Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


"Dahinter steckt immer das ausdrückliche Streben nach Stabilität"

Die neue chinesische Regierung um Xi Jinping muss das Land auf Wachstumskurs halten, ohne die soziale und politische Stabilität zu gefährden, meint der Politologe Eberhard Sandschneider. Ein kleiner Fehler reiche aus, um die Dinge mächtig in Bewegung zu bringen.

Eberhard Sandschneider im Gespräch mit Mario Dobovisek | 14.03.2013
    Mario Dobovisek: Seit seinem Amtsantritt propagiert Xi Jinping den chinesischen Traum: ein starkes und wohlhabendes China. Er gibt sich als wirtschaftlicher Reformer, lehnt eine politische Lockerung des Landes aber ab. Autokratischen Führungsstil mischt der 59-Jährige mit kommunistischer Tradition und zitiert in seinen Reden gerne den großen Steuermann Mao Zedong. Der Volkskongress hat Xi Jinping nun zum neuen Staatspräsidenten gewählt.

    Diese Frage können wir gleich weitergeben an Eberhard Sandschneider, er ist Forschungsdirektor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik und ausgewiesener China-Kenner. Ich grüße Sie, Herr Sandschneider.

    Eberhard Sandschneider: Schönen guten Tag.

    Dobovisek: Wenn Sie Worte hören wie die Wiederaufstehung der chinesischen Nation, woran denken Sie da?

    Sandschneider: An eine Tradition, die eigentlich alle Eliten Chinas seit über 140 Jahren bestimmt. Sie reflektiert den Niedergang Chinas in Zeiten des Kolonialismus durch das gesamte 20. Jahrhundert. Das eint Xi Jinping mit einem Großteil der chinesischen Eliten. Sie wollen ihr Land wieder aufbauen, sie wollen es zu Wohlstand führen, sie wollen es auch wieder international einflussreich machen.

    Dobovisek: Ist das also der alte Nationalismus nur in neue Worte gekleidet?

    Sandschneider: Das ist nicht der wirkliche chinesische Nationalismus. Den gibt es allerdings auch. Der ist sogar ausgesprochen gefährlich, wenn man etwa mit Blick auf Japan sieht, zu welchen Auswüchsen er in der Lage ist. Aber das Anliegen, das eigene Land wieder zu einer entsprechenden Stärke auch im internationalen Vergleich zurückzuführen, ist ja nun nichts spezifisch chinesisches. Das versucht eigentlich letztendlich jedes Land. Nehmen Sie das Beispiel: Wenn wir uns in Europa sagen, wir müssen mit einer Stimme sprechen, um Europas Gewicht zu halten, dann steckt dahinter eigentlich dasselbe Streben nach internationalem Einfluss wie in China.

    Dobovisek: Und welche Punkte sind die dringlichsten aus Ihrer Sicht, die Xi Jinping nun anpacken muss in China?

    Sandschneider: Er erbt eine Aufgabe, die auch seine Vorgängerregierung gemeistert hat, und die Aufgabe heißt, das Land stabil zu halten, das Land auf einem Wachstumskurs zu halten, ohne die soziale und politische Stabilität zu gefährden. Das gilt nach innen wie nach außen. Und wenn immer wir jetzt hier über Reformen reden, weil wir Anpassungsschritte an diese Notwendigkeit erkennen, dahinter steckt immer das ausdrückliche Streben nach Stabilität.

    Dobovisek: Er will Wohlstand bringen, das haben Sie auch bereits angesprochen. Wie will er das schaffen, oder wie kann er das schaffen, wenn die Gefälle innerhalb Chinas so drastisch sind zwischen der armen Provinz und den Megacities, die reich sind?

    Sandschneider: Das ist eine der größten Herausforderungen für die chinesische Regierung, egal wie die im Einzelnen jetzt personell zusammengesetzt ist. Wir dürfen nicht vergessen: Was uns immer beeindruckt in den letzten dreieinhalb Jahrzehnten, ist natürlich der gewaltige Aufstieg Chinas. Der ist zu sehen in den Skylines der großen Städte, der hat aber auch eine negative Seite, und diese negative Seite drückt sich aus in massiver Umweltverschmutzung, sie drückt sich aus in sozialer Ungleichheit, sie drückt sich auch in regionalen Disparitäten aus. Das Amt von Xi Jinping zu übernehmen, ist alles andere als vergnügungssteuerpflichtig.

    Dobovisek: Sehen Sie den Wachstum Chinas vor zumindest einem vorübergehenden Aus?

    Sandschneider: Ein Aus natürlich nicht, aber die Schwierigkeiten werden größer. Die beginnen beispielsweise bei der Notwendigkeit, Ressourcenversorgung sicherzustellen für diesen Wachstumspfad, auch die sozialen Probleme, die das Land hat, einschließlich von entsprechenden Aufständen und Unruhen, die es gelegentlich gibt, im Griff zu behalten. Das alles greift letztlich ineinander und verlangt einen Balanceakt von der Regierung, wo man nur sagen kann, ein Kompliment vielleicht an die Leute, die das in den letzten 30 Jahren gemacht haben. Die haben es geschafft, China auf einen Wachstumskurs zu bringen und stabil zu halten. Man kann Xi Jinping und seiner Führung nur wünschen, dass ihm das auch gelingt. Aber eine Garantie gibt es da nicht und in der chinesischen Situation innenpolitisch reicht ein vielleicht sogar kleiner Fehler aus, um die Dinge mächtig in Bewegung zu bringen.

    Dobovisek: Aus Nordkorea sind jüngst schrille Drohungen zu hören in Richtung Südkorea und auch in Richtung USA. China verhielt sich dabei bislang eher ruhig und abwartend, zurückhaltend. Was erwarten Sie vom neuen Mann an Chinas Spitze?

    Sandschneider: Die Verärgerung generell in der politischen Elite in Peking über das Verhalten dieses problematischen Partners Nordkorea ist spürbar. Die dokumentiert sich auch in der Tatsache, dass China jetzt relativ undiskutiert auch Sanktionen, verschärfte Sanktionen im Weltsicherheitsrat durchgewunken hat. Das Interesse Chinas ist allerdings auch klar: Es bezieht sich auf Stabilität auf der koreanischen Halbinsel. Eine massive militärische Auseinandersetzung hätte auch unmittelbare Auswirkungen nicht zuletzt für Chinas Wirtschaft und für die Stabilität der gesamten Region. Nur stellt man fest: Selbst Peking als der einzig verbliebene Partner Nordkoreas hat auf das irre Regime in Pjöngjang nur einen begrenzten Einfluss. Aber die Priorität wird auch an dieser Stelle darauf hinauslaufen, sicherzustellen, dass keine größeren Irritationen und schon gar keine militärischen Auseinandersetzungen entstehen.

    Dobovisek: Sagt der Politikwissenschaftler Eberhard Sandschneider über Chinas neuen Staatschef Xi Jinping. Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Herr Sandschneider.

    Sandschneider: Bitte sehr.