Donnerstag, 25. April 2024

Archiv


Danzig und die Kosten der EM

Danzig hat darum gekämpft, die deutsche Nationalmannschaft unterzubringen - und sogar finanzielle Zugeständnisse gemacht. Die Stadt hat durch den Stadionbau große Schulden angehäuft und hofft nun, dass das Geld auch nach dieser EM wieder eingespielt wird.

Von Florian Kellermann | 22.06.2012
    "Ich war schon beim öffentlichen Training, aber da habe ich auf der falschen Seite des Stadions gesessen. Ich weiß nicht, warum die Deutschen hier so eine Festung aufgebaut haben. Irgendwann müssen sie doch mal rauskommen, die müssen sich doch langweilen da drinnen."

    Die Festung ist das Hotel der deutschen Nationalmannschaft im Norden von Danzig. Alle 50 Meter patrouilliert ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstes, der Zutritt zum Gelände ist streng verboten.

    Selbst das Fotografieren sei nicht erlaubt, sagt einer der Männer in den gelb leuchtenden Leibchen, dabei lässt sich hinter den dicht gestaffelten Bäumen gerade mal das Dach des Hotels erahnen. Die Abschottung der Nationalelf macht nicht nur die Pläne des Rentners Huzij zunichte, auch die Anwohner schimpfen. So Iwona Kawala, die den am nächsten liegenden Lebensmittelladen betreibt.

    "Ich habe nur Verluste. Im Sommer kommen normalerweise viele Spaziergänger vorbei, aber doch nicht, wenn die Deutschen hier alles abriegeln. Und auch die Einheimischen bleiben aus wegen dieser Europameisterschaft, weil sie jeden Abend in der Stadt, in der Fanzone verbringen."

    Aber die meisten Danziger, die nicht direkt betroffen sind, freuen sich über das Turnier. Die Gäste aus ganz Europa haben viele Musiker angelockt, die Lange Straße im Zentrum ist so lebendig wie selten. Iwona Dubrawa, eine Mathematiklehrerin, schaut den ausländischen Fans gerne beim Feiern zu.

    "Vor allem von den Iren können wir etwas lernen: Sie haben gefeiert, obwohl sie ausgeschieden waren. Gut ist auch, dass die Investitionen für das Turnier der Stadt bleiben, zum Beispiel die neuen Straßenbahnen. Aber nun müssen wir den Gürtel enger schnallen: Ich merke schon, dass zum Beispiel für die Schulen kein Geld mehr da ist."

    Tatsächlich hat sich Danzig wegen der EM hoch verschuldet. Im vergangenen Jahr sprang der Schuldenstand über die kritische Marke von 60 Prozent der Einnahmen. Ein Teil des Geldes floss in längst überfällige Investitionen, räumt auch die Opposition im Stadtrat ein, so in den Ausbau des Flughafens oder eine südliche Umgehungsstraße. Gespalten sind dagegen die Meinungen zum neuen Stadion, es sei völlig überdimensioniert, sagt Marek Formela, Vorsitzender der linksliberalen Oppositionspartei SLD in Danzig.

    "Kein Fußballverein in Polen kann bei Ligaspielen so ein Stadion mit über 40.000 Plätzen auch nur annähernd füllen. Durch diese Fußball-Liturgie, die uns jahrelang vorgesungen wurde, haben wir den Blick für die Realität verloren."

    Die Verschuldung werde spätestens im Herbst spürbar, so Formela. Es gebe Projekte, die kommunalen Steuern anzuheben.

    Die Stadtverwaltung hält dagegen, langfristig werde es sich auszahlen, dass Danzig durch das Turnier auf sich aufmerksam macht. Die vielen Berichte und Artikel in ausländischen Medien würden auch künftig mehr Touristen in die Ostseemetropole bringen.

    Das sieht auch Bazyli Huzij so, der Rentner, der sich inzwischen auf den Weg zurück durch den Wald gemacht hat. Aber erst einmal will er nicht über das Finale am 1. Juli hinaus denken.

    "Meine Hoffnung schwindet, dass ich noch die Unterschriften auf meinen Ball bekomme. Aber aufgeben tue ich nicht, solange die deutsche Nationalmannschaft da ist. Ich gehe jetzt heim zum Essen, und in zwei Stunden bin ich wieder hier."


    Portal UEFA EM 2012
    Spielplan der UEFA EURO 2012 (sportschau.de)