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Dänische Studie zu Bewegung bei Kindern
Schulhofsanierung mit überraschenden Folgen

Trampoline, Hindernisparcours, Skate-Park: Für eine Studie wurden die Pausenhöfe einer dänischen Schule attraktiver gemacht. Das erfreuliche Ergebnis: Nicht nur das Bewegungs-, sondern auch das Sozialverhalten hat sich positiv verändert.

Von Christian Wolf | 01.07.2019
Schulkinder spielen in Berlin auf dem Schulhof der Paul-Klee-Grundschule.
Mehr Bewegung auch auf deutschen Schulhöfen - von den positiven Erfahrungen in Dänemark könnte Deutschland etwas lernen (picture alliance / dpa / Robert Schlesinger)
Umgeben von dichten Wäldern liegt die Skörping Schule in einer hügelige Landschaft - und wer sie besucht, hat im ersten Moment eher das Gefühl, im Schwarzwald zu sein als in Dänemark. Von außen wirkt die Schule schlicht, doch der Schulhof ist das genaue Gegenteil. Es sieht aus wie in einem Abenteuer-Park – im Boden eingelassen Trampoline, ein Hindernis-Parcours, ein großer aus Beton gegossener Skate-Park und vieles mehr. Überall toben Schüler, kaum ein Mädchen oder Junge bleibt während der ersten großen Pause von einer halben Stunde im Schulgebäude. Henriette Andersen ist Wissenschaftlerin für Sport und Bio-Mechanik an der Süddänischen Universität SDU. Sie hat dabei geholfen, den Schulhof zu entwickeln und anschließend untersucht, ob und wie sich das Verhalten der Schüler ändert.
"Was wir herausgefunden haben, ist, dass sie nach der Renovierung mehr rausgegangen sind und das sie draußen auch von der Zeit her länger geblieben sind. Also haben wir es geschafft, sie rauszubringen und es geschafft, dass sie sich mehr bewegen."
Vor allem ist es gelungen, dass auch die Kinder, die sich sonst nicht so viel bewegen, auf dem Schulhof rumtoben. Das liege aber nicht an der Neugestaltung des Schulhofs, erklärt Henriette Andersen.
"Es ist sehr wichtig, ihnen mit Hilfe von Regeln klarzumachen, dass sie raus müssen in den Pausen. Auch ist es wichtig, ihnen zu verbieten, das Handy zu benutzen. Denn wenn sie es benutzen dürfen, wären sie zwar draußen, würden sich aber nicht bewegen."
Raus auf den Pausenhof - ohne Handy
Diese beiden einfachen Regeln haben einen gewaltigen Effekt: Nicht nur die jüngeren Schulkinder spielen auf dem Schulhof, sondern auch die Älteren. Statt zu chatten, sich gegenseitig lustige Videos zu schicken oder sich durch die neusten Trends in den sozialen Netzwerken zu clicken, spielen sie lieber. So wie der 14-jährige Lukas Skällhansen.
"Wenn wir in die siebte Klasse kommen, dann müssen wir nicht mehr raus, sondern können drinnen bleiben. Aber alle gehen lieber raus, obwohl wir drin sein können. Es ist uns erlaubt, unsere Smartphones in der Pause zu benutzen, aber es gibt wenige Schüler, die das machen. Wenn, dann benutzen wir das zusammen, um etwas zu filmen."
Die Mädchen und Jungen an der Schule haben für sich selbst festgestellt, dass direkter sozialer Austausch mit den Mitschülern wichtiger ist als soziale Medien. Damit hatten weder die Schulleitung noch Wissenschaftlerin Henriette Andersen gerechnet.
"Wir waren wirklich genauso überrascht. Weil die Regeln für sie okay sind. Sie vermissen ihr Handy gar nicht über den Tag. Sie finden, dass sie mehr soziale Kontakte haben, wenn sie nicht mit ihrem Handy unterwegs sind. Die Kinder sagen sogar selbst, dass sie ihre Regeln mögen und draußen mehr machen und mit ihren Freunden spielen, statt alleine auf ihr Handy zu schauen."
Treffpunkt Schulhof
Das war aber längst nicht alles, was die Wissenschaftler der Süddänischen Universität beobachten konnten. Der neue Schulhof mit all seinen Spiel- und Sportmöglichkeiten sei für viele Schüler zum neuen Treffpunkt geworden – vor allem nach der Schule. So erzählt es Peter Hengsten, der Direktor der Schule im dänischen Skörping.
"Es sind fast immer Menschen hier, am Wochenende, am Abend. Es kommen sogar Eltern mit ihren Kindern hierher, um den Geburtstag ihrer Kinder zu feiern, weil diese Anlage einfach dazu einlädt. Und dann ist das noch so dicht zum Wald mit seiner Bäumen und der frischen Luft."
Vor der Schulhofsanierung hat es an seiner Schule viel Vandalismus gegeben – heute ist das nicht mehr der Fall. Aber es war ein langer Weg dorthin. Bevor die Regierung mit Fördermitteln kam, gab es auf dem Schulhof nichts – nicht einmal eine Schaukel.
"2012 war es noch ein flacher Platz mit nichts weiter drauf. Es waren keine Kinder hier. Also 2012 noch haben wir mit den Planungen für dieses Projekt begonnen. Und wir waren froh, dass wir dafür Geld bekommen haben. Fertig war es 2016."
Gut investiertes Geld
Henriette Andersen von der Süddänischen Universität ist sich sicher, dass auch andere Ländern wie Deutschland von den Erfahrungen lernen können.
"Ich glaube, das Wichtigste ist, einen großen Schulhof wie hier in Skörping in kleine funktionale Plätze aufzuteilen, ganz dicht nebeneinander. Sodass man das Gefühl hat, mit seinen Klassenkameraden gemeinsam draußen zu sein, auch wenn sie ein anderes Spiel hinter dir spielen. Man bekommt also diese Verbindung zwischen diesen Plätzen mit seinen unterschiedlichen Möglichkeiten."
Rund vier Millionen dänische Kronen – etwas mehr als eine halbe Million Euro - hat der Umbau des Schulhofes gekostet. Ein Investition, die sich nach Ansicht von Lehrern, Schülern und Wissenschaftlerinnen mehr als gelohnt hat.