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Das Deutsche Rote Kreuz erhält Bundesmittel für eine zentrale Vermissten-Suchkartei

Suchdienst-Radiomeldung: Der Soldat Fritz Unruh sucht seine Frau ...

Von Georg Gruber | 07.12.2004
    Der Zweite Weltkrieg hatte sie auseinander gerissen: Rund 30 Millionen Deutsche waren auf der Suche: Nach dem Mann, der Frau, dem Bruder, der Schwester, dem Sohn, der Tochter. Fotos und Zettel mit Namen hingen an Hauswänden und Bäumen, an Litfasssäulen und Laternenmasten.

    Suchdienst-Radiomeldung: Feldwebel Heinrich Betner ist während eines Luftkampfes mit dem Fallschirm abgesprungen und angeblich unverwundet in englische Gefangenschaft gekommen.

    Rund zwölf Millionen deutsche Soldaten waren als Kriegsgefangene in Lagern interniert. Zwölf bis 14 Millionen Menschen waren aus Osteuropa in den Westen geflohen.

    Suchdienst-Radiomeldung: Wir bitten alle, die ihn kennen oder über sein weiteres Schicksal Auskunft geben können, Mitteilung an das Deutsche Rote Kreuz zu machen.

    Schon in den Nachkriegswirren gründeten sich in den Besatzungszonen regionale Suchdienste des Deutschen Roten Kreuzes. Allein in den ersten fünf Jahren konnten sie in fast neun Millionen Fällen Auskunft geben über den Verbleib von Angehörigen. Zusammengefasst wurden die Suchdienste erst 1950. Sitz der Zentrale wurde München. Die beiden großen Suchkarteien aus Hamburg und München konnten aber aus Geldmangel lange nicht miteinander abgeglichen werden. Daten, die zur raschen Zusammenführung zahlreicher auseinander gerissener Familien hätten beitragen können, lagen teilweise nur Meter voneinander entfernt in verschiedenen Karteikästen.

    Suchdienst-Zeitung 1954: Endlich ist es soweit!

    Schrieb die Suchdienst-Zeitung des Roten Kreuzes im Dezember 1954.

    Nach langjährigen Bemühungen ist es nunmehr gelungen, von der Bundesregierung die erforderlichen Mittel für eine außerordentlich wichtige Bereinigungsarbeit im Suchdienst (...) zu erhalten.

    Die Verschmelzung der beiden Karteien, mit jeweils rund zehn Millionen Karteikarten, konnte beginnen. Der Suchdienst erhoffte sich dadurch die Klärung von 10.000 Schicksalen.
    Große Hoffnung wurde auch in die Befragung der Heimkehrer aus den sowjetischen Gefangenenlagern gesetzt. Und in Bildbände, die zusammengestellt wurden, 181 insgesamt, mit Fotos der Vermissten, einsehbar bei jedem Kreisverband des DRK. Kurt Wagner, der Leiter des Suchdienstes, beklagte 1961 allerdings schwindende Hilfsbereitschaft in der Bevölkerung:

    Wagner: Wir wollen das bevorstehende Jahr es noch mal ins Land hämmern: Kommt, schaut euch die Bände an. Wir wollen dann noch eine Anstandspflicht abwarten. Dann wollen wir aufhören.

    Reporterin: Alle Wände in der Zentrale des Kindersuchdienstes in Hamburg Altona sind voll mit den Plakaten, die wir alle kennen. Sie hängen auf den Jugendämtern, den Polizeirevieren, den Schulen, den Kirchen und immer sind 20 Mädchen und 20 Jungen darauf abgebildet und alle Kinder suchen ihre Eltern.

    Eine besondere Erfolgsgeschichte war der Kindersuchdienst: Rund 300.000 Kinder waren in den Kriegswirren von ihren Eltern getrennt worden. 1970 sind die meisten dieser Schicksale geklärt - aber nicht alle:

    Wagner, 1970: Wir haben heute noch über 1600 Menschen, wo da steht: Name unbekannt, Geburtsdatum unbekannt, und es sind Menschen, die sich zum Teil erst in den letzten Monaten gemeldet haben, das sind Menschen, die jetzt ins Alter kommen, wo sie heiraten und sich die Frage stellen: Wer sind wir eigentlich?

    Mit dem Ende des Kalten Krieges begann für den Zentralen Suchdienst ein neues Kapitel. Durch den Zugang zu russischen Archiven konnten bis zum Jahr 2002 160.000 Anfragen geklärt werden.

    Wagner, 1970: Zur Person, die ich geliebt habe, gehört auch, dass ich weiß, wie war's denn in den letzten schweren Stunden, wo war's eigentlich, wann ...

    Die Arbeit des Suchdienstes ist noch nicht vorbei: Jährlich werden zwischen 1000 und 4000 neue Anfragen gestellt. Immer wieder mit Erfolg: Dann können sich Menschen umarmen, die sich durch den Krieg verloren hatten, nach über einem halben Jahrhundert. Jährlich rund 800 Menschen.
    Doch noch immer sind mehr als 1,3 Millionen Schicksale ungeklärt.

    Suchdienst Radiomeldung: Sie hörten den Suchdienst.