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Darmkeime gegen Diabetes

Ein Keim in der menschlichen Darmschleimhaut beeinflusst womöglich die Entstehung von Diabetes Typ II. Das haben Forscher der Universität Louvain in Brüssel herausgefunden. Ein hohes Vorkommen der sogenannten Akkermansia-Bakterien schützt demnach vor der Zuckerkrankheit.

Von Christine Westerhaus | 14.05.2013
    Akkermansia muciniphila gehörte bisher nicht gerade zu den Berühmtheiten unter den Bakterien. Erst 2004 haben Forscher diesen Keim in der menschlichen Darmschleimhaut entdeckt. Doch dann wurde den Forschern schnell klar, dass Akkermansia ein wichtiger Drahtzieher im Darm ist. Offenbar kontrolliert dieses Bakterium hier eine wichtige Barriere: Patrice Cani von der katholischen Universität Louvain in Brüssel und seine Kollegen haben das zumindest bei Mäusen gezeigt:

    "Wir haben beobachtet, dass Akkermansia in fettleibigen Mäusen seltener vorkommt. Gleichzeitig haben wir gesehen, dass diese Tiere keinen Typ II Diabetes entwickeln, wenn wir ihnen Akkermansia Bakterien verabreichen. Dieser Keim lebt in direkter Gesellschaft mit den Zellen der Darmwand und sendet Signale an diese aus. Offenbar hat er eine Art Wächterfunktion – er beeinflusst die Durchlässigkeit der Darmwand und kommuniziert mit den unterschiedlichen Bakterien im Darm."

    Die Darmwand ist eine wichtige Barriere im Körper. Sie hilft ihm, sich von den Bakterien und dem Geschehen im Darm abzugrenzen. Wird diese Barriere undicht, können Keime und ihre Stoffwechselprodukte leichter in das Innere des Körpers gelangen und dort Entzündungen auslösen. Offenbar hilft Akkermansia dem Organismus, diese Grenzschicht zu verstärken.

    "Wir wissen, dass Akkermansia in der Darmschleimhaut lebt und wir haben tatsächlich beobachtet, dass diese Schleimschicht bei fettleibigen Mäusen abnimmt. Als wir den fettleibigen Mäusen Akkermansia Bakterien verabreichten, wurde diese Schleimschicht wieder dicker und hat gleichzeitig das Wachstum der Keime angeregt. Wir gehen deshalb davon aus, dass es über diese Wechselwirkung eine direkte Verbindung gibt zwischen bestimmten Darmbakterien und der Entstehung von Fettleibigkeit, Entzündungen und Typ-II-Diabetes."

    Tatsächlich haben Cani und seine Kollegen in früheren Studien beobachtet, dass sogenannte Lipopolysaccharide, die von Bakterien produziert werden, im Körper Entzündungen und Typ-II-Diabetes auslösen können. Offenbar gelangen diese Stoffe leichter in den Körper, wenn die Darmbarriere geschädigt ist. Einen ganz ähnlichen Zusammenhang haben Forscher auch bei anderen Stoffwechselkrankheiten gefunden. Bei Morbus Crohn und anderen entzündlichen Darmerkrankungen ist die Darmwand ebenfalls durchlässiger für Bakterien und deren Stoffwechselprodukte. Sie gelangen deshalb in die Darmwand und rufen dort Entzündungen hervor.

    "Auch bei Menschen mit Morbus Crohn kommt Akkermansia seltener vor, bei manchen Patienten lässt es sich gar nicht nachweisen. Vielleicht können wir also die Barriere im Darm mithilfe dieses Bakteriums wiederherstellen."

    Klar ist aber, dass vor allem die Ernährung darüber entscheidet, welche Bakterien sich im Darm tummeln. Zwar konnten Cani und seine Kollegen zeigen, dass Akkermansia-Bakterien die Effekte einer fettreichen Diät bei Mäusen abschwächen können. Doch der Forscher glaubt nicht, dass sich fettleibige Menschen in Zukunft darauf verlassen sollten, dass sie allein dieser Keim vor Diabetes schützt.

    "Ich persönlich glaube nicht, dass wir Typ-II-Diabetes und Fettleibigkeit auf diese Weise behandeln können, während wir gleichzeitig Junkfood essen. Wir sollten uns sorgfältige Gedanken über unsere Essgewohnheiten machen, denn sogar bei Krankheiten wie Autismus gibt es Hinweise darauf, dass sie mit Störungen in der Bakteriengemeinschaft im Darm zusammenhängen."

    Immerhin haben Cani und seine Kollegen aber gezeigt, dass Akkermansia einen gewissen Schutz vor solchen Störungen bieten kann.

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