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Das Ende der irakischen Landwirtschaft?

Am 2.8.1990, vor zehn Jahren marschierte die irakische Armee unter dem Befehl von Saddam Hussein in das Nachbarland Kuwait ein. Daraufhin verhängten die Vereinten Nationen gegen den Staat im Nahen Osten ein Wirtschaftsembargo und verbot damit auch den Export von Öl, der Haupteinnahmequelle des Landes. Die Sanktionen sind mittlerweile geringfügig gelockert worden. Wenigen ist bekannt, dass der Irak lange Zeit ein Land mit einer ziemlich ausgeglichenen Einkommensverteilung war. Mit dem Beginn der UN-Sanktionen im August 1990 verlief die Versorgung darum noch einigermaßen folgenlos. Im Laufe der Sanktionsjahre ist die Existenz der Menschen im Irak jedoch immer bedrohlicher geworden. Seit 2 Jahren wird das Land nun von anhaltender Trockenheit heimgesucht. Über die Auswirkungen der aktuellen Dürreperiode und von 10 Jahren UN-Embargo auf die Lage der Landwirtschaft im Irak und die Ernährung der Bevölkerung ein Bericht von Johannes Berger.

Von Johannes Berger | 02.08.2000
    Dieses Jahr wurde im Irak die schlechteste Getreideernte seit Menschengedenken eingebracht. Schon das zweite Jahr in Folge fällt so wenig Niederschlag, dass die Saat auf drei Viertel der bestellten Ackerfläche erst gar nicht aufgegangen ist. Der Wasserpegel in den beiden großen Strömen Euphrat und Tigris ist der niedrigste seit dem Jahre 1930. Die künstliche Bewässerung, auf welche die Hälfte der Anbaufläche dringend angewiesen ist, muss darum ausbleiben. Zur Dürre hinzu kommen im Irak die Auswirkungen des Golfkriegs von von 1991 und der verhängten UN-Sanktionen. Weil dadurch das Land kein Öl mehr exportieren durfte, fielen auch die Deviseneinnahmen weg, mit denen der Irak bislang Dreiviertel seines ganzen Nahrungsmittelbedarfs im Ausland eingekauft hatte. Diese Abhängigkeit wurde für das Regime in Bagdad zur Achillesferse.

    Nach dem Eintritt der UN-Sanktionen versuchte die Regierung deshalb die Bauern mit Zuckerbrot und Peitsche zur Steigerung ihrer Produktion anzutreiben. Einerseits wurden die Landwirte vom Militärdienst befreit. Ohne große Formalitäten wurden ihnen Besitztitel für bislang unbebautes Land zugestanden und die Aufkaufpreise für Agrarprodukte erhöht. Andererseits schrieb die Regierung den Bauern vor, was anzubauen und wieviel von der Ernte abzuliefern sei. Wer sich nicht an die Vorschriften hielt, wurde mit Landenteignung bedroht. In guten Jahren wurden auf den Feldern Iraks anderthalb Millionen Tonnen Weizen geerntet. Experten der Welternährungsorganisation FAO sahen auf ihren Rundreisen jedoch immer mehr Unkraut auf den Feldern. Die Kunstdüngerfabriken und Anlagen zur Herstellung von Pestiziden waren im Golfkrieg von 1991 Angriffsziele der Alliierten, weil dort auch die Produktion von chemischen und biologischen Kampfstoffe vermutet wurde. Immer mehr Anbauflächen liegen brach, sowohl weil der Boden versalzen ist, als auch die Bewässerungstechnik oder die Landmaschinen fehlen. Vor 1990 wurden auf den 4 Millionen Ackerland Hektar im Irak 40 000 Traktoren eingesetzt. Die irakische Landwirtschaft war u.a. wegen eines Arbeitskräftemangels stark mechanisiert worden. Heute sind viele der Landmaschinen schrottreif.

    Besonders harte Auswirkungen haben die Sanktionen auf die Lage der Kinder. Laut einem Bericht von UNICEF aus dem Jahre 1999 leiden 20 Prozent aller irakischen Kinder unter fünf Jahren an Unterernährung. Die Kindersterblichkeit ist besonders in den ländlichen Regionen seit 1990 stark angestiegen. Nach der Lockerung der Sanktionen, 1997 exportiert der Irak wieder unter Kontrolle der UNO jeweils eine festgelegte Menge Erdöl. Bislang sind so 30 Milliarden Dollar eingenommen worden, von denen ein Teil für die Einfuhr von Nahrungsmitteln verwendet wird. Damit können die Nahrungsrationen für die Bevölkerung wieder aufgefüllt werden und für die Landwirtschaft fällt auch etwas ab. So sollen im nächsten halben Jahr 3000 Traktoren und 200 Mähdrescher eingeführt werden. Alle Bemühungen bleiben aber vergeblich, so lange weiter kein Regen fällt, auf den Feldern nichts mehr wächst und die Bewässerungssysteme austrocknen.