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Das Aus für "ELENA"?

Datenschutz.- Der Elektronische Entgeltnachweis, kurz "ELENA", wurde in der Vergangenheit von Datenschützern heftig kritisiert. Nun möchte Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) das im Januar eingeführte Modell wieder stoppen. Der Wissenschaftsjournalist Peter Welchering erläutert im Interview mit Manfred Kloiber die Hintergründe.

10.07.2010
    Manfred Kloiber: Über den elektronischen Entgeltnachweis "ELENA" wurde diese Woche in Berlin heftigst diskutiert. Wirtschaftsminister Rainer Brüderle nämlich will "ELENA" Aussetzen und auch Arbeitsministerin Ursula von der Leyen kann sich vorstellen, diese Entscheidung mitzutragen. Der IT-Verband BITKOM dagegen warnt vor einer Aussetzung. Und einige Datenschützer kritisieren die angeführten Kostenargumente. Man merkt es schon: Die ELENA-Debatte ist ein wenig unübersichtlich geworden. Kann denn Minister Brüderle die Einführung des elektronischen Entgeltnachweises einfach so aussetzen, Peter Welchering?

    Peter Welchering: Nein, einfach wird das auf gar keinen Fall funktionieren, denn die Datenbank, die Daten von ja immerhin 40 Millionen Bundesbürgern zentral speichert, ist ja schon seit Januar in Betrieb, die hat schon 31 Millionen gekostet. Und eingeführt ist das Ganze also schon. Es gibt "ELENA" schon. Deshalb kann man von einem Stopp der Einführung gar nicht mehr sprechen, wie das in dieser Woche immer wieder so hochkam. Zurzeit müssen allerdings die Arbeitgeber doppelte Arbeit leisten. Sie müssen einerseits einen umfangreichen und umstrittenen Datenkatalog mit Lohndaten und sehr viel weiter gehenden persönlichen Daten Monat für Monat an die ELENA-Datenbank übermitteln und sie müssen immer noch Papierbescheinigungen ausstellen. Wenn nämlich ein Arbeitnehmer eine Verdienst- oder Arbeitsbescheinigung, beispielsweise für das Amt für Wohnungswesen oder fürs Sozialamt braucht. Und solche Bescheinigungen – bei und zulande brauchen wir die für nahezu 200 behördlichen Antragsverfahren. Und um solche Bescheinigungen in Papierform zu erstellen, wenden die Unternehmen in der Bundesrepublik in ihren Personalverwaltungen jedes Jahr 100.000 Personentage auf. Man sieht schon: Ab 2010 soll die ELENA-Datenbank aufgebaut werden, damit eben ab 2012 solche Bescheinigungen automatisch erstellt werden können. Und darin sieht man das Einsparpotenzial.

    Kloiber: Wirtschaftsminister Brüderle hat Kostengründe für die Aussetzung von ELENA geltend gemacht. Wie viel teurer als geplant ist denn "ELENA" überhaupt geworden?

    Welchering: Die Softwarekosten sind schon ein bisschen höher als ursprünglich geplant. Und man hat jetzt gemerkt: Die elektronische Signatur, die der Bürger braucht, damit er den Zugriff auf seine Arbeitnehmerdaten freigeben kann, wenn zum Beispiel das Sozialamt eine Verdienstbescheinigung haben will, kostet auch Geld. Die ist damals von den Beamten im Wirtschaftsministerium mit 3,30 Euro oder vier Euro kalkuliert worden. Das ist allerdings von keinem Experten ernst genommen worden. Aber die Signaturkosten sind damals im Wesentlichen politisch begründet worden – zunächst mit der Jobcard, die ja im Jahr 2002 von der Bundesregierung beschlossen wurde, die sollte den Sozialversicherungsausweis ersetzen. Und da wäre dann eine qualifizierte digitale Signatur, also eine Art elektronische Unterschriftsfunktion mit enthalten gewesen. Und da haben die Beamten damals berechnet: Naja, wenn man die zusätzlich für "ELENA" nutzen will, dann kostet das zwischen drei und vier Euro. Die Berechnung hat schon damals niemand verstanden. Denn wenn so etwas implementiert ist, dann können eigentlich keine Mehrkosten entstehen, dann kann diese Signatur so genutzt werden. Und das kann auch beim neuen elektronischen Personalausweis so sein, der ja eine solche Signaturfunktion hat. Die könnte für Elena genutzt werden, allerdings soll im Augenblick eben die Signaturfunktion des Personalausweises tatsächlich den Bürger etwas kosten. Das ist sehr unverständlich und das könnte man durch eine Absprache zwischen Wirtschafts- Arbeits- und Innenministerium eigentlich auch ziemlich rasch lösen.

    Kloiber: Die Städte und Gemeinden haben sich beschwert, dass sie für "ELENA" Lesegeräte für die Chipkarten anschaffen müssten, um dann die digitale Signatur auslesen zu können, wenn zum Beispiel ein Bürger die Daten seiner Verdienstbescheinigung durch das Amt freigeben will. Wie hoch sind denn diese Kosten?

    Welchering: Die sollen angeblich im zweistelligen Millionenbereich liegen. Nur vergessen da die Herren und Damen Oberbürgermeister, die so laut Klage führen, dass sie solche Lesegeräte ja ohnehin anschaffen müssen, nämlich für den neuen Elektronischen Personalausweis. Und diese Beschaffungen laufen ja auch schon. Deshalb ist diese Klage auch vollkommen unbegründet. Und ganz Clever haben dann die Kommunalvertreter auch noch argumentiert, es entstehen zusätzliche Kosten, die durch technische Datenschutzvorkehrungen entstehen, die für "ELENA" getroffen werden müssten. Die müssen allerdings nicht nur für "ELENA" getroffen werden, die müssen beispielsweise auch für den Elektronischen Personalausweis mit seiner Signaturfunktion getroffen werden. Also für eine Aussetzung von "ELENA" Kostengründe anzuführen, halte ich für sehr waghalsig, aber das tun ja auch die Datenschützer nicht und das tun auch die 22.000 Beschwerdeführer nicht, die "ELENA" abgeschafft sehen wollen. Die argumentieren ganz anders, nämlich, dass hier eine Art Vorratsdatenspeicherung von Arbeitnehmerdaten mit "ELENA" passiert und die sei verfassungswidrig. Und da wird ja demnächst das Verfassungsgericht auch noch urteilen. Und die Gegner von "ELENA" haben deshalb auch das Kostenargument erst gar nicht übernommen. Die haben sofort gesehen, dass dieses Kostenargument von völlig falschen Vorraussetzungen ausgeht und deshalb leicht zu widerlegen ist. Deshalb sind auch viele Datenschützer gar nicht froh über diesen Vorstoß. Die FDP-Führungsriege im Bundestag schon. Zum Beispiel versucht Jörg van Essen in seinen Informationen der Bundestagsfraktion den Aufschub von "ELENA" als Erfolg beim Datenschutz zu verbuchen. Ein Aufschub aus Kostengründen aber, und das wurde dann auch diskutiert, könnte eben doch insgesamt sehr leicht zum Bumerang werden.