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"Da werden Tiere getreten, geschlagen, gegen Wände geworfen"

Idylle pur - das suggeriert jedenfalls der Name: Ein Hof, umgeben von Wiesen, auf denen Federvieh artgerecht gehalten wird. Die Realität beim Eierproduzenten Wiesenhof sehe anders aus, meinen Tierschützer.

Von Susanne Schrammar | 12.01.2010
    Hühner, die ohne Grund brutal gegen Wände geschlagen werden, denen Mitarbeiter durch Herumschleudern das Genick brechen und die zu Zigtausenden eingepfercht ohne Tageslicht auf dem eigenen Kot leben und nicht selten verenden. Das zeigen Filmaufnahmen, die die Tierschutzorganisation PETA veröffentlicht hat und die in einem Wiesenhof-Betrieb in Twistringen in Niedersachsen aufgenommen wurden. Zehn Monate haben Kerstin Wessels und ihr Mann Steffen im vergangenen Jahr auf der sogenannten Elterntierfarm im Landkreis Diepholz gearbeitet und die Vorfälle dabei gefilmt.

    "Da werden Tiere getreten, geschlagen, gegen Wände geworfen, auf's Nest geworfen, oder, oder. Wir haben auf so viele Missstände aufmerksam gemacht und es ist nie irgendwas passiert und wir sind immer hingehalten worden. Das macht böse, das macht schlicht und ergreifend böse."

    Die Hähnchen seien massenhaft sinnlos getötet worden, so der Vorwurf der beiden Mitarbeiter, die inzwischen gekündigt haben. Die Tierquälereien sollen von den sogenannten Impftrupps beim Verladen vorgenommen worden sein - eine Gruppe von Wiesenhofbeschäftigten, die alle 70 Elterntierfarmen regelmäßig bereisen. Die Arbeiter nehmen schwerste Knochenbrüche der Hühner in Kauf, sagt Stefan Bröcking von der Tierschutzorganisation PETA. Ein solches Verhalten, vermuten die Tierschützer, könnte in dem Unternehmen eher Regel als Ausnahme sein.

    "Wir reden ja hier von einem Unternehmen, dass sich Tier- und Verbraucherschutz, Transparenz und Ehrlichkeit auf die Fahne schreibt. Das Gegenteil von allem ist aber der Fall. Es werden Tiere unter schlimmsten Bedingungen gehalten, die Haltung allein bringt schon Tod und Krankheiten mit sich."

    PETA hat bei der zuständigen Staatsanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Wiesenhof eingereicht. Das Unternehmen hat die Vorwürfe gegenüber dem ARD-Magazin Report schriftlich eingeräumt und nach eigenen Angaben bereits personelle Konsequenzen gezogen. Eine Mitschuld weist der Geflügelkonzern jedoch von sich. Der betroffene Stall sei von Januar bis November verpachtet gewesen. Der Farmleiter trage die alleinige Verantwortung. Wiesenhof wolle Anzeige gegen den Mann erstatten und die Kontrollen verstärken. Auch die zuständige Amtsveterinärin des Landkreises Diepholz hat angekündigt, den Fall zu prüfen. In Niedersachsen haben die Vorfälle bei Naturschützern für Empörung gesorgt. Ein klarer Verstoß gegen das Tierschutzgesetz, sagt Stefan Ott vom BUND.

    "Unsere Erfahrung war bisher, dass die Firma Wiesenhof noch zu denen gehört, die ein gewisses Qualitätsniveau vorhält, allerdings, wenn man weiß, dass bei den Tieren, die dort produziert werden, bei dem Fleisch, dass dort produziert wird, die Gewinnmagen extrem niedrig sind, dann muss man sagen, ist der Gesetzgeber hier gefordert, hier die Standards zu erhöhen, zu verbessern und natürlich drauf zu achten, dass sie eingehalten werden."

    Im Zusammenhang mit den Vorfällen bei Wiesenhof in Twistringen üben auch die Grünen Kritik an der niedersächsischen Landesregierung.

    Politische Konsequenzen der Vorfälle bei Wiesenhof hat auch die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft in Niedersachsen gefordert. Es sei ein Skandal, so Sprecher Eckehard Niemann, dass die bestehenden Nutztier-Haltungsverordnungen eine qualvolle Haltung ohne genügend Platz und ohne Auslauf erlaubten. Im niedersächsischen Landwirtschaftsministerium sieht man hingegen keinen konkreten Handlungsbedarf. Ein vorsätzliches Fehlverhalten Einzelner lasse sich nicht durch Gesetzesverschärfungen verhindern, so ein Sprecher.