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Das Anti-Euro-Zünglein an der Wahl-Wage

Für Angela Merkel könnte die AfD noch unangenehm werden: Koalieren will die Kanzlerin mit der Anti-Euro-Partei auf keinen Fall. Doch die AfD könnte Schwarz-Gelb die nötigen Stimmen zur Mehrheit abjagen. Parteichef Bernd Lucke nutzt die Wahlkampfbühne geschickt.

Von Stefan Maas | 17.09.2013
    "Frau Merkel steht da hinten bei dem großen Laster."

    Und schaut – das Brandenburger Tor im Rücken - seelenruhig dabei zu, wie Mario Draghi, der Chef der Europäischen Zentralbank und seine Helfer 500-Euro-Scheine in einer alten, rostigen Tonne verbrennen. Hin und wieder wackelt die Bundeskanzlerin mit ihrem großen Pappkopf, während Draghi, der mit schwarzem Anzug und Sonnenbrille aussieht wie ein Mafioso, genüsslich an einer Zigarre zieht. Geldscheine fliegen durch die Luft, bleiben auf den Regenschirmen der Zuschauer liegen.

    Aber die Rettung naht: Es ist Bernd Lucke, der Vorsitzende der eurokritischen Partei AfD. Der "Alternative für Deutschland". Er steht an diesem regnerischen Montagvormittag auf dem Dach eines alten Feuerwehrfahrzeugs, während seine von Kopf bis Fuß in Blau gekleideten Helfer das Feuer löschen und Angela Merkel und Mario Draghi von den aufgestapelten Kisten mit Papiergeld fernhalten.

    Den Anhängern der AfD gefällt das Spektakel. Sie feiern den schlanken Wirtschaftsprofessor aus Hamburg mit seinem jungenhaften Lächeln. Hören gebannt zu, wenn er erklärt:

    "In Deutschland und der Europäischen Union findet derzeit die größte Geldvernichtung statt seit der Inflation von 1923!"

    Für viele ist es nicht das erste Mal, dass sie diese Botschaft hören. Aber sie können sie nicht oft genug hören. Denn für sie ist die AfD die einzige Partei, die den Bürgern die Wahrheit sagt. Sie sind überzeugt:

    "Dass wir verschaukelt werden durch die Machthaber. Unser Geld abgezogen wird. Und dem muss Einhalt geboten werden."

    "Ich war noch nie politisch irgendwie aktiv. Aber jetzt hat es mich gepackt. Weil ich richtig Angst habe. Vor diesem Europa. Vor diesem Euro-Europa."

    Diese Sätze fallen oft. Nicht nur an diesem Vormittag, nicht nur bei den Zuschauern. Auch bei denen, die sich für die Partei engagieren. Viele haben früher CDU gewählt, FDP, auch Linkspartei und SPD. Manche waren Parteimitglieder. Lucke selbst über 30 Jahre in der CDU. Seit ihrer Gründung im April hat die junge Partei rund 17.000 Mitglieder und Unterstützer gewonnen und wächst nach eigenen Angaben täglich um 20 bis 30 Mitglieder.

    Schaut man sich um bei den Veranstaltungen, dann sind es die Begriffe bürgerlich und konservativ, die einem als Erstes einfallen. Und da sind es besonders die älteren und die ziemlich jungen, erzählt einer aus der Parteiführung. Vom politisch rechten Rand distanziert sich die Parteispitze vehement, Mitgliedsanträge werden genau geprüft, heißt es. Ehemalige Parteigänger von rechtsradikalen Parteien wie der NPD sind nicht erwünscht. Doch die Partei wird kritisch beäugt. Auch von ausländischen Medien.

    Keinesfalls, sagt Parteichef Lucke auf die Frage einer britischen Reporterin, ob die AfD sich von der Europäischen Union abwende. Sie sei sogar sehr europafreundlich. Nur der Euro, der müsse eben weg. Denn mit dem werde es für Deutschland immer noch teurer. Daher sollten am besten die Südländer den Euroraum verlassen – oder einen Südeuro einführen. Manche in der Partei wünschen sich auch die D-Mark zurück. Aber bei diesem Punkt ist es wie bei vielen anderen Themen: Die Partei hat zwar ein Wahlprogramm, ein Parteiprogramm hat sie noch nicht. Und so sind die Positionen noch nicht genau abgesprochen. Sind eng verbunden mit den im wissenschaftlichen Beirat dafür zuständigen Personen. Und dort tummeln sich altbekannte Gesichter. Wie der emeritierte Professor für Volkswirtschaftslehre, Joachim Starbatty, der vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro und gegen den Rettungsmechanismus ESM geklagt hat.

    Schafft es die Alternative für Deutschland am kommenden Sonntag, die Fünfprozenthürde zu überspringen – und das halten Wahlforscher durchaus für möglich, dann würde das wohl wahrscheinlich zu einer großen Koalition führen. Denn die Bundeskanzlerin hat klargemacht, für sie gibt es keine Abkehr vom bisherigen Rettungskurs. Eine Koalition mit der AfD fällt somit aus. Aber auch für Lucke liegt die Latte hoch:

    "Nur dann, wenn eine Partnerpartei, egal ob es es die CDU oder die SPD ist, sich ebenfalls von der Eurorettungspolitik abwenden wird, nur dann sind wir zu einer Zusammenarbeit bereit."

    Seiner AfD gehe es nicht um Posten. Es gehe um die Chance, sich auf der Bundestagsbühne Gehör zu verschaffen. Eine "echte Opposition" zu sein. Und dafür rechnet er sich gute Chancen aus:

    "Ich denke, dass wir ganz locker über die fünf Prozent hinaus kommen, vielleicht nah an den zweistelligen Bereich."

    Sagt‘s und macht sich auf zum nächsten Termin. Zurück bleiben ein paar nasse 500-Euro-Papiergeldscheine vor dem Brandenburger Tor.