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Darf ein Muslim in der Schule beten?

Im November 2007 beteten Yunus M. und Andere im Berliner Diesterweg-Gymnasium. Die Schulleitung untersagte den Muslimen die Gebete. Nach zwei Prozessen, die Yunus M. anstrengte, stand gestern das Revisionsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig an.

Von Thomas Matsche | 01.12.2011
    Das öffentliche Interesse am sogenannten Gebetsraumprozess war enorm. Der große Saal des Bundesverwaltungsgerichts mit 250 Sitzen war bis auf den letzten Platz gefüllt. Vor allem mit jungen Menschen - Schülern, Studierenden. Darunter viele mit Migrationshintergrund. Einige zückten ihre Handys und fotografierten den 19-jährigen Yunus M., der nun seit vier Jahren für einen Gebetsraum an seinem Berliner Diesterweg-Gymnasium klagt. In der Verhandlung ging es im Kern darum, ob die Ausübung der Religionsfreiheit den Schulfrieden beeinträchtigt. Das Berliner Oberverwaltungsgericht hatte im Mai 2010 gegen einen Gebetsraum entschieden, weil es die Gefahr sah, dass der Schulfriede damit gestört worden wäre. Die Bundesrichter folgten gestern diesem Urteil und wiesen damit das Revisionsverfahren zurück.
    Yunus M. wollte zum Urteil nichts sagen. Für ihn sprach sein sichtlich enttäuschter Rechtsanwalt Bülent Yasar.

    "Es kommt vor, dass man obsiegt oder dass man unterliegen kann. Dass der Schulfrieden gestört war, das haben wir nicht so gesehen. Das hatten wir auch vorgetragen. Das wurde leider unberücksichtigt gelassen. Das ist das Einzige, was uns nicht befriedigt, ansonsten nehmen wir die Sache normal auf, also ganz normal."

    Allerdings entschieden die Bundesrichter nur in diesem konkreten Fall gegen den Kläger. Grundsätzlich unterbinden solle man Gebete an Schulen nicht, wenn es entsprechende Orte dafür gibt und der Schulfrieden nicht gestört wird. Ein allgemeiner Anspruch erwachse daraus aber nicht. Ziel sei es vielmehr, so die Richter, religiöse Zusammenhänge in der Schule zu vermitteln, ohne sie einseitig zu bewerten. Das ist auch für den Gewinner des Verfahrens, dem Land Berlin, eine nicht ganz einfache Aufgabe. Ludger Pieper, leitender Oberschulrat am Berliner Senat.

    "Das Gericht hat bestätigt, dass grundsätzlich die Möglichkeit der Religionsausübung und auch des Gebetes in den Schulen gegeben ist. Und dass es von den Umständen des Einzelfalles abhängt, wie damit umgegangen werden kann. Wobei hier nur die Wahrung des Schulfriedens, also die Vermeidung von Konflikten, die zur Unterrichtsstörung oder zur Störung im Schulleben führen können, vom Gericht als eine Möglichkeit der Einschränkung angesehen wurde. Das war in diesem konkreten Fall gegeben. Das heißt aber nicht, dass das in jedem anderen Fall auch voraussetzungslos bereits gegeben wäre. Und das ist immer eine nicht leichte Aufgabe für eine große Zahl von Schulen mit unterschiedlichsten Verhältnissen dann Lösungen zu finden, die jedem Einzelfall auch gerecht werden."

    Ludger Pieper versprach deshalb, dass der Senat in den nächsten Wochen eine Broschüre für die Schulen entwickeln werde, wie mit diesen verschiedenen Einzelfällen umgegangen werden kann.
    Ein verzwickter Fall - finden auch die Prozessbesucher, sodass ihr Urteil zum Urteil ganz unterschiedlich ausfällt.

    "Ich finds vom Rechtlichen her sehr interessant. Aber mit der Begründung kann man sich zufriedengeben. Der Schulfrieden steht halt an höherer Stelle denn es sind mehrere Schüler betroffen und nicht nur der Eine, sondern die Gesamtheit sollte beachtet werden und nicht nur der Einzelfall dann immer."

    "Es ist ein bisschen sehr überzogen. Ich meine in so einer Schule, wo fast über die Hälfte Muslime sind, denke ich nicht, dass es irgendjemanden stören würde, der fünf Minuten in der Ecke betet."
    Eine nächsthöhere Instanz gibt es nun nicht mehr. Jetzt bleibt Yunus M. nur noch die Verfassungsbeschwerde. Ob der Schüler diesen Weg noch gehen werde, wollte sein Anwalt gestern aber nicht sagen.