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Das amtliche Ende des Kalten Krieges

Viele Tschechen und Slowaken empfanden am 1. Juli 1991 große Genugtuung. Denn an jenem Montag löste sich der Warschauer Pakt auf. Nur ein Mal war das östliche Militärbündnis zum Einsatz gekommen: Als es darum ging, die Reformbewegung des Prager Frühlings niederzuschlagen. Initiiert wurde der Warschauer Pakt von der Sowjetunion, die in ihm das Gegenstück zur westlichen NATO sah.

Von Ralf Geißler | 01.07.2011
    Vaclav Havel war guter Laune. Lächelnd empfing der Präsident der Tschechoslowakei am 1. Juli 1991 Vertreter aus der Sowjetunion, aus Bulgarien, Polen, Rumänien und Ungarn in Prag. Sie waren gekommen, um eine Ära zu beenden. Zwölf Uhr mittags setzten sie ihre Unterschrift unter das Auflösungsprotokoll des Warschauer Vertrages. Damit war das Militärbündnis Geschichte, das im Westen stets Warschauer Pakt genannt wurde. Havel trat vor die Presse:

    "Unsere heutige Entscheidung ist wirklich historisch. Wir nehmen endgültig Abschied von der Ära, als Europa geteilt war durch ideologische Unverträglichkeit. Vor uns sehen wir die Vision eines geeinigten, demokratischen, gerechten und friedlichen Europa."

    1955 war der Warschauer Pakt gegründet worden – mitten im Kalten Krieg. Schon seit 1949 gab es im Westen die NATO. Als dort auch die Bundesrepublik beitreten sollte, kündigte die Sowjetunion ein eigenes Militärbündnis mit den Ostblockstaaten an. Für die DDR nahm Ministerpräsident Otto Grotewohl an der Gründung teil:

    "Der Abschluss des Warschauer Vertrages ist eine kraftvolle Demonstration des Friedens- und Verständigungswillens der beteiligten Staaten. Er zeigt, dass die Kräfte des Lagers des Friedens, der Demokratie und des Sozialismus gewaltig gewachsen sind."

    Die Mitglieder versprachen sich Beistand, falls sie angegriffen würden. Der Pakt war ein reines Militärbündnis. Für den wirtschaftlichen Austausch mit den Ostblockstaaten und anderen Verbündeten hatte die Sowjetunion schon 1949 den Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe gegründet, der sich ebenfalls 1991 auflöste.

    Die politische Richtung des Warschauer Pakts wurde stets in Moskau bestimmt. Dort saßen die Gremien. Das Oberkommando führte ein sowjetischer General. Nur einmal rief der Warschauer Pakt den Bündnisfall aus, um 1968 in der Tschechoslowakei die Reformbewegung des Prager Frühlings niederzuschlagen. Der Westen war erschüttert. Und: Albanien trat aus dem Warschauer Pakt aus. Die Sowjetunion versuchte weiterhin, mit der Entschlossenheit ihres Bündnisses zu beeindrucken – durch das größte Übungsmanöver des Warschauer Pakts. Es fand 1980 in der DDR statt.

    "Das Manöver Waffenbrüderschaft 80 ist in vollem Gange. Es wird deutlich machen, wie die Armeen des Warschauer Vertrages ihre Kampfkraft und die Fähigkeit erfolgreichen Zusammenwirkens unter den Bedingungen moderner Gefechtshandlungen stetig vervollkommnen."

    Zehn Jahre später war der Kalte Krieg vorbei. Ost und West redeten nun über Abrüstung und die deutsche Wiedervereinigung. Die DDR bereitete 1990 ihren Austritt aus dem Warschauer Pakt vor. Abrüstungsminister Rainer Eppelmann beschrieb, wie die Sowjetunion die Ankündigung aufgenommen hatte.

    "Ich glaube, dass das ein Tatbestand ist, mit dem sie auch leben, sicher nicht Hosianna rufend. Auf den sie sich einrichten. Und ich hoffe bloß, dass sie die Konsequenz daraus ziehen, dass auch sie aufpassen, dass sie in dem Zug nach Europa drin bleiben und nicht draußen davor stehen bleiben."

    An ein Ende des Warschauer Pakts dachte in Moskau 1990 allerdings kaum jemand. Das betonte der sowjetische Armeegeneral Pjotr Luschew:

    "Solange das nordatlantische Bündnis existiert, muss auch der Warschauer Vertrag bestehen. Das ist für uns wichtig. Und deswegen steht vor den Mitgliedern des Warschauer Vertrages die Aufgabe, solange der Warschauer Vertrag besteht, auch ihre Bündnisverpflichtungen zu erfüllen."

    Doch die osteuropäischen Staaten hatten daran kein Interesse. Am 1. Juli wurde der Warschauer Vertrag aufgelöst. Für den letzten Akt kamen die Staats- oder Regierungschefs der verbliebenen Mitglieder nach Prag. Mit einer Ausnahme: Der sowjetische Präsident Michael Gorbatschow ließ sich von seinem Vize vertreten. Viele seiner Landsleute empfanden das Ende als demütigend. Zumal die NATO nicht nur weiter existierte, sondern sich auch auf das Gebiet des Warschauer Pakts ausdehnte.