Donnerstag, 25. April 2024

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Das achte Weltwunder ist zurück

Karin Fischer: Meine Kollegin Sabine Adler hat die Kopie dieses Mythos schon gesehen, und ich habe sie gefragt, wie prachtvoll der Raum denn wirkt?

Sabine Adler im Gespräch | 13.05.2003
    Sabine Adler: Nun muss ich dazu sagen: Bernstein muss man mögen. Es ist beeindruckend, in diesem Raum zu stehen, der tatsächlich über und über mit Bernstein beklebt beziehungsweise gestaltet ist. Dazwischen sind Mosaike, die ja auch kopiert worden sind, von denen eins im Original wieder aufgetaucht ist, nämlich das "Fühlen und Riechen", und dazwischen gibt es auch Spiegel und eben die Fenster. Ansonsten ist alles um einen herum in Bernstein gefasst, und das ist schon ein warmer, ein goldener Eindruck. Man kann sich dafür sicherlich erwärmen. Wenn man ein bisschen genauer hinschaut, wenn man wirklich versucht, diese Details zu erkennen, und sorgfältig schaut, dann erschließt sich meiner Meinung nach dieses Bernsteinzimmer erst wirklich, denn dann sieht man, dass es zum Beispiel ganz kleine Gravuren gibt, die Landschaftsszenen darstellen, die Portraits darstellen, das heißt also, dann kommt das Kunstwerk im Kunstwerk oder das Kunstwerk im Handwerk. Man sieht Figuren, die kleine Skulpturen darstellen, sehr schöne ausgearbeitete Reliefs, und wenn man sich dafür Zeit nimmt, dann, denke ich, wird klar, dass nicht nur Handwerker am Werk waren, sondern tatsächlich russische Künstler, die das sehr gekonnt und mit sehr viel Liebe gemacht haben und vielleicht sogar - das sagen sie zumindest selbst von sich - technisch besser gemacht haben, denn zu Katharinas Zeiten war es wohl so, dass dieses Bernsteinzimmer immer ein wahres Ärgernis gebildet hat, denn es ist so gewesen, dass dieser Klebstoff, mit dem der Bernstein, diese vielen Plättchen auf den Holzplatten aufgeklebt worden sind, ausgetrocknet ist. Er ist spröde geworden, und die Plättchen fielen einfach immer wieder runter und mussten neu aufgeklebt werden. Das hat man jetzt anders gemacht. Man hat einen gummierten Klebstoff verwendet und aus der Luftfahrt hochspezialisierte Holzplatten, die sich nicht mehr verziehen können, und man wird wahrscheinlich jetzt etwas mehr Freude daran haben.

    Karin Fischer: Das heißt, wenn wir beim Komplex Original und Kopie bleiben, die Kopie ist sozusagen technisch besser als das Original?

    Sabine Adler: Das muss man auf jeden Fall sagen. Sie ist aber dennoch nur eine Kopie, weil die Meister eben tatsächlich auf die alte Handwerkskunst aus dem 17. beziehungsweise aus dem 18. Jahrhundert zurückgegriffen haben. Sie haben sich an das gehalten, was man damals mit Bernstein machte, und das folgte eben zum Beispiel nicht der Schönheit des Steines, also dass man schaut, dass man Einschlüsse zum Beispiel erhält und sie zeigt, das Licht durchfallen lässt, sondern die Herangehensweise ist gerade umgekehrt. Der Stein muss gehorchen, haben die Handwerker damals gesagt, und deshalb sind sie eigentlich ziemlich rabiat mit ihm umgegangen. Sie haben zum Beispiel die Steine regelrecht in Plättchen zerschnitten und haben sie dann so gefärbt, wie sie es brauchten, also jetzt nicht mit Farbe und Pinsel, aber zumindest mit Temperaturen, nicht mehr als 140 Grad, denn dann schmilzt der Stein, und dann kriegt man ganz unterschiedliche Farbtöne hin.

    Karin Fischer: Wir haben von dieser unglaublichen Verlustgeschichte des Bernsteinzimmers gehört. Jetzt ist es mit großer finanzieller Unterstützung der Essener Ruhrgas AG wieder aufgebaut worden, wieder errichtet worden, also auch eine Art Geschenk Deutschlands an die Petersburger im Vorfeld des 300. Geburtstags der Stadt, aber welche Rolle spielt das Zimmer für die russische Geschichte beziehungsweise für die Russen heute?

    Sabine Adler: Also ich glaube, das Bernsteinzimmer ist in seiner emotionalen Bedeutung nicht so wichtig wie für uns vielleicht, für Deutschland. Es ist schon so, dass der Beitrag der Ruhrgas AG als ein großer Beitrag geschätzt wird, dass man ihn heute auch noch mal gewürdigt hat, aber man darf nicht vergessen, den größeren Teil, nämlich zwei Drittel, hat die russische Seite finanziert für die Erstellung dieser Kopie. Für die Besucher, die das Zimmer gesehen haben, während es entstand - es war zwischenzeitlich mal geschlossen, dann aber auch wieder geöffnet, und man konnte sozusagen den Fortgang der Arbeiten beobachten -, war es so, dass sie eben bei ihrem Gang durch die vielen Säle des Katharinenpalastes das Bernsteinzimmer als ein Juwel, als eine Perle betrachtet haben, aber eben eigentlich als eine Perle von vielen.

    Karin Fischer: Vielen Dank für das Gespräch.

    Zitat: Der russische Kulturminister Michail Schwydkoj als Real-Audio

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