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"Dann fühle ich mich immer wie ein weiches Stück Butter"

Pilates, Yoga, Autogenes Training und Co boomen - auch an Deutschlands drittgrößter Uni ab – der Uni Münster. Das Yogastudium entspannt sozusagen das akademische Studium. Ein Blick hinter die Yogamatte.

Von Stephan Musholt | 13.08.2010
    "Fangen wir an mit unserer üblichen Einstiegsübung: Wir setzen uns aufrecht hin, strecken den Rücken, die Beine etwas verschränken. Und die Hände entspannt auf den Knien, das Kinn etwas zurück nehmen, den Hals strecken, die Lendenwirbelsäule auch gut gestreckt wahrnehmen ... "

    Mit ruhiger, entspannter Stimme führt Hochschulsport-Trainer Jan Burg durch seinen Yoga-Kurs. Zehn Studierende hocken im Schneidersitz auf ihren Matten und hören zu. Dann herrscht Ruhe im Übungsraum der Uni Münster. Die Studierenden müssen die Stellung halten. 20, 30 Sekunden. Halten, halten, halten, Muskeln Strecken, Bänder dehnen, ruhig atmen und halten, halten, halten. Das ist am Anfang sehr anstrengend, führt aber mit ein wenig Übung zum gewünschten Entspannungszustand. Um Entspannung geht es auch Studentin Julia. Sie hatte sich so viel Arbeit aufgehalst, dass ihr Körper anfing, sich zu wehren: Julia bekam Tinnitus, hört seitdem Pfeifgeräusche.
    "Das Studium war sehr stressig. Dann habe ich irgendwann eine Studenteninitiative gemacht, war da ein Jahr im Vorstand. Und so kam das dann."

    Viele Studierende wie Julia suchen in Yoga einen körperlichen Ausgleich zu ihren geistigen Belastungen. Yogakurse sind in den letzten Jahren derart beliebt geworden, dass der Hochschulsport Münster die Nachfrage kaum noch bedienen kann. Kursteilnehmerin Sarah erklärt sich das durch den allgemeinen Fitnesstrend.

    "Diese ganze Bio- und Gesundheitsbewegung. Klar, da passt das total rein. Der Stress, der zumindest subjektiv empfunden immer mehr wird, gerade für Studenten ist das sicherlich auch so mit Bachelor-/Masterumstellung. Klar, da ist das natürlich ne gute Möglichkeit, das ein Stück weit abzufangen."

    Gestresste Studierende, die ihren Ausgleich in Ausdauersport wie Joggen oder Schwimmen suchen, gehen oft auch in diesen Sportarten an ihre Grenzen. Höher, weiter, schneller – Yoga ist da ganz anders, erklärt Trainer Jan Burg.

    "Es geht auch um achtsame Wahrnehmung von Leistungsgrenzen. Man stellt sich ja auch oft vor, die Leute verrenken sich stark, dehnen sich stark, aber man muss da nicht sehr weit in diese Positionen kommen, um Yoga zu machen, sondern es geht mehr um diese achtsame, auch ehrliche Körperarbeit mit sich selber, und damit zur Ruhe zu kommen."
    Achtsame und ehrliche Körperarbeit heißt: die Yogastellung halten, ruhig ein- und ausatmen und den Körper dabei wahrnehmen. Das aktiviert die Muskeln, Sehnen, Bänder und Blutgefäße, kräftigt die Rückenmuskulatur und führt zu innerer Ruhe. Der Stress mindernde und orthopädische Effekt dieser Übungen ist medizinisch nachgewiesen. Deshalb fördern auch viele Krankenkassen Yoga-Präventionskurse. Bei regelmäßiger Teilnahme erstatten sie 80 Prozent der Kosten. So zahlen die Studenten bei Jan Burg nur 15 Euro pro Semester. Dafür gibt es anderthalb Stunden Yoga die Woche. Und tatsächlich: Die Yogaschüler aus Münster berichten bereits von ersten Erfolgen.

    "Ich merke es in der Haltung, in der Körperhaltung, dass ich gerader sitze und überhaupt vom Rücken her nicht mehr Rückenschmerzen habe und mich insgesamt ein bisschen fitter fühle. Man merkt einfach, dass man von der Ausdauer besser dabei ist, dass die Gelenkigkeit besser ist. Und man lernt auch mit der Zeit, wirklich dann sich auf die Atmung und Körperhaltung zu konzentrieren. Und man merkt auch wirklich, dass man vom Mentalen her, von der Konzentration, Vorteile hat."

    Dehnen und strecken. Eigentlich macht das jeder Mensch ein paar Mal pro Tag intuitiv auf dem Stuhl, weil es dem Körper gut tut. Yoga ist eine Systematisierung dieser wohltuenden Körperhaltungen. Deshalb ist es für die Teilnehmer auch einfach, viele Stellungen aus dem Kurs zuhause nachzumachen. Yoga-Trainer Jan Burg kennt eine Schreibtisch-Übung für jeden.

    "Was man auch einfach machen kann, natürlich, sich ein bisschen nach hinten rollen, wenn man jetzt so nen Rollschreibtischstuhl hat und die Handflächen an der Tischkante und einfach mal auch sich strecken. Wenn man nach hinten rollt, kommt man ja mit dem Oberkörper so nach vorne, die Schultergelenke öffnen. Und der Kopf kommt dann am Ende zwischen die Arme, da kann man sich mal so lang strecken. Und das kann auch wohltuend sein."

    Die meisten Übungen des Yogakurses sind bedeutend schwerer. Doch bei aller Anstrengung – für die Studierenden lohnt es sich, bis zum Schluss durchzuhalten, findet auch Teilnehmerin Sarah.

    "Also, das Schönste für mich ist, wenn ich am Ende entspannt auf dem Boden liege, in der sogenannten Kindhaltung, also wo man auf den Knien liegt, sich auf die Fersen setzt, und die Arme und den Kopf ablegt, dann fühle ich mich immer wie ein weiches Stück Butter."