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Daimler
Ende der Ära Zetsche

Von seinen Mitarbeitern wurde er zum beliebtesten Manager Deutschlands gewählt, er galt im Kreise der Auto-Bosse als glaubwürdig. Doch auch Dieter Zetsche wurde von der Diesel-Krise eingeholt. Heute hat der Daimler-Chef nach 40 Jahren seinen letzten Arbeitstag beim schwäbischen Autobauer.

Von Uschi Götz | 21.05.2019
Dieter Zetsche spricht bei der Eröffnung der Daimler-Vertretung in Solnechnogorsk
Letzter Arbeitstag bei Daimler: Dieter Zetsche (Alexey Kudenko/Sputnik/dpa )
Irgendwann hat er die Krawatte abgelegt, Lederschuhe gegen Turnschuhe getauscht und zeigte so auch nach außen den Kulturwandel, für den er längst im Unternehmen stand. "Back to the roots", zurück zu den Wurzeln, lautet die Maxime von Dieter Zetsche, und lautete sie schon 2006, als er Vorstandsvorsitzender beim schwäbischen Autobauer wurde.
Statt in der protzigen Konzernzentrale in Stuttgart-Möhringen zu residieren, zog es ihn an die Basis nach Untertürkheim, neben die Motorenwerke, zurück. Die Fahrzeugmodelle wurden in seiner Ära moderner, ihre Käufer wesentlich jünger.
"Bin total mir im Frieden"
Nach 13 Jahren an der Spitze hört er jetzt auf, wenige Worte braucht er für seine persönliche Bilanz:
"Ich weiß nicht, wie groß das Interesse an meinem Seelenleben ist. Aber ich kann ganz offen und klar sagen, dass ich total mit mir im Frieden bin."
Über 40 Jahre lang war der promovierte Ingenieur für den schwäbischen Autobauer in verschiedenen Bereichen unterwegs. Als neuer Chef der Marke mit dem Stern beendete er zunächst die glücklose Fusion mit dem US-Autobauer Chrysler. All das könnte er heute stolz erzählen, doch der Geige spielende, humorvolle Manager überlässt anderen die Bewertung seiner Arbeit. So sagen nicht wenige: Zetsche habe Daimler nach der Jahrtausendwende vor dem Untergang bewahrt. Auch während der Finanzkrise zeigte er bei dramatischen Zahlen Führungsqualität:
"Der Absatz wird weiter zurückgehen, für das Ergebnis des Konzerns und seiner Geschäftsfelder erwarten wir weitere erhebliche Belastungen."
Zur Nummer eins unter den Premiummarken
Schneller als geplant erreichte der Autobauer jedoch in der Folge das selbstgesteckte Ziel: 2016 verkaufte Daimler über zwei Millionen Fahrzeuge von der Marke Mercedes-Benz. Damit war man wieder die Nummer eins unter den sogenannten Premiummarken. 2017 verbuchte der Daimler-Konzern sein siebtes Rekordjahr in Folge. Neben der wirtschaftlichen Erneuerung bemühte Dieter Zetsche sich auch um ein neues Image für Daimler, was nicht immer gut ankam.
Mit aufgeklebten Zetsche-Bärten pfiffen Demonstranten beim Bundesparteitag der Grünen in Münster 2016 den Gastredner zunächst aus. Ein Vorwurf: Auch Daimler habe die Entwicklung in Richtung Elektromobilität verschlafen. Zetsche setzte zunächst auf Humor: "Ich lese zwar nur unregelmäßig taz, aber dafür öfter Twitter. Ein Tweet lautete, ich zitiere: 'Zwetschge zu Verkehrspolitik einladen, da könnte man ja auch Trump zum Thema Frauenpolitik reden lassen.'"
Zweimal bei Scheuer vorsprechen
Die Skeptiker müssten damit leben, dass die Automobilindustrie der mit Abstand bedeutendste Industriezweig Deutschlands ist, sagte Zetsche vor den grünen Delegierten. Noch war der Stuttgarter Autobauer zu dieser Zeit offiziell nicht vom Diesel-Skandal betroffen. Daimler halte sich grundsätzlich an die gesetzlichen Vorgaben und habe keinerlei Manipulationen an den Fahrzeugen vorgenommen, hatte Zetsche noch zu Beginn des Skandals erklärt.
Doch seit Anfang 2017 ermittelt die Staatsanwaltschaft Stuttgart auch gegen den Stuttgarter Autobauer, zweimal musste der Daimler-Chef zudem bei Bundesverkehrsminister Scheuer vorsprechen. Es folgte ein amtlich angeordneter Rückruf Hunderttausender Mercedes-Fahrzeuge. Und es wird nicht ruhiger, in einigen Motoren sollen jüngst bisher unbekannte Abschalteinrichtung gefunden worden sein.
Fast 300.000 Mitarbeiter sind beunruhigt, auch weil Zetsche ausgerechnet bei seiner letzten Jahrespressekonferenz noch einen Gewinneinbruch erklären musste: "Für Daimler war 2018 ein Jahr mit starkem Gegenwind: Von der anhaltenden Dieseldiskussion über die Umstellung auf das neue Testverfahren WLTP bis hin zum globalen Handelsstreit. All das hat sich auch in unseren Ergebnissen und in unserem Aktienkurs niedergeschlagen."
Mit Wind im Gesicht, aber im Frieden mit sich, tritt der 66 Jahre alte Top-Manager bei Daimler ab. Entwicklungschef Ola Källenius übernimmt den Vorstandsvorsitz und wird die vorbereitete Holding-Struktur umsetzen. In zwei Jahren könnte Zetsche als Aufsichtsratsvorsitzender zurückkehren. Doch erst einmal wartet ein neues Amt auf ihn: Der scheidende Autoboss wird wohl noch in dieser Woche zum neuen Aufsichtsratsvorsitzenden der TUI AG gewählt werden.