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"Das Ehegattensplitting ist eine sinnvolle Einrichtung"

Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) setzt auf eine aufkommensneutrale Umstellung des Ehegattensplitting. Angesichts der Haushaltslage seien Entlastungen durch einen Verzicht auf Steuereinnahmen nicht denkbar, sagte Meister. Diese Belastungen müssten durch höhere Einnahmen an anderer Stelle kompensiert werden.

    Engels: Der Vorschlag von CDU-Generalsekretär Pofalla, das bisherige Ehegatten-Splitting in ein Familien-Splitting umzubauen, hat reichlich Streit ausgelöst. Pofalla hatte angeregt, nur einen Teil der steuerlichen Entlastung, die für Eheleute gilt, beizubehalten. Stattdessen soll die bisherige Regelung zum Familien-Splitting erweitert werden. Das heißt Eheleute mit Kindern sollen besonders gefördert werden. Bislang können Eheleute vom Splitting profitieren, egal ob sie Kinder haben oder nicht. Die Kritik an diesem Vorstoß kommt von zwei Seiten. Erstens die Rechtslage. Die CSU lehnt den Vorschlag ab. Sie verweist auf Bundesverfassungsgerichtsurteile, die immer auch den Schutz der Familie und der Ehe betont haben. Zweitens: ein Umbau sei zu teuer. - Ob dem so ist wollen wir nun von Michael Meister wissen. Er ist Unionsfraktionsvize im Bundestag, zuständig für Finanzfragen und nun am Telefon. Guten Morgen Herr Meister!

    Meister: Guten Morgen Frau Engels!

    Engels: Wie teuer würde denn ein solches Familien-Splitting werden im Vergleich zum heutigen Ehegatten-Splitting?

    Meister: Nun gut, das hängt von der Ausgestaltung ab, wie man das angehen würde. Auf jeden Fall ist klar: Wenn ich den Kreis der Begünstigten ändere, wenn ich dazu komme, dass ich irgendwo Entlastungen gewähre, dann schlagen sich diese Entlastungen entweder in den Steuereinnahmen nieder, oder – und das ist vor dem jetzigen Hintergrund der Haushaltslage wahrscheinlich – ich muss das durch höhere Belastungen an anderen Stellen kompensieren. Das Ehegatten-Splitting, wie wir es heute haben, ist eine sinnvolle Einrichtung, weil wir damit im Prinzip den Nachteil für Eheleute ausgleichen, die in unterschiedlicher Höhe Einkommen haben. Wie Sie in der Anmoderation bereits gesagt haben weist ja auch das Verfassungsgericht in seinen seitherigen Urteilen in dieser Sache darauf hin, dass an der Stelle keine beliebige veränderbare Stellschraube vorhanden ist.

    Engels: Aber könnte man es nicht so machen, dass man den kinderlosen Ehepaaren etwas weniger Vorteile gönnt als heute und dafür Paare mit Kindern etwas stärker fördert und das ganze dann aufkommensneutral innerhalb dieser Gruppe verteilt?

    Meister: Ich glaube, dass isolierte Änderungen bei den Ehegatten im Steuerrecht äußerst schwierig sind, weil der Handlungsraum durch das Grundgesetz dort sehr, sehr eng abgesteckt ist. Ich glaube es könnte eine verfassungskonforme Weiterentwicklung des Ehegatten-Splittings nur dann geben, wenn man das im Rahmen einer größeren Einkommenssteuerreform machen würde. Dann hat man ja auch die Möglichkeit, den Tarif zu verändern, denn die Ursache dafür, dass wir überhaupt ein Splitting brauchen, liegt ja im linear-progressiven Einkommenssteuertarif, der eben dazu führt, dass nicht nur linear sozusagen die Steuerbelastung ansteigt mit dem Einkommen, sondern eben auch progressiv, das heißt überproportional stark. Dadurch wird ja überhaupt erst dieser Nachteilsausgleich erforderlich. Das heißt wenn man das in einen größeren Reformzusammenhang stellt, kann man möglicherweise etwas für Familien tun, ohne eine Benachteiligung für Eheleute herbeizuführen.

    Engels: Eine Einkommenssteuerreform ist aber derzeit nicht geplant. Das heißt wenn man ein Familien-Splitting wollte, dann müsste man zusätzliche Gelder herbeischaffen. Wäre das überhaupt möglich angesichts der desolaten Haushaltslage?

    Meister: Ich glaube in der jetzigen Haushaltslage haben wir zunächst mal mit der Konsolidierung des Bundeshaushalts zu tun. Verteilungsspielräume sind da extrem eng. Wir haben uns ja zudem auf einige strukturelle Reformprojekte verständigt wie etwa Senkung der Lohnnebenkosten, wie das Thema Gesundheitsreform oder die Unternehmenssteuerreform. Ich glaube wenn wir das bewältigen vor dem Hintergrund der Haushaltslage, sind die Spielräume, die es gibt, vollkommen ausgeschöpft.

    Engels: Und wieso schlägt dann Ihr Generalsekretär dieses neue Konzept vor?

    Meister: Ich glaube der Vorschlag zielt ja eher auf die Grundsatzprogrammdebatte, die die Union gegenwärtig führt, hin und das ist die Frage, mit welcher Programmatik die Union im Grundsatz sich für die Zukunft aufstellt. Ich glaube insofern ist es eine Debatte, die über die Tagespolitik hinausführt.

    Engels: Herr Meister, kommen wir noch auf ein anderes Thema zu sprechen: die Unternehmenssteuerreform. Sie soll 2008 in Kraft treten. Die Steuersätze für Firmen sollen gesenkt werden. Dafür sollen Schlupflöcher geschlossen werden. Heute trifft sich dazu eine Arbeitsgruppe. Wie viele Steuerausfälle wird denn nun diese Reform wiederum dem Staat bringen?

    Meister: Ich glaube das Ziel dieser Reform ist ja, für mehr Wachstum und Beschäftigung in Deutschland zu sorgen, indem wir einerseits dafür sorgen, dass Steuergestaltungen aus unserem Land heraus von den Steuerpflichtigen beendet werden, zum zweiten aber auch mehr Investitionen hier am Standort getätigt werden. Wenn wir diese Ziele erreichen, werden wir hoffentlich mittel- und längerfristig auch zu Steuermehraufkommen kommen. Kurzfristig brauchen wir glaube ich eine Anschubfinanzierung in Größenordnung eines einstelligen Milliardenbetrages. Wir müssen dabei einfach sehen, dass unsere Steuersätze in diesem Bereich international nicht wettbewerbsfähig sind. Wenn wir in die EU schauen, liegt der Durchschnitt unter 25 Prozent. Wir bewegen uns in einer Größenordnung um die 39 Prozent und da sind wir einfach zu weit vom Durchschnitt weg. Deshalb ist der Ansatz, den Herr Steinbrück wählt, zu sagen, wir müssen die Sätze unter 30 Prozent senken, der richtige Ansatz, um hier wettbewerbsfähiger zu werden.

    Engels: Schön und gut, die Steuersätze senken, aber auch eben für Firmen, die richtig gut verdienen. Wie wollen Sie das denn den Menschen klar machen, die ab kommendem Jahr unter drei Punkten mehr Mehrwertsteuer klagen?

    Meister: Ich glaube der entscheidende Punkt ist ja, dass wir für Planungssicherheit sorgen wollen, indem wir sagen, wir wollen dafür sorgen, dass die Unternehmen hier am Standort auch ihre Steuern zahlen. Das heißt es wird dafür gesorgt werden über Motivation, nicht mehr Steuersubstrat ins Ausland zu verlegen, sondern hier am Standort zu zahlen und dann auch dafür zu sorgen, dass hier wieder Arbeitsplätze geschaffen werden, denn unser zentrales Problem in den Sozialsystemen, in den öffentlichen Haushalten ist ja, dass uns ständig mehr Zahler dort abhanden kommen: nicht nur bei den Unternehmen, sondern auch gerade bei den Beschäftigten über die Beschäftigungsentwicklung. Deshalb müssen wir dort gegensteuern, um dann nicht über höhere Steuersätze, sondern über mehr Steuerzahler zu besseren Einnahmen zu kommen.

    Engels: Motivation schön und gut, aber angesichts offener Kapitalgrenzen wie wollen Sie da verhindern, dass auch künftig Unternehmen ihre Gewinne ins Ausland bringen, wo es vielleicht noch günstiger ist?

    Meister: Ja gut, wenn wir international wettbewerbsfähige Steuersätze haben bei den Unternehmen – und Sie haben eben das Kapital angesprochen; es ist ja in diesem Zusammenhang auch angedacht eine international wettbewerbsfähige Kapitalertragsbesteuerung -, dann haben wir glaube ich eine gute Chance, dass die Anleger Deutschland wieder als attraktiven Standort sehen. Ich glaube was ganz wichtig ist, dass wir an der Stelle nicht nur über Steuersätze diskutieren, sondern auch über die Frage wie einfach oder komplex ist das Steuerrecht an dieser Stelle. Ich nenne mal die Frage der Kontrollmitteilungen etwa bei den Kapitalerträgen. Wenn man das attraktiv gestaltet, kann man glaube ich auf Kontrolle verzichten. Dann werden die Leute von alleine ihr Geld hier ehrlich versteuern.

    Zum zweiten: Auch bei den Unternehmenssteuern müssen wir versuchen, ein Stück weit zur Vereinfachung zu kommen. Deshalb glaube ich muss man das, was in Richtung Verbreiterung der Bemessensgrundlage bei der Gewerbesteuer angedacht ist, mit relativ viel Skepsis betrachten.

    Engels: Schauen wir zum Schluss noch einmal auf die generelle Haushaltslage. In der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" war nachzulesen, dass die Staatsausgaben so stark steigen, zum Beispiel beim Arbeitslosengeld II, bei höheren Zinsen für das Elterngeld, dass das geplante Einnahmeplus durch die höhere Mehrwertsteuer schon wieder aufgefressen wird, also nichts mit der Haushaltskonsolidierung. Stimmt das?

    Meister: Ich glaube wir haben bei der Haushaltskonsolidierung durch die Maßnahmen, die wir beschlossen haben, sowohl auf der Ausgabenseite mittlerweile über zehn Milliarden Euro erspart. Wir haben etwas dafür getan, das Wachstumskräfte gestärkt werden. Ich nenne mal den Bereich Forschungsmittel oder Infrastrukturmittel. Und wir haben Einnahmen verbessert. Das wird insgesamt dazu führen, dass wir den Zielen Maastricht-Vertrag einhalten, Grundgesetz einhalten und auch eine nachhaltige Finanzpolitik machen mit Blick auf die kommenden Generationen einen gewaltigen Schritt näher rücken. Es gibt allerdings auch Risiken, etwa Hartz IV. Das haben Sie angesprochen. Deshalb hat die Union ja eine Arbeitsgruppe gebildet, die über die Frage berät, wie dort weitere Missbrauchsbekämpfung stattfinden kann, wie eine bessere Motivation für die Menschen geschaffen werden kann, aus Hartz IV wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu kommen. Ich glaube an der Stelle ist es notwendig, sowohl im Sinne der betroffenen Menschen wie auch der Haushaltslage noch mal nachzusteuern.

    Engels: Das heißt eine Garantie, dass der nächste Haushalt verfassungskonform sein wird, können Sie nicht geben?

    Meister: Nein. Wir müssen einfach versuchen, mit den Risiken, die bestehen - Hartz IV haben wir angesprochen; es gibt mit Sicherheit das eine oder andere weitere Risiko – im Laufe der Haushaltsberatungen zum Haushalt 2007 vernünftig umzugehen. Die Union hat ja bereits gesagt, wir brauchen ein Haushaltsbegleitgesetz für den Haushalt 2007, um dort den Risiken entgegenzuwirken.

    Engels: Michael Meister war das. Er ist Unionsfraktionsvize im Deutschen Bundestag und dort zuständig speziell für Finanzfragen. Ich bedanke mich für das Gespräch!

    Meister: Bitte schön Frau Engels!