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DAAD-Stipendiat
China weist Studenten wegen kritischer Hausarbeit aus

Ein deutscher DAAD-Stipendiat wurde aus China ausgewiesen - mit der Begründung: seine Aktivitäten seien nicht mit einem Studenten-Visum vereinbar. Im Rahmen eines Journalismus-Seminars hat er zum Thema "Bürgerrechtsanwälte in China" einen Film gedreht.

Von Axel Dorloff | 13.08.2018
    Das zweite Tor der Tsinghua Universität in Peking
    Das zweite Tor der Tsinghua Universität in Peking (Guo Hui / Imaginechina / dpa)
    Man muss ein paar Treppen in den Keller hinabsteigen, in das Pizza-Restaurant im Studenten-Bezirk Wudaokou im Nordwesten Pekings. Kein Tageslicht, schwarze Wände, auf dem Bildschirm läuft Sport. Es ist der vorerst letzte Tag von David Missal in China. Der 24-jährige DAAD-Stipendiat wollte eigentlich noch mindestens ein Jahr Journalismus und Kommunikation an der renommierten Tsinghua Universität studieren. Aber die chinesischen Behörden haben das Visum des gebürtigen Osnabrückers nicht verlängert. De facto ausgewiesen.
    "Mir wurde eine Erklärung vorgelesen, in der es hieß: weil sie Aktivitäten nachgegangen sind, die nicht von dem Studenten-Visum gedeckt sind, deshalb bekommen sie kein Visum mehr und müssen innerhalb von zehn Tagen China verlassen. Ich habe gefragt: ja, was für Aktivitäten habe ich denn gemacht? Da haben sie gesagt: Na, dass wissen Sie ganz genau."
    Missal hatte sich im Rahmen eines Seminars an der Universität mit dem Thema "Menschenrechtsanwälte in China" befasst. Er hatte den Anwalt Lin Qilei und seine Angehörigen mehrere Tage lang begleitet, hatte Betroffene befragt und gefilmt. Auch Li Wenzu, die Frau eines inhaftierten Menschenrechtsanwalts. Sie war im April zu einem 100-Kilometer-Marsch aufgebrochen, um auf das Schicksal ihres Mannes aufmerksam zu machen. Alles Thema für eine Hausarbeit, abgesegnet vom amerikanischen Professor. Aber für die chinesischen Behörden war das offenbar zu viel.
    Die schwierige Arbeit der Menschenrechtsanwälte in China
    "Natürlich war mir das bewusst, dass so etwas passieren kann, was jetzt passiert ist. Aber nichtsdestotrotz hätte ich vielleicht gedacht, dass im Rahmen von der Universität vielleicht noch ein bisschen mehr Freiheiten sind. Aber natürlich: dass China nicht das Land der Pressefreiheit ist, das ist klar."
    Erst Recht, wenn solche Recherchen ohne Journalisten-Visum gemacht werden. Missal hat seine Arbeit auf seiner Internetseite veröffentlicht, auch via Youtube und Twitter. Ein einfühlsamer Film über die schwierige Arbeit der Menschenrechtsanwälte in China. Aber die wissenschaftliche und publizistische Freiheit eines Studenten ist in China begrenzt. Besonders, wenn es um solch sensible und weitgehend tabuisierte Themen geht.
    Vor gut drei Jahren, am 9. Juli 2015, wurden mehr als 200 kritische Anwälte, Aktivisten und Kanzleimitarbeiter festgenommen oder zur Polizei zitiert. Einige sind bis heute in Haft. Das Ereignis ist unter der Datumsbezeichnung 709 bekannt. Missal wurde im Rahmen seiner Recherchen sogar kurzzeitig von der Polizei fest genommen. Vermutlich einer der Gründe für seine Ausweisung. Als Fehler sieht er das auch im Rückblick nicht.
    "Allein, dass ich die Möglichkeit hatte, mit diesen Menschen zu sprechen, die einfach wahnsinnig mutig sind, das will ich nicht missen. Nichtsdestotrotz: natürlich bin ich gleichzeitig auch traurig darüber, dass ich womöglich nicht wieder zurück nach China kann, dass ich vielleicht kein Visum für China mehr kriege. Weil, ich habe nun mal hier auch Freunde, Bekannte, die ich dann vielleicht nicht wieder sehen kann. Es ist sehr zwiegespalten. Zum einen finde ich, ich habe nichts falsch gemacht. Zum anderen bin ich auch traurig, dass ich womöglich nicht zurückkommen kann."
    Behörden blieben hart
    Der Deutsche Akademische Austauschdienst – DAAD – in Peking hat versucht, sich für seinen Stipendiaten einzusetzen. Aber ohne Erfolg. Chinas Behörden blieben hart. Das Stipendium für David Missal gelte aber weiter, so DAAD-Vize-Generalsekretär Christian Müller gegenüber dem ARD-Hörfunkstudio Peking.
    "Wir bedauern die Entwicklung. Das bedeutet für uns, für den DAAD, aber keineswegs die Beendigung seines Stipendiums. Er hat ja eine Förderung durch den DAAD, für diesen Masterstudiengang. Vielmehr prüfen wir derzeit, wie Herr Missal sein Studium an einer anderen Universität fortsetzen kann."
    Die betroffene Tsinghua Universität in Peking schweigt zu dem Vorfall. Auf Nachfrage kein Kommentar. David Missal will jetzt zunächst zurück an die Freie Universität Berlin und dann möglichst in Taiwan studieren. An seinem letzten Tag in China hat er dann noch das gemacht, was viele ausreisende Ausländer tun. Er hat seinen Luftreiniger verkauft. Denn in Deutschland ist das gesellschaftliche Klima nicht nur freier, sondern die Luft auch besser als in China.