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Dänemarks Ausländerpolitik
Gettos als politische Maßnahme gegen Parallelgesellschaften

In Dänemark werden Problemviertel anhand bestimmter Kriterien zu Gettos erklärt - und damit Maßnahmen wie Kitapflicht, eine erhöhte Polizeipräsenz oder sogar die Umsiedlung der Anwohner legitimiert. Doch die Bewohner eines Viertels in Slagelse wollen sich das nicht gefallen lassen.

Von Björn Drake | 28.12.2018
    Das Viertel Mjølnerparken in Kopenhagen steht schon länger auf der "Ghetto"-Liste der dänischen Regierung. 80 Prozent der Bewohner haben einen Migrationshintergrund.
    Das Viertel Mjølnerparken in Kopenhagen steht schon länger auf der "Getto"-Liste der dänischen Regierung. 80 Prozent der Bewohner haben einen Migrationshintergrund. (deutschlandradio / Jana Sinram)
    In Dänemark tritt im neuen Jahr das sogenannte "Getto-Gesetz" in Kraft. Die Regierung will so Parallelgesellschaften auflösen. Die Bewohner der betroffenen Stadtviertel fühlen sich von der Regierung diskriminiert.
    Das Viertel Ringparken in der dänischen Stadt Slagelse. Gepflegte vierstöckige Häuser – viele mit roten Klinkern. Vor einigen Fenstern hängen Satellitenschüsseln. Zwischen den Häusern wachsen Bäume und Sträucher. Es gibt Parks, Spielplätze und Sportanlagen. Abdiwahaab Abdulkhadir Ali wohnt seit mehr als zwei Jahrzehnten hier:
    "Das ist verrückt, dass man uns zum Getto erklärt. Hier gibt es viele Menschen, die wie ich, seit 22 Jahren ganz normal leben."
    Maßnahme: Zahl der Sozialwohnungen reduzieren
    Als sogenanntes "Getto" gilt ein Stadtteil, wenn es mehrere Kriterien erfüllt. Eine überdurchschnittlich hohe Kriminalitätsrate zum Beispiel, hohe Arbeitslosigkeit oder eine Mehrheit von Menschen aus nicht-westlichen Ländern.
    Auf Ringparken trifft das zu. Die Kommune muss deshalb jetzt umbauen. Die Zahl der Sozialwohnungen soll reduziert werden. Einige Bewohner sollen in andere Viertel umziehen. Auch Busfahrer Ali könnte es treffen:
    "Das ist alles, was wir haben. Wir wohnen hier schon richtig lange. Wir sprechen hier über Zwangsumsiedlungen. Oder dass wir uns woanders etwas suchen müssen. Wir wollen gern hier wohnen bleiben."
    In den sogenannten "Getto-Gebieten" gilt eine Kita-Pflicht. Bestimmte Straftaten wie Diebstahl und Vandalismus können doppelt so hart bestraft werden wie im Rest des Landes.
    29 dänische Stadtviertel werden als Getto eingestuft
    Sprachtests in der Vorschule sollen sicher stellen, dass alle Kinder Dänisch sprechen. Die Regierung will außerdem mehr Polizisten in die Viertel schicken.
    Dänemark hat aktuell 29 Stadtviertel als "Getto" eingestuft. In knapp der Hälfte davon sei es besonders schlimm, sagt Wohnungsbauminister Ole Birk Olsen im Interview mit dem ARD-Studio Stockholm:
    "Die Probleme, die wir dort sehen, haben auch damit zu tun, dass Menschen mit ähnlichem sozialen Hintergrund und denselben Problemen dicht beieinander wohnen. Deshalb gehen wir nun einen Schritt weiter."
    Die Regierung hat schon häufiger versucht, Parallelgesellschaften aufzulösen. Deshalb soll mit dem neuen Gesetz der Druck erhöht werden. Zur Diskussion steht auch, ganze Wohnblöcke abzureißen.
    Angetrieben wird die Mitte-Rechts Regierung dabei vor allem von der rechtsnationalen Dänischen Volkspartei. Ministerpräsident Rasmussen ist mit seiner Minderheitsregierung auf ihre Stimmen angewiesen.
    Idee: straffällig gewordene Ausländer auf Insel unterbringen
    Das Integrationsministerium rechnet auf seiner Internetseite vor, dass es schon hundertmal Regeln und Gesetze für Ausländer verschärft hat.
    Die neuste Idee ist, straffällig gewordene Ausländer auf einer unbewohnten Insel unterzubringen. Dort wurden früher Tierseuchen erforscht.
    Dänemarks Ausländerpolitik wird von fast allen Parteien im Parlament mitgetragen. Am neuen "Getto-Gesetz" gibt es aber auch Kritik. Zum Beispiel von Sören Egge von der oppositionellen Einheitslist:
    "Es ist gut, dass diese Viertel verändert werden sollen. Aber in dem man sie als "Getto" abstempelt, wird man niemanden motivieren, dorthin zu ziehen."
    Auch in Slagelse schütteln viele Menschen den Kopf, wenn sie an das neue Gesetz denken. Der Däne Jan Erik Jensen wohnt gerne in Ringparken:
    "Ich bin froh hier zu wohnen. Hier wohnen viele Einwanderer, viele Nationalitäten. Aber wir kommen gut miteinander aus."