Dienstag, 23. April 2024

Archiv


"Das Adlon ist wie eine abgeschlossene Insel"

Beim ZDF-Dreiteiler über das Berliner "Adlon" konnte Regisseur Uli Edel auf Kindheitserfahrungen zurückgreifen: Auch seine Eltern führten ein Hotel. Filmisch wollte er mit der Familiensage an einem Projekt arbeiten, das "ganz direkt mit Gefühlen arbeitet".

Mit Petra Marchewka | 04.01.2013
    Das Adlon ist nicht irgendein Hotel. Das luxuriöse Haus, heute allererste Adresse für betuchte Berlinreisende, wurde 1907 mit Unterstützung Kaiser Wilhelm II. im Zentrum der Stadt gegründet, überdauerte drei politische Systeme, wurde zerstört und wieder aufgebaut. Das Hotel und die Menschen, die hier ein und aus gingen, deren private Schicksale und historische Relevanz sind ein gefundenes Fressen für Filmschaffende wie den Produzenten Oliver Berben, der schon vor zehn Jahren erste Ideen zu einer Verfilmung entwickelt hat. Jetzt ist sein Dreiteiler fertig: "Das Adlon. Eine Familiensaga" lautet der Titel, zu sehen im ZDF am 6., 7. und 9. Januar jeweils um 20.15 Uhr.

    Die Regie bei diesem opulenten Hotelfilm, der die Geschichten der realen Familie Adlon mit der fiktiven Familie Schadt über vier Generationen verbindet, führte Uli Edel, der durch Kinofilme wie "Wir Kinder vom Bahnhof Zoo", "Letzte Ausfahrt Brooklyn" oder "Der Baader Meinhof Komplex" bekannt geworden ist. Edel hat viel und erfolgreich in den Vereinigten Staaten gearbeitet, steht für solide Qualität und kann, so erzählt man sich innerhalb der Branche, Schauspieler zu Höchstleistungen bringen. Und da konnte er sich beim Adlon-Dreiteiler so richtig austoben: 270 Filmminuten waren zu füllen, 103 Rollen zu besetzen und eine illustere Schauspielerriege mit Heino Ferch, Marie Bäumer, Jürgen Vogel, Wotan Wilke Möhring oder Burghart Klaußner zu führen. Petra Marchewka hat den "Hotel-Kenner" Uli Edel getroffen.



    Petra Marchewka: Wie verhalten Sie sich in Hotels, Herr Edel? Gehören Sie zu denen, die reinkommen und erstmal alles umräumen und alles neu machen, damit Sie's schön gemütlich haben?
    Uli Edel: Grundsätzlich muss ich sagen: Ich hab die letzten 30, fast 40 Jahre fast nur in Hotels gewohnt, weil in dem Beruf ist man halt dauernd unterwegs und verbringt Monate im Hotel. Also, wenn ich weiß, ich bleibe eine längere Zeit im Hotel, dann richte ich mir das natürlich schon ein. In der Regel brauche ich einen großen Bildschirm, ich brauche einen Videorekorder, das ist das Allerwichtigste, es ist ja dann ein Zuhause, das man sich da schafft. Aber auf der anderen Seite: Ich kenne das nicht nur als Gast. Ich bin selber aufgewachsen in der Gastronomie, meine Eltern hatten einen Restaurant- und Hotelbetrieb, deshalb habe ich an Adlon schon sehr früh gearbeitet, weil mich das nicht nur interessiert hat, weil es das Adlon ist, sondern ich mir schon immer vorgestellt hatte, dass man an so einem Haus die Möglichkeit hat, das Hotel wie eine Bühne zu benutzten. In dem Leute durch die Drehtür rein- und rausgehen, Auftritte haben, Abgänge haben, ich kenne das Personal sehr gut, weil ich selber irgendwann mal dazugehörte. Wir hatten einen Familienbetrieb, und ich mochte diese Leute, ich liebte sie, ich bin mit ihnen aufgewachsen, und ich habe in vielen dieser Figuren immer versucht, mich zu erinnern an lebende Figuren aus meiner Jugend, die ich kannte.

    Marchewka: Wo hatte Ihre Familie denn das Hotel?

    Edel: Unten bei Freiburg, im Badischen.

    Marchewka: In Neuenburg? Kann das sein?

    Edel: Ja, in Neuenburg, meine Mutter hatte dort ein Restaurant und mein Bruder hatte ein Hotel, das nicht in Neuenburg war, und meine nahen Verwandten, Onkels, die hatten gleich im nächsten Ort auch zwei Hotels, sodass ich eigentlich in diesem Klima, in diesem Umfeld aufgewachsen bin und von daher auch viele Geschichten erzählen konnte.

    Marchewka: "Und, sagen Sie, das Adlon, ist Ihnen das als Gast schon mal untergekommen? Waren Sie da mal einquartiert, im Adlon?
    Edel: Ja, natürlich habe ich ein paar Mal schon da gewohnt, es ist ja doch heute ein anderes Adlon, als es damals war, jetzt gehört es zur Kempinski-Kette, es ist nicht so, wie es damals war, damals war es ein Familienbetrieb, es waren die Adlons, die das Hotel geprägt haben, was ich ja auch in dem Dreiteiler erzähle.

    Marchewka: Was ist es genau, was Sie an diesem Thema so gereizt hat? Wenn man sich in einem Hotel aufhält, dann hat man ja oft das Gefühl, die Wände könnten Geschichten erzählen, und man stellt sich vor: Wer ist hier alles durchgerauscht? Das atmet ja einen gewissen Geist. Oder ist es das Adlon selber, weil es so ein historischer Ort ist, weil dort so viele historische Persönlichkeiten durchmarschiert sind?

    Edel: Ich glaube, es ist auch der Platz. Das Adlon steht am Pariser Platz am Brandenburger Tor. Am Brandenburger Tor ist nun mal Geschichte geschrieben worden im 20. Jahrhundert. Dort hat sich Geschichte manifestiert. Ob das der Kaiser war, ob das in den 20er Jahren die Auseinandersetzung zwischen den Rechten und den Spartakisten, den Kommunisten und den anderen Oppositionellen war, dort hat sich das immer abgespielt. Dort gab es blutige Straßenschlachten, vor dem Hotel Adlon, vor dem Reichstag, am Brandenburger Tor.

    Marchewka: So wird das Hotel zu einer Art Brennglas für das gesamte Jahrhundert.

    Edel: Dabei ist das Adlon immer ein eigener Ort, wie eine abgeschlossene Insel. Wenn sie durch die Glastüre reingetreten sind, waren sie in einer anderen Welt.

    Marchewka: Ja, die Gästeliste, wenn man sich die anguckt, die ist wirklich grandios. Rockefeller, Henry Ford, Marlene Dietrich, Charly Chaplin, wo erzählt wird, er habe beim Eintreten in das Adlon erstmal seine Hose verloren, weil ihm draußen die Fans die Knöpfe abgerissen hatten, solche Anekdoten gibt es ganz viele, und die sind ja ein gefundenes Fressen für einen Filmemacher.

    Edel: Ich wollte jetzt nicht so ein Abhaken von irgendwelchen Klatschgeschichten machen, es gibt da eine Episode mit dem Kaiser zum Beispiel und der Madame Otero, die ich in einer Version gezeigt habe, es gibt aber von dieser Version, die sie im Film sehen, noch drei andere, ich habe natürlich die interessanteste gewählt. Ob sie nun genau so der Wahrheit entsprechen oder ob auch etwas Dichtung dabei ist, sei jetzt mal dahin gestellt. Das Ganze ist ja sowieso eine Mischung aus Dichtung und Wahrheit. Es gibt diese zwei Familien, eine die Adlons, eine reale Familie und die Schadts, eine fiktive Familie.

    Marchewka: Wozu war das nötig? Es hätte vielleicht auch gereicht, so eine imposante Familie mit einer großen Geschichte, diese Figuren allein in den Fokus zu nehmen. Warum musste da noch eine dazu erfunden werden?

    Edel: Ich hatte vor etwa zehn Jahren an einem Dreiteiler gearbeitet in englischer Sprache, auch über das Adlon, wo ich mich nur an die Familie Adlon hielt. Und habe festgestellt: Es ist sehr schwierig, daraus einen Dreiteiler zu entwickeln. Weil sie arbeiten da mit Leuten, die wirklich gelebt haben, und ich fand, dass es nicht unbedingt allein für einen Dreiteiler reichen würde.

    Marchewka: Weil man dann diesen realen Persönlichkeiten nicht zu nahe treten mag mit filmischer Fantasie? Oder was hat Sie da abgehalten?"

    Edel: Wenn sie mit realen Figuren arbeiten, die haben alle ihr Persönlichkeitsrecht. Sie müssen dann schon einigermaßen bei der Wahrheit bleiben. Und mir ging es darum, dass ich eine fiktive Geschichte erzähle, Figuren erzähle, die zum Beispiel aus mehreren Charakteren zusammengesetzt sind. Figuren, die ich kannte, die mir geläufig waren aus dem Hotelleben, aus meiner eigenen Erfahrung, als ich aufgewachsen bin, ich wollte bestimmte Charaktere da reinbringen.

    Marchewka: Herr Edel, Sie haben ja in diesem Film mit 103 Schauspielern, Komparsen kommen noch oben drauf, jongliert, kann man sagen, es ist die große Riege des deutschen Films, einige Namen nur: Heino Ferch, Marie Bäumer, Wotan Wilke Möring, Katharina Wackernagel, viele, viele mehr, und Sie konnten richtig schwelgen in diesem Darstellerpool. Hat das die Regiearbeit eher verkompliziert oder erleichtert?

    Edel: Natürlich hat es sie erleichtert. Ich muss ihnen ja nicht erst beibringen, wie man schauspielert. Es hat mich natürlich auch gereizt. Wir haben ja lange gesucht und ich habe mir genau überlegen müssen, wer kann denn wirklich so etwas spielen. Zum Beispiel die Josephine Preuss, die ist ja 26 Jahre alt, die muss eine 15-Jährige am Anfang spielen und am Ende eine 50-Jährige. Das ist natürlich für eine 26-jährige junge Schauspielerin eine riesige Herausforderung. Und die Josephine hat das bravourös gemeistert.

    Marchewka: Es sind ja aber auch einige Rollen mit verschiedenen Personen besetzt. Sodass ich mir vorstellen kann, dass es für Sie kompliziert gewesen ist, dort ständig den Gesamtüberblick zu behalten und das so zu fügen, dass es für den Zuschauer ein konstantes Bild ergibt. Zumal Sie ja nur sehr wenig Drehtage hatten, es waren 75 Drehtage, meine ich.

    Edel: Ja, genau, man hat dann doch relativ schnell arbeiten müssen, 24 Drehtage für 100 Minuten sind sehr wenig. Da ist man als Regisseur natürlich schon froh, wenn die Leute wirklich ihr Handwerk verstehen.

    Marchewka: Das letzte sehr große Projekt, was hier einem großen Publikum bekannt ist, ist natürlich der Baader Meinhof Komplex. Jetzt das. Ist ja vom Genre etwas komplett anderes. Hatten Sie mal Lust auf so ein richtiges Melodram, mit viel Liebe und Gefühl?"

    Edel: Das hat schon mit der Lust auch zu tun, dass ich wirklich einen Film machen wollte, der ganz direkt mit Gefühlen arbeitet. Der die Gefühle anspricht und nicht davor zurück schreckt, auch Gefühle zu zeigen. Ich hab ja vor vielen Jahren mal angefangen als Assistent von Douglas Sirk, der der Meister des Melodrams war, und habe ein bisschen auch an ihn zurückgedacht, wie er das wohl gemacht hätte, und das hat mir dann schon geholfen.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.