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Das Elsass und seine engen Schifffahrtskanäle

Die Felder im Elsass sind mit Schifffahrtkanälen durchzogen. Früher waren die Kanäle wichtig, um beispielsweise die Region bei Colmar mit Kohle aus dem Saargebiet zu versorgen. Jetzt sind sie beliebte Routen für die Erkundung des Landes.

Von Florian Elsemüller | 14.10.2012
    Es ist ein friedlicher Spät-Sommertag im Elsass. Ein Schiff schiebt sich ganz langsam in Schrittgeschwindigkeit durch die Maisfelder, entlang der Ufer des Rhein-Rhone-Kanals. Angler werfen ihre Reusen aus und Libellen fliegen dicht über der Wasseroberfläche. Oben auf dem Schiff auf der Sonnenterrasse genießt Therese Lichtenwagner ihren Ausblick.

    Eine begeisterte 90-Jährige:

    "Erstens einmal die Natur, dann die Bäume, die Vögel, die Enten, also, es ist einfach wunderschön, das erleben zu dürfen. Die Kultur, die Felder, es ist ein fruchtbares Land. Man muss nur schauen. Trink Du Auge, was die Wimper hält von der Schönheit dieser Welt."."

    Ein Idyll, wie eine kleine Kreuzfahrt. Das begeistert sie, und das begeistert auch Hermann Goedert. Das Schiff schiebt sich aus einem Waldstück heraus.

    ""Wenn Sie mal nach hinten schauen: Ich sag immer ein Teilstück des Amazonas, so ist das anzuschauen. Als ob man in einen Mangrovenwald einfährt"."

    Hermann Goedert und seiner Familie gehört dieses Schiff. Doch mit der Idylle ist es schnell vorbei.

    ""Ja, wir durchfahren jetzt eine niedrige Brücke. Wer sich jetzt nicht duckt, der bekommt ein Stück Beton an den Kopf. Das ist ein Signal, dass sich die Herrschaften auf dem Oberdeck hinsetzen und den Kopf einziehen. Jetzt durchfahren wir eine Brücke. Sie sehen ja, lichte Höhe, die noch fehlt bis zur Brücke etwas 35 Zentimeter."

    35 Zentimeter zwischen Schiff und Brücke, wenig Platz für die Köpfe der 70 Gäste auf der Sonnenterrasse.

    Dann kehrt wieder Ruhe ein, auf der Napoleon. So heißt das brandneue Schiff, das Goedert hat bauen lassen, ausgelegt speziell auf den Kanal in Richtung Colmar.

    "Das Schiff ist so nach unseren Wünschen gestaltet worden, sei es in Höhe und in Breite."

    Und das Schiff ist so groß wie möglich geworden, sodass es gerade noch unter den Brücken durch und in die engen Schleusen hineinpasst. Maßarbeit.

    So groß waren schon vor 200 Jahren die Transportschiffe, die auf diesen Kanälen Kohle und Holz verschifft hatten.

    "Wir haben so Reibhözer unten, die sind auch dringend notwendig, dass nicht Metall auf Beton kommt. – Ist schon vorbei hinten. Jo, alles klar."

    Tobias Bertsch fährt schon seit 16 Jahren Schiffe. Jetzt steuert er die Napoleon in die 5,30 m breite Schleuse. Sein Schiff ist 5,08 m breit. Viel Technik und sein Chef helfen ihm.

    "Wir haben zwei Monitore und auch drei Kameras, dass man jetzt die Seiten vom Schiff ein bisschen erkennen kann. – Einfahrt schon gemeistert. Wir werden jetzt zwei Meter abgesenkt."

    Die Strecke zwischen dem Rhein und Colmar ist 23 Kilometer lang.

    "Wir fahren etwa zehn Kilometer parallel des Rheines rheinabwärts. Und dann geht es im rechten Winkel auf die Vogesen zu."

    Die Stimmung auf der Sonnenterrasse ist ausgelassen, eine Reisegruppe aus Österreich und ein Kegelclub aus Freiburg fahren mit.

    "Es ist sehr nett. Man kann sich mit allen Leuten unterhalten, nicht nur hier, sondern überall. Das ist ganz nett. Ich hab ja nichts zu tun außer ein bisschen Wein trinken, ein bisschen Sekt trinken, ein bisschen plaudern und lachen und sehen, was es hier Schönes gibt. Jetzt sind wieder die Vogesen da, vorhin war der Kaiserstuhl da. Ich seh das Ganze, wunderbar."

    Die Sportgruppe Körperschmiede ist auch an Bord. Selbstbewusste Frauen, die von einem Bauarbeiter überrascht werden, der auf einem Gerüst an einer der niedrigen Brücken in der Sonne steht.

    "Er hat das Hemd ausgezogen, wie beim Striptease, und hat es geschwenkt überm Kopf. – Der Preis hat sich rentiert. – Jaja. – Du nimmst mir ja die ganze Sicht!"

    Die Frauen haben aber noch viel mehr gesehen, beim Spazierenfahren mit sechs Stundenkilometern durchs Elsass.

    "Und ein Fischreiher auf dem Baum, also viele Wasservögel, jede Menge Angler, Maisfelder, Apfelbäume mit richtig roten und grünen Äpfeln. Ja, da fehlt eigentlich nur noch so ein richtig schönes kühles Bier."

    Viel Zeit hatten sie auf dem neuen Schiff. Nach knappen fünf Stunden kommt die Napoleon im Hafen von Colmar an.