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Das Ende der Ost-Mark

Als die D-Mark kam, war die Euphorie groß. Doch sehr schnell zeigte sich, dass die Kritiker des 1:1-Umtauschkurses Recht behalten sollten. Für viele volkseigene Betriebe bedeutete die Währungsunion das Aus. Aber hätte es eine Alternative gegeben?

Von Käthe Jowanowitsch und Stephanie Rapp | 01.07.2010
    Reportage: "Das, was ich hier aus meiner Telefonzelle an der Ecke Joachimsthaler Straße im Moment beobachten kann, ist sicher nur der Vorgeschmack auf das, was heute Nacht hier noch passieren wird. Denn jede U-Bahn und jeder Bus bringt neue Leute, die mittlerweile von allen Grenzübergängen hierher kommen. Und wer nicht gerade das Ziel Freunde, Verwandte in der Stadt hatte, der hat sich dort zumeist den Kurfürstendamm als Ziel für diesen abendlichen Bummel im Westteil der Stadt ausgesucht. Es wird eine lange Nacht in Westberlin."

    Berlin, 9. November 1989, circa 23.30 Uhr. Der Reporter des RIAS war genauso perplex, wie die Bürger in Deutschland Ost und Deutschland West. Mit der Öffnung der Mauer konnten die Menschen aus der DDR zum ersten Mal seit über 28 Jahren die innerdeutsche Grenze wieder frei passieren.

    Collage:

    "Mein Gott, gibt's das noch mal? Das kann nicht wahr sein."

    "Jetzt sind wir wirklich im Westen."

    "Und die haben so geschoben und gedrängelt, und die haben einfach das große Tor aufgemacht. Die haben keine andere Wahl gehabt. Die Leute schieben und drängeln. Siehste ja, der Bus ist voll. Aber die meisten wollen auch wieder zurück."

    "Das ist eine Wahnsinnsstimmung. Das ist echt der Wahnsinn."
    Verrückte Zeiten: Der Mauerfall setzte eine Entwicklung in Gang, deren Ende im November 1989 noch niemand absehen konnte. Über Nacht war die deutsche Einheit denkbar geworden. Doch der Weg dorthin war voller offener Fragen. Zollunion? Konföderation? Föderation? Wiedervereinigung? Während die Politiker in Bonn und Berlin Szenarien entwarfen und wieder verwarfen, schufen die Menschen Fakten. Bis zum Jahresende, innerhalb von knapp zwei Monaten, zogen fast 120.000 DDR-Bürger nach Westen. Auf der Suche nach Wohlstand und einem besseren Leben.

    Sarrazin: "Das ging damit los, dass klar wurde, Ende November, es gibt keine Selbststabilisierung des Systems, die DDR läuft leer."

    Thilo Sarrazin war damals Referatsleiter im Bundesfinanzministerium, ein auf Währungsfragen spezialisierter Fachbeamter:

    "Sie läuft leer an Menschen – das sah ja jeder an der Zahl der Übersiedler – das läuft aber auch leer an noch vorhandener wirtschaftlicher Kraft. Und von daher war es dann ganz eindeutig: Entweder schafft man eine innerdeutsche Zollgrenze oder man muss eine Auffanglösung schaffen. Und dafür war eine der Bedingungen eine Währungsunion."

    Der Strudel der Ereignisse riss Sarrazin aus seiner beruflichen Routine. Bundeskanzler Helmut Kohl, Finanzminister Theo Waigel und Staatssekretär Horst Köhler bürdeten ihm eine Herkulesaufgabe auf: Am Reißbrett sollte Sarrazin die deutsch-deutsche Währungsunion entwerfen.

    Kohl: "Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Landsleute. Ich bin heute hierher gekommen ... "

    Sarrazin: "Dieser Gedanke klang Mitte Dezember – da war Kohl gerade in Dresden – völlig absurd. Und sämtliche Fachökonomen, wenn man sie befragte, hatten immer irgendwelche Modelle von Zollunion und allmählicher Annäherung und so weiter – über diese Dinge konnte man ja nicht offen reden. Von der einen Seite erkannte die sogenannte große Politik, dass man auf die ökonomischen Fragen Antworten geben muss, wenn man mit dem Thema Außenpolitik, Zukunft des Warschauer Paktes, deutsche Einheit – das war ja ein ganzes Paket von Fragen – weiterkommen wollte, und andererseits gab es unter den gesamten ökonomischen Experten niemand, der einen wirklichen Rat geben konnte."

    Kommt die D-Mark bleiben wir, kommt sie nicht, geh'n wir zu ihr, skandierten die Demonstranten bald in der ganzen DDR. Während Helmut Kohl in Europa für die deutsche Einheit warb, wuchs zu Hause der Druck, die Ausreiseflut von Ost nach West zu stoppen. Hinter verschlossenen Türen spielten Fachleute in Bonner Ministerien verschiedene Modelle durch.

    Sarrazin: "Dann habe ich damals – Anfang Dezember - überlegt: Na ja, wir müssen jetzt das ganz zügig machen, dass wir in drei, vier, fünf Jahren das so hinkriegen. Dann habe ich solche Stufenpläne gemacht; und dann wurden die immer enger, immer enger, immer enger, bis dann irgendwann in meinen Überlegungen die ganze Stufung sinnlos wurde und dann sagte, da machen wir besser einen Schritt."
    Unter höchster Geheimhaltung arbeitete Thilo Sarrazin an seinem Entwurf für eine Währungsunion. In den nächsten Wochen sollte er kaum noch von seinem Schreibtisch in der Graurheindorfer Straße in Bonn wegkommen. Geheimsache mussten seine Pläne auch deshalb bleiben, weil Devisenspekulanten keine Chance haben sollten.

    Die Deutschen blieben zunächst im Unklaren. Gerüchte überstürzten sich. Es ging nicht nur ums große Ganze: Ist die Einheit möglich? Es ging auch ums Detail. Was wird aus der ostdeutschen Planwirtschaft? Ist sie reformierbar? Mit welchen Folgen für den Alltag der DDR-Bürger? Und: Was wird mit ihrem Geld?

    DDR-Bürger: "Und eh alles verfällt, nu, da kaufen sie eben alles noch, was sie sich vorher eben nicht gegönnt haben, kaufen die dann eben. Die Hamsterkäufe gibt's jetzt reichlich noch. Du siehst sie hier auf die Sparkassen gehen. Wie sie reingehen mit Diplomatenkoffer, holen sie ihr Ostgeld runter und kaufen sich Teppiche und so einen Schnodder."

    Nach wochenlangem Sondieren und Taktieren prescht Helmut Kohl vor: Am 6. Februar 1990 bietet der Bundeskanzler dem DDR-Ministerpäsidenten Hans Modrow überraschend an, sofort Verhandlungen über eine Währungsunion aufzunehmen. Bedingung: Die DDR müsse die notwendigen rechtlichen Voraussetzungen für die Einführung einer sozialen Marktwirtschaft schaffen:

    "Politisch und ökonomisch, meine Damen und Herren, bedeutet dieses Angebot der Bundesregierung, dass wir bereit sind, auf ungewöhnliche, ja revolutionäre Ereignisse unsererseits eine ungewöhnliche, und wenn Sie es ökonomisch betrachten, auch revolutionäre Antwort zu geben."

    Ultima ratio, denn allein im Januar hatten mehr als 200.000 Menschen die DDR verlassen. Die Einführung der D-Mark sollte die Ausreisewelle stoppen. Bundesbankpräsident Karl Otto Pöhl, der oberste Währungshüter der Bundesrepublik, fühlte sich von Helmut Kohl düpiert. Er hatte wiederholt davor gewarnt, die D-Mark zu schnell in den Osten zu bringen.

    "Das halte ich doch für sehr fantastisch, diese Ideen, und ich glaube, dass das eine Illusion ist, wenn man sich vorstellt, dass durch die Einführung der D-Mark in der DDR auch nur eines der Probleme, die die DDR hat, gelöst würde."

    Am 20. Februar begannen in Ostberlin Expertengespräche über die geplante Wirtschafts- und Währungsunion. Mit dabei: Thilo Sarrazin:

    "Dann wurde auf einmal diskutiert ein Umtauschkurs von eins zu zwei, oder eins zu drei, völliger Unsinn, das wird sowieso nicht laufen, lief am Ende ja auch nicht."

    Auch Edgar Most, Vizepräsident der DDR-Staatsbank und einer der einflussreichsten ostdeutschen Finanzexperten, war an den Beratungen über den Umtauschkurs beteiligt.

    "Wir haben mit dem Karl Otto Pöhl verhandelt und haben gesagt: Die D-Mark kommt. Zweitens: den Tag wissen wir noch nicht und drittens: den Umrechnungskurs schon gar nicht. Und da die Staatsbank die geldpolitische Widerspiegelung der DDR war, hatten wir natürlich einen ganz anderen Faktor, darüber zu diskutieren. Da gab es viele offene Flanken. Und aus diesen offenen Flanken war uns klar: Wir können nicht sofort entscheiden, wie der Umrechnungskurs ist. Und wir hatten damals diskutiert, wir kommen kurzfristig wieder zusammen, aber am anderen Tag hat der Kohl was anderes verkündet. Keine Bundesbank gefragt, keine Regierung der BRD gefragt, keine Regierung der DDR, keine Staatsbank der DDR. Alle, die zu entscheiden gehabt hätten. Also: Parlament auf beiden Seiten, Regierungen auf beiden Seiten, Notenbanken auf beiden Seiten. Hat der Kohl ganz alleine gemacht."

    Nicht ganz allein. Denn im Hintergrund werkelte Thilo Sarrazin weiter an der konkreten Umsetzung. Den Fahrplan für die Einführung der D-Mark entwarf er gemeinsam mit Johannes Ludewig vom Bundeskanzleramt und Reiner König von der Deutschen Bundesbank. Der Ort der Beratungen: ein Berliner Café.

    Sarrazin: "Und nun war die Arbeit getan. Wir hatten unser Papier jetzt fertiggestellt. Und dann sagte Ludewig: Und, wie geht's jetzt weiter? Ich sag: Wie weiter? Ja, irgendwann müssen wir doch die Währungsunion machen! Und dann haben wir gefragt: Ja, wie lange dauert das denn? Wie lange braucht denn die Bundesbank an organisatorischen Vorkehrungen, um das alles hinzukriegen. Ja, sagt der König, dazu brauchen wir acht Wochen. Ach, ich sag, Herr König, das schaffen Sie doch auch in vieren. Dann hat er sich breitschlagen lassen zu vier Wochen oder zu fünfen, ich weiß nicht was. Ja, machen wir es im Januar. Nee, sagt der Ludewig, das halten wir doch nicht mehr so lange durch. Also, Januar ist zu spät. Das müssen wir im Herbst machen. Nee, sagt Ludewig, wir müssen das vor der Urlaubszeit machen. Und so wurde daraus der 1. Juli."

    Am 18. März wurde in der DDR zum ersten Mal frei gewählt. Die "Allianz für Deutschland", ein Zusammenschluss aus CDU, DSU und Demokratischem Aufbruch, gewann die Mehrheit in der Volkskammer. Alle Parteien hatten große Versprechungen gemacht: Aufschwung, Wohlstand – und die D-Mark. Lothar de Maizière, erster demokratisch gewählter Ministerpräsident der DDR, führte das Parteienbündnis an. Nach dem Wahlsieg setzte er seine Prioritätenliste:

    "Die erste Frage, die wir angehen müssen, ist, dass die Menschen unser Land nicht mehr verlassen. Das heißt also die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion."

    Wenige Tage später konkretisierten sich die Gerüchte: Der 1. Juli sollte der Stichtag sein. Die Zeit drängte: Ein Entwurf für den "Staatsvertrag über die Wirtschafts- und Währungsunion" musste auf den Tisch. Und noch immer wurde über den Umtauschkurs gestritten.

    DDR-Bürger:

    "Die ganze Unsicherheit, die hier herrscht. Man weiß nicht, was überhaupt mit uns passiert."

    "Gerade die Diskussion jetzt, was die Währung und die Sparguthaben anbetrifft, wird etwas verunsichert."

    "Das ist ein bissel bedrückend für uns, würde ich sagen, weil wir ja nicht ganz genau aufgeklärt sind. 1:1, also wenn ich 1000 Mark jetzt Ost habe, dann hab ich 1000 Mark West. Also gebessert bin ich erst mal gar nicht."
    Als Anfang April durchsickerte, dass die Bundesbank einen Kurs von 2:1 festsetzen wollte, gingen die Ostdeutschen wieder auf die Straße. 50.000 in Leipzig, 70.000 in Dresden, 100.000 in Berlin. Sie forderten die Einlösung des Wahlversprechens: einen Kurs von 1:1. Für Staatsbank-Vize Edgar Most ökonomischer Selbstmord. 1 zu 1: Das bedeutete in seinen Augen den sicheren Ruin der ostdeutschen Wirtschaft. Beim Deutschen Bankentag in Bonn begegnete er im April Helmut Kohl.

    Most: "Ich durfte am Ehrentisch sitzen, weil ich der einzige Ossi war. Ich wusste ja gar nicht, wie so ne Konferenz abläuft, aber man lernt ja immer dazu. Und den Tag saß ich vier Stunden mit Helmut Kohl zusammen. Knie an Knie. Er kam von London, Paris nach Bonn. Da habe ich ihm angemerkt: Das war nicht seine Welt. Er hatte schwitzige Hände. Aber ich habe diese vier Stunden genutzt, um mit ihm darüber zu reden. Ich habe sogar als geheime Verschlusssache die Bilanz der Staatsbank mitgehabt. Und hab gesagt: Herr Kohl, wir müssen einen anderen Umtauschkurs machen, wir müssen das noch einmal überdenken. Sie haben einen Wechsel unterschrieben, aber wissen nicht, welche Zahl da oben reingehört. Und nach vier Stunden Diskussion mit Pro und Contra und Hin und Her hat er am Ende so ungefähr gesagt: Wissen Sie, Herr Most, ich bin Politiker, treffe politische Entscheidungen und Sie sind Wirtschafter, Sie werden es schon lösen. Da dachte ich, wo bist du gelandet? Das war wie in der DDR."

    Die Politik gab dem Druck der Straße nach. Rudolf Seiters, damals Chef des Bundeskanzleramtes:

    "Löhne, Gehälter, Stipendien, Mieten, Pachten und Renten sowie andere wiederkehrende Versorgungszahlungen zum Beispiel Unterhaltszahlungen werden im Verhältnis 1:1 umgestellt."

    Bei Bargeld und Sparkonten galt eine Staffelung: Je nach Alter sollten 2000, 4000 oder 6000 DDR-Mark zum 1:1-Kurs umgetauscht werden. Beträge oberhalb dieser Grenzen sowie alle anderen Forderungen und Verbindlichkeiten würden zum Kurs 2:1 umgestellt. Am 18. Mai unterzeichneten Bundesfinanzminister Theo Waigel und DDR-Finanzminister Walter Romberg in Bonn den Staatsvertrag zur Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion. Ein ungleiches Paar: Hier der mit allen Wassern gewaschene Politikprofi, dort der Mathematiker, den die Wende aus der Akademie der Wissenschaften in die letzte DDR-Regierung gespült hatte.

    Reportage: "Guten Tag, meine Damen und Herren. Hier ist das Palais Schaumburg in Bonn, wo sich die Ehrengäste zur Unterzeichnung des Staatsvertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik in diesem Moment schon versammelt haben. Bundeskanzler Helmut Kohl, Lothar de Maizière, der Ministerpräsident der DDR, aber auch die Präsidentinnen der beiden parlamentarischen Gremien des Bundestages, Rita Süssmuth, und der Volkskammer, Frau Bergmann-Pohl."

    Sarrazin: "Für mich war der emotionale Höhepunkt der Sache die Unterschrift unter den Staatsvertrag. Und dann hatte man im Kanzleramt Adenauers alten Schreibtisch rausgekramt. Und da saßen dort die Verhandlungsdelegationen beider Seiten, und hinten an der Tür standen einige Beamte, die da zuschauen durften, und dazu gehörte ich auch. Und dann saß also Romberg, der in den letzten Tagen ein Nervenbündel gewesen war und aus allem wieder raus wollte, der saß da neben Waigel. Dann hielt Kohl die Ansprache."

    Kohl: "Dies ist eine historische Stunde im Leben der deutschen Nation. Wir sind zusammengekommen, um nach 45 Jahren der schmerzlichen Teilung unseres Vaterlandes ein Vertragswerk zu unterzeichnen, mit dem wir den ersten bedeutsamen Schritt zur Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands vollenden."

    Sarrazin: "Und dann haben Romberg und Waigel den Vertrag unterschrieben. Dann gab es einen Sekt auf der Terrasse vom Palais Schaumburg. Und dann gingen dann de Maizière und Kohl auf dem Rasen spazieren. Und der Kohl so breit und dick, neben ihm halb so lang und halb so breit der de Maizière. Insoweit war es, auch wenn man die gemeinsam über den Rasen gehen sah, ein symbolisches Bild über die Verteilung der Gewichte. Und das war ein traumhafter Maitag."

    Nach der Vertragsunterzeichnung am 18. Mai lief der Countdown. Eine logistische Meisterleistung war nötig, um die D-Mark in den Osten zu bringen. Der 1. Juli war ein Sonntag. Trotzdem öffneten viele Banken, um pünktlich zum Stichtag Ost- in Westgeld umzutauschen.

    Reportage Alexanderplatz: "Halleluja, Halleluja"

    "Ja, Halleluja, D-Mark um 0.00 Uhr am Alexanderplatz. Zehntausende begrüßen jubelnd die Deutsche Mark. Mit Sekt, Silvesterraketen und Hupkonzerten wird gefeiert. Und überall herrscht wirklich ausgelassene Stimmung. Die Deutsche Bank am Alex, die zahlt ab Punkt Mitternacht ihr Geld aus, als einzige Bank in der DDR um diese Zeit."

    Most: "Dann haben wir praktisch kurzerhand, als die DM-Einführung kurz vor uns stand, haben wir abends noch zusammengesessen in der Geschäftsleitung und einer sagte: Wir machen Mitternacht auf. Am Alexanderplatz, Mitten im Zentrum der Hauptstadt. Und das werden wir bekannt geben."

    Reportage: "Zehntausende drängen zum Eingang. Die Menschen werden eingekeilt und kommen nicht mehr raus."

    Most: "Und das hatten wir unterschätzt, was da los ist. Die Menschenmassen, die vor der Deutschen Bank standen am Alexanderplatz, und dann gingen ja Bilder um die Welt, wo Leute mit der D-Mark schwenken. Euphorisch schwenkten, bei uns noch die Scheibe eintraten von der Bank, weil die Menschenmassen so eng davor standen und die da vorne waren, konnten sich gar nicht mehr retten."

    Reportage: "Das ist ja Wahnsinn. Die treten sich ja tot da vorne. Einen Schuh hab ich verloren."

    "Dann drängen immer mehr Menschen dazu, und andere Personen werden gegen Pfosten und Scheiben gequetscht. Einige werden ohnmächtig und bekommen einen Kreislaufkollaps."

    Most: "Alle wollten sofort D-Mark haben. Und demzufolge standen Schlangen in jeder Bank, wo se von ihren Bankkonten abheben wollten und so weiter. Und das hat funktioniert."

    Trotz der Euphorie der ersten Tage: Sehr schnell zeigte sich, dass die Kritiker des Umtauschkurses wie Edgar Most Recht behalten sollten. Für viele volkseigene Betriebe bedeutete die Währungsunion das Aus. Ihre Produkte waren zu D-Mark-Preisen nicht mehr konkurrenzfähig. Das hatte drastische Folgen für den Arbeitsmarkt. Innerhalb von vier Jahren sank die Zahl der Beschäftigten in den neuen Bundesländern von 9,8 Millionen auf 6,3 Millionen.

    Aber hätte es eine Alternative gegeben? Und: Wäre sie durchsetzbar gewesen? Darüber diskutieren Ökonomen und Politiker bis heute.

    Most: "Die Angst, die ich hatte, dass die D-Mark ja nur das äußere Erscheinungsbild ist für eine neue Wirtschaftswelt, die hat sich dann später voll bestätigt. Man kann es heute nur schwer korrigieren, aber man müsste die vereinigungsbedingten Fehler noch einmal auf die Tagesordnung setzen."

    Sarrazin: "Das ist wie ein Wendemanöver auf hoher See. Es ist gefährlich, aber es geht jetzt nicht anders. Aber wenn es dann richtig läuft, auch wenn das Boot dann so ein bisschen Wasser nahm, dann war es ok. Wenn man dabei kentert, war es halt falsch. Und es ist in der Summe richtig gelaufen, wenn auch das Boot ein bisschen Wasser genommen hat."