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Das Digitale Logbuch: Tyrann im Rechner

Es gibt ein Computerprogramm, das so über allem erhaben scheint, wie der Kaiser in dem Märchen, dem die Kleider fehlen. Alle sagen respektvoll: toller Kaiser, tolle Software! Dabei ist der Kaiser nackt, und die Software auch.

Von Maximilian Schönherr | 31.01.2009
    Käme die Software von Microsoft, würde jeder drauf herumhacken. Aber sie stammt von dem David im Goliathkampf der Computersysteme, nämlich von Apple, und auf Apple hackt man nicht herum, erst recht nicht jetzt, wo der Chef so krank ist.

    Das Programm tut nicht viel mehr, als Musik und Videos zu katalogisieren. Dafür genügen eigentlich einige hundert Zeilen Code, darüber müsste man heutzutage kein Wort verlieren, eine Katalogsoftware programmiere ich dir an einem Wochenende. Aber das Programm breitet sich mit einer ungestümen Selbstsicherheit fett und breit in unseren Rechnern aus. Trotz seiner bescheidenen Aufgabe, ein paar Musik- und Videodateien in Schach zu halten, tut dieses Werkzeug so, als sei es ein Betriebssystem, ein Monster, mit lebenswichtigen Prozeduren, ohne die unser Computer, ja unser Leben ein Nichts wäre, ein einziger kalter blauer Bildschirm.

    Als gäbe es keine Katalogsoftware außer ihm, die dasselbe viel leiser und freundlicher täte, thront es im Arbeitsspeicher des Rechners, als gehöre der Rechner ihm, nicht mir. Es ist beleidigt und wehrt sich, wenn ich es beenden will. Es öffnet sich sofort wieder, nur wenn ich daran denke, vielleicht einen Song im Internet zu kaufen, oder meinen mp3-Player via USB-Kabel an den Computer anschließe, um seine Akkus aufzuladen. Ich will den Akku des mp3-Players aufladen, und dieses Monster von Programm meint, da muss es mal gucken, ob alles mit rechten Dingen zugeht!

    Kaiser, besonders die nackten, dulden keine anderen Kaiser neben sich. Dieses Programm duldet keine anderen Programme neben sich. Es bestraft jeden Versuch, mit einem anderen Programm Songs oder Videos oder Spiele in den angeschlossenen mp3-Player zu übertragen oder aus ihm heraus zu holen oder nur seine Akkus zu laden. Und es mag überhaupt nicht, wenn man fremde mp3-Player anschließt, die es noch nicht kennt. Und wenn man es deinstalliert, geht das iPhone nicht mehr, und der iPod Touch geht nicht mehr, und all diese schönen neuen Geräte, die so lange Spaß machen, bis dieses Programmungeheuer sich ihrer bemächtigt.

    23 Millionen iPods hat Apple allein im letzten Quartal verkauft, vier Millionen iPhones, auch die armen Kerle müssen jetzt an diesen Tropf von Programm, dessen Namen wir nicht nennen, das Unsittliches tut, wie der Kaiser, der nachts in unsere Treppenhäuser pinkelt.