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Dänemark
Comeback der Sozialdemokraten?

Die Dänen wählen ein neues Parlament. Und so geht das Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen Sozialdemokraten und liberaler Regierungspartei bei der Europawahl in die nächste Runde. Die Sozialdemokraten punkten dabei mit einer Politik, die für eine Partei links der Mitte ungewöhnlich ist.

Von Carsten Schmiester | 05.06.2019
Mette Frederiksen, dänische Sozialdemokratin, schüttelt Unterstützern die Hand. Im Hintergrund sind rote Fahnen zu sehen.
Die sozialdemokratische Parteichefin Mette Frederiksen im Wahlkampf. (Imago Stock & People / Ritzau / Scanpix)
Lars Løkke Rasmussen hat wieder Hoffnung seit der Europawahl. Vorher hatte seine liberale Venstre-Partei in Umfragen hinter den Sozialdemokraten gelegen, doch am Ende gewonnen, wenn auch knapp. Ein kleines Wunder. Jetzt träumt der Regierungschef der Mitte-Rechts-Dreierkoalition vom großen Wunder. Denn Venstre liegt wieder zurück und zwar deutlich. Nur 19 Prozent, "die anderen" kämen auf 27. Viele Dänen wollen offenbar einen Politikwechsel Richtung Mitte-Links, Løkke setzt dagegen - "keine Experimente":
"Aufbruch braucht Zusammenhalt. Erschütterungen fordern Stabilität. Unsichere Zeiten verlangen eine erfahrene, robuste und verantwortliche Führung. Ich möchte mein ganzes Wissen dafür einsetzen, Dänemark weiter zu leiten. Und ich bitte die Dänen, mich bei den Parlamentswahlen am 5. Juni wiederzuwählen."
Linke Sozialpolitik, rechte Migrationspolitik
Gut möglich, dass sie aber genau das nicht tun. Denn die dänischen Sozialdemokraten haben sich unter der neuen Chefin Mette Frederiksen verändert: 41 Jahre alt, geschieden, zwei Kinder, Sozialwissenschaftlerin, vor allem aber keine Salonsozialistin wie ihre Vorgängerin an der Parteispitze und Ex-Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt. "Mette" setzt auf traditionelle linke Sozialpolitik, hat ihre Partei aber in der Asylpolitik kräftig nach rechts gerückt. Sie verspricht weniger Zuwanderung aus nicht-westlichen Ländern, Arbeitspflicht für anerkannte Flüchtlinge und mehr Abschiebungen.
"Unsere wichtigste Aufgabe ist es, die fantastische Wohlfahrtsgesellschaft zu stärken. Dann wollen wir eine völlig andere grüne Politik als heute und wir wollen eine gerechte Ausländerpolitik. Wir setzen natürlich das Wohlergehen der Bürger an erste Stelle und wir werden bis zur letzten Stimme dafür kämpfen, dass ihr, die ihr viele Jahre für diese Gesellschaft geschuftet habt, früher in Rente gehen dürft."
Damit punktet sie vor allem bei Wählern der populistischen Dänischen Volkspartei, unter denen viele Ex-Sozialdemokraten sind; abgewandert aus Frust über die ihnen damals zu liberale Ausländerpolitik. Sollten sie im vorhergesagten Ausmaß zurückkommen, könnte das den Absturz der Populisten bedeuten, die bisher die rechtsliberale Koalition gestützt haben: Nur noch um die elf statt über 21 Prozent prognostizieren die Umfragen der Partei. Parteichef Kristian Thulesen Dahl steht mit dem Rücken zur Wand.
Rechte Parteien in Dänemark immer extremer
"Wir kämpfen für unsere Politik und passen uns keinen Strömungen an. Unsere Politik richtet sich nicht danach, woher der populistische Wind gerade bläst. Wir haben unsere DNA, unseren roten Faden. Und wir kämpfen für unsere Themen, egal, wo die Dänen sich hinbewegen, denn die Dänen sollen immer genau wissen, wo die Dänische Volkspartei steht."
Rechtsaußen, natürlich, aber nicht mehr ganz. Denn es gibt neue Parteien, die die Dänische Volkspartei wie weichgespült wirken lassen. Die Islamkritiker und EU-Gegner der "Neuen Bürgerlichen" und eine Partei namens "Stram Kurs" wie "harte Linie". Ihr Chef Rasmus Paludan tritt unter Polizeischutz auf und provoziert mit derber Hasspolemik:
"Wenn ich an die Macht komme, sind alle Moslems bestimmt schon weg, weil sie genau wissen, dass es dann nicht mehr so lustig ist als Moslem in Dänemark. Aber sie werden wohl ein anderes Land finden, es gibt ja 51 moslemische Staaten in der Welt. Naja, sie wollen da nicht leben, es sind ja Mistländer, aber das ist nicht unser Problem, oder?"
Umwelt und Klima sind wichtige Wahlkampfthemen
Die Partei bekommt allerdings mehr Aufmerksamkeit in den Medien als Wählerzuspruch, auch wenn sie wohl die Zwei-Prozent-Hürde knapp überspringen und ins Parlament kommen wird. Aber das wichtigste Wahlkampfthema ist nicht ihres, sagt der Politikexperte Erik Holstein:
Umwelt und Klima, also die grünen Themen, die sind auf Platz Eins. Das ist relativ neu. Vor ein bis zwei Jahren lagen sie deutlich weiter hinten. Das hängt, glaube ich, mit so etwas Banalem wie dem sehr heißen letzten Sommer zusammen. Manchmal kann die plötzliche Konkretisierung eines komplexen Problems viel bewegen. An zweiter Stelle stehe der Streit ums dänische Gesundheitssystem und seine laut Opposition sinkenden Standards. Erst dann gehe es um Zuwanderung:
"Thema Nummer Drei - die Ausländerpolitik - ist immer noch explosiv, aber nicht mehr ganz so wichtig wie früher. Ich glaube, dass es ironischerweise mit Rasmus Paludan zusammenhängt, er hat die Debatte irgendwie "verschmutzt". Er macht es weniger legitim, über die Probleme zu reden, die es hier ja gibt. Er nimmt sowohl den Bürgerlichen, als auch den Sozialdemokraten die Lust, darüber zu reden."