaube, jetzt wollen wir den Geldtempel mal im europäischen Dorf lassen. Euro und Europa gehören untrennbar zusammen, und wenn Europa auseinanderbricht, dann, glaube ich, ist die Währungsfrage das geringste unserer Probleme. Das heißt, die von Ihnen genannten Befürchtungen – die werden ja immer wieder geäußert, aber sie haben sich überhaupt nicht einmal ansatzweise realisiert, und das ist auch für die Zukunft nicht zu erkennen. Der Euro ist stabil. Wie es die Verträge vorsehen, wollen fast alle EU-Mitglieder in den Euro hinein und keiner will raus. Und warum auch, denn der Euro ist Symbol für ein wirtschaftlich sich gut entwickelndes Europa, genauso wie es die D-Mark für die Bundesrepublik Deutschland war, wie sie vor 70 Jahren eingeführt wurde.
    Kindermann: Herr Beermann, vielen Dank für das Gespräch. – Wir sprachen mit dem Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank, Johannes Beermann. Vielen Dank.
    Beermann: Vielen Dank, Herr Kindermann. Auf Wiederhören.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.