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"Da wird schon für die Sicherheit was getan"

Der Deutsche Reiseverband sieht nach dem Bombenanschlag auf Mallorca keinen Grund, von Reisen nach Spanien abzuraten. Verbandssprecher Torsten Schäfer sagte, die Anschläge zielten nicht auf Touristen.

Torsten Schäfer im Gespräch mit Tobias Armbrüster | 01.08.2009
    Tobias Armbrüster: Reinhard Spiegelhauer berichtete. Und mitgehört hat Torsten Schäfer, er ist der Sprecher des Deutschen ReiseVerbands. Schönen guten Morgen, Herr Schäfer!

    Torsten Schäfer: Schönen guten Morgen!

    Armbrüster: Was raten Sie Urlaubern, die für die nächsten Tage einen Flug nach Mallorca gebucht haben und die jetzt Angst haben?

    Schäfer: Also die beste Informationsquelle natürlich neben den Medien ist das Auswärtige Amtin Deutschland, denn die einzige Stelle, die die Sicherheitslage im In- und Ausland bewertet, ist in Deutschland das Auswärtige Amt in Berlin. Und auf den Internetseiten vom Auswärtigen Amt kann man für jedes Reiseland die Einschätzung der Sicherheitslage nachlesen. Und dort wird auch gewarnt, wenn irgendetwas passiert ist oder wenn man sich auf Reisen vorsehen sollte. Also wer Angst hat, sollte sich informieren. Es gelten im Moment die ganz normalen Sicherheits- und Lageeinschätzungen der Bundesregierung, auch für Spanien, und dementsprechend gelten auch die normalen Stornierungs- und Reisebedingungen der Reiseveranstalter.

    Armbrüster: Und ich nehme mal an, die Informationen der Bundesregierung lautet: Spanien ist zurzeit keine besonders große Gefahr.

    Schäfer: Das haben sie auch gestern Abend noch mal, hat die Bundesregierung noch mal drauf hingewiesen, dass die Sicherheitslage dort nicht neu einzuschätzen ist, denn Bombenanschläge gibt es nun mal leider schon seit Jahren, und sie sind definitiv nicht auf Touristen gezielt und nicht [auf] touristische Ziele gerichtet. Also dementsprechend gibt es keine neue Sicherheitsbewertung der Bundesregierung für dieses Land.

    Armbrüster: Heißt das denn jetzt auch, dass man nicht zurücktreten kann von einer Reise, auch wenn man große Angst, da jetzt hinzufliegen?

    Schäfer: Deswegen gelten die normalen Reiserücktrittsbedingungen, also Stornierungsbedingungen. Es liegt keine Reisewarnung vor. Normalerweise ist es so, wenn die Bundesregierung, also das Auswärtige Amt, ihre Lageeinschätzung verändert, dann gibt es entweder einen Sicherheitshinweis oder einen Reisehinweis. Das sind verschiedene Eskalationsstufen, nach denen sich auch die Reiseveranstalter in Deutschland richten. Wenn es also eine Reisewarnung geben sollte, dann ist auch die Möglichkeit gegeben, sofort meist kostenfrei entweder zu stornieren oder umzubuchen. Hier liegt keine neue Lageeinschätzung vor, also gelten die ganz normalen Stornierungsbedingungen.

    Armbrüster: Was hören Sie denn von der Insel, wie ist die Stimmung in den Hotels?

    Schäfer: Also was wir gehört haben von den Reiseveranstaltern, ist, dass es einige Anrufe gab bei den Veranstaltern, auch hier aus Deutschland natürlich. Sie wollten wissen, wie ist die Lage. Es gibt aber keine Unruhe unter den Reisenden. Wir haben im Moment rund 150.000 bis 200.000 deutsche Urlauber auf der Insel. Im Jahr machen rund zweieinhalb Millionen Deutsche dort Urlaub. Und wie gesagt, von 150.000 bis 200.000 Deutschen gibt es derzeit keine Rückmeldungen, dass es da irgendwelche Unruhe gibt. Natürlich gibt es Nachfragen, aber das ist in so einem Fall ganz normal.

    Armbrüster: Sind denn Leute vorzeitig abgereist?

    Schäfer: Auch da haben uns die Reiseveranstalter mitgeteilt, dass es auch keine Wünsche nach vorzeitiger Abreise gab. Es gibt auch nur eine ganz geringe Anzahl von Urlaubern, die jetzt nicht reisen wollen, also da gibt's eigentlich im Promillebereich Anfragen.

    Armbrüster: Was bedeutet so ein Anschlag für den Tourismus insgesamt auf Mallorca? Gehen die da jetzt einfach nach einigen Tagen wieder zum Tagesgeschäft über?

    Schäfer: Na ja, ich denke, man muss natürlich eines beachten, dass natürlich die Gefahr von Anschlägen oder dass etwas passieren kann, ist nun mal da, das wissen wir alle seit dem 11. September 2001, dass irgendwo auf der Welt etwas passieren kann. Nun sind Länder wie Spanien natürlich sehr abhängig auch vom Tourismus. Über zehn Millionen Deutsche allein reisen pro Jahr nach Spanien, also auch aufs Festland, auf die Kanaren und auf die Balearen. Das ist schon eine ganze Menge. Und Spanien ist das zweitbeliebteste Reiseland der Deutschen, nach Deutschland. Und da kann man sich vorstellen, dass die Spanier alles unternehmen werden, für Sicherheit zu sorgen und auch alle Maßnahmen unternehmen, wie sie das ja jetzt auch tun, die Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen noch mal verschärfen, noch mal stärkere Kontrollen unternehmen. Also da wird schon für die Sicherheit was getan. Nur hundertprozentige Sicherheit kann natürlich Ihnen keiner in Hamburg, Bottrop oder New York oder halt auch auf Mallorca garantieren.

    Armbrüster: Es hat ja jetzt in dieser Woche zwei Anschläge gegeben, einmal in Burgos, dabei gab es Dutzende von Verletzten, und dann eben am Donnerstag diesen Anschlag auf Mallorca. Ist die Branche von der Rückkehr der ETA – wenn es denn die ETA war, aber davon gehen ja alle aus –, ist die Branche von der Rückkehr der ETA überrascht?

    Schäfer: Es ist so, dass die ETA selbst immer gesagt hat, die Ziele ihrer Anschläge sind keine Touristen, und sie haben auch noch nie diese Anschläge auf touristische Einrichtungen oder Touristen selbst verübt. Von daher ist die Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes hat sich nicht verändert. Also es ist ja nichts Neues, leider, quasi, es gibt ja schon immer wieder Anschläge – Madrid, überall ist etwas passiert. Also überrascht ist man von diesen Anschlägen nicht. Man ist drauf vorbereitet. Die Reiseveranstalter wissen um diese Lageeinschätzung, und darum gibt es halt auch Krisenmanagements bei den Reiseveranstaltern, unter anderem auch beim Deutschen ReiseVerband, der dieses für die Reiseveranstalter zum Teil koordiniert in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt, um den Reisenden halt auch eine gewisse Sicherheit zu bieten.

    Armbrüster: Wenn wir jetzt mal von diesen Vorgängen in Spanien etwas weggehen: Terroranschläge in Urlaubsgegenden sind ja inzwischen nichts Neues mehr, hat es in den letzten Jahren auch in vielen anderen Ländern auf der Welt gegeben – werden die Touristen inzwischen abgebrühter?

    Schäfer: Das glaube ich nicht, aber Sie merken an Umfragen, dass man einfach nicht nur Touristen, sondern wir Menschen mit dieser virulenten Möglichkeit leben, dass irgendwo auf der Welt etwas passieren kann – das zeigen alle Umfragen, die diese Sicherheitsgefährdung abfragen – und dass man sich arrangiert, dass überall auf der Welt, selbst in Kaiserslautern, Bottrop oder auf Mallorca, etwas passieren kann. Abgebrühter würde ich nicht sagen, sondern man lebt damit, dass irgendwo was passieren kann. Aber deswegen kann man sich ja jetzt nicht einigeln zu Hause und kann nicht einfach daheim bleiben und auf der Straße bleiben, man muss ja zur Arbeit, man muss ja halt auch dienstlich zum Teil reisen. Von daher lebt man mit dieser möglichen Angst. Aber das ist halt Fakt im Moment.

    Armbrüster: Wie reagieren denn die Reiseunternehmen auf solche Terroranschläge?

    Schäfer: Also es ist so, dass wenn man mal so zur Einordnung das beschreibt: Der Deutsche ReiseVerband vertritt die deutschen Reiseveranstalter und Reisebüros, und mit rund 4000 Mitgliedern repräsentieren wir rund 80 Prozent des gesamten touristischen Umsatzvolumens von über 21 Milliarden Euro. Nun hat jeder Reiseveranstalter auch sein eigenes Krisenmanagement, die also bestimmte Dinge regeln, wenn irgendetwas passiert für die Reisenden. Bestimmte Dinge kann man aber auch zentral koordinieren, weil wenn man sich vorstellt, dass die über 2000 deutschen Reiseveranstalter, die es auf dem Markt gibt, jeder jetzt einzeln beim Auswärtigen Amt anrufen würde, dann würden die ja auch nicht zur Arbeit kommen und das nicht koordinieren können. Also koordiniert der Deutsche ReiseVerband in Krisenfällen das Krisenmanagement für die Reiseveranstalter, und es gibt ausgefeilte Krisennotfallpläne. Wenn etwas passiert, dann werden sofort die Medien informiert, werden sofort die Kunden informiert über die Dinge, die da passieren. Und dass sie halt auch Bescheid wissen, das ist ja auch das Wichtigste.

    Armbrüster: Ist denn dieses Krisenmanagement bei Ihnen am vergangenen Donnerstag in irgendeiner Form angelaufen?

    Schäfer: Das ist genauso angelaufen wie bei anderen großen Vorfällen. Wir haben sofort mit dem Auswärtigen Amt Kontakt aufgenommen, uns gegenseitig informiert – sind Deutsche betroffen, wie viel deutsche Gäste sind dort vor Ort –, das sind so die Standardsachen, die sofort ausgetauscht werden, damit halt auch das Auswärtige Amt Bescheid weiß, und umgekehrt. Natürlich kriegt das Auswärtige Amt Nachrichten von den Botschaften vor Ort in den Ländern, und dann wird die Zusammenarbeit halt über uns koordiniert. Ich kann Ihnen ein Beispiel geben: Etwa Anfang des Jahres gab es ja die Flughafensperrung in Bangkok in Thailand, und da saßen Tausende von Urlaubern fest. Und in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt hat der Deutsche ReiseVerband das koordiniert, dass wir alle deutschen Pauschalreisetouristen aus dem Land ausgeflogen haben in einer großen Aktion. Wir haben Sondermaschinen runtergeschickt nach Thailand und haben die deutschen Gäste, die über Reiseveranstalter gebucht haben, dort innerhalb von drei Tagen zurückgebracht. Das kann natürlich ein einzelner Reiseveranstalter nicht ohne Weiteres tun, da bedarf es einer Koordinierung. Sie brauchen Überflugrechte bei den Ländern, Sie brauchen Landegenehmigungen, das alles muss koordiniert werden, das machen wir dann in so einem Fall. So etwas wäre dann auch, wenn es jetzt schlimmer gekommen wäre auf Mallorca, natürlich auch weiterhin über uns koordiniert worden.

    Armbrüster: Zum Schluss, Herr Schäfer: Können Mallorca-Urlauber oder Leute, die noch nach Mallorca fliegen wollen in diesem Sommer, jetzt mit Preisnachlässen rechnen?

    Schäfer: Es ist so, dass Hauptsaison ist im Moment. Natürlich, die Urlaubsbuchungen haben angezogen, nach einer gewissen Buchungszurückhaltung Anfang des Jahres. Gerade bei den Familien haben wir gesehen, dass die einfach nicht wussten, kann ich mir den Urlaub erlauben in diesem Jahr, habe ich meinen Arbeitsplatz noch. Jetzt in den letzten Wochen haben die Leute gebucht, und Spanien gehört einfach auch zu den vielen, die während der Sommerferienzeit am beliebtesten sind.

    Armbrüster: Ich meine, wird Mallorca möglicherweise nach diesen Bombenanschlägen billiger?

    Schäfer: Das muss man abwarten, das ist jetzt zu früh. Im Moment gibt es keinen Einbruch bei der Nachfrage, und dementsprechend rechne ich auch nicht damit, dass es da irgendwelche Preisreduzierungen gibt.

    Armbrüster: Das war Torsten Schäfer, der Sprecher des Deutschen ReiseVerbands. Vielen Dank, Herr Schäfer, für diese Informationen!

    Schäfer: Herzlich gerne!