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Das Ende der Plagegeister

Biologie.- In Italien geht die fünfjährige Testphase eines Projekts zu Ende, in dem einer der größten Seen des Landes nahezu mückenfrei gemacht werden sollte. Mit Erfolg: Die Insekten wurden um 70 Prozent reduziert - mit umweltverträglichen Mitteln.

Von Thomas Migge | 19.10.2010
    "Das gesamte Ufer des Trasimenosees ist seit einigen Jahren bevorzugtes Lebensgebiet der Chironomidae, der Zuckmücken. Die belästigen nicht nur die Bewohner am See, sondern auch die Touristen und das schlägt sich natürlich auf unsere Tourismusindustrie nieder. Deshalb haben wir 2004 entschieden, gegen diese Mückenplage vorzugehen."

    Alessandro Di Giulio ist eigentlich kein Mücken- oder Insektenexperte, aber der Mückennotstand vor sechs Jahren ließ den Mediziner dazu werden. Di Giulio arbeitet beim Gesundheitsamt im umbrischen Perugia. Zusammen mit Biologen der dortigen Universität organisierte er ein Anti-Mückenprojekt, bei dem es allerdings nicht darum ging, die Insekten komplett auszurotten:

    "Unser Ziel war es, die Mückenbestände soweit zu reduzieren, dass sie Menschen deutlich weniger belästigen, dass aber die Nahrungskette, für die diese Insekten wichtig sind, nicht unterbrochen wird."

    Di Giulio und seine Mitarbeiter bekämpfen die Mücken mit rein natürlichen Mitteln - ohne die herkömmlichen Insektengifte und andere Substanzen, die sich negativ auf die Umwelt auswirken. Das Projekt "Mücken am Trasimenersee" begann 2004. Seitdem konnten die Mückenpopulationen um rund 70 Prozent reduziert werden; zur großen Freude der Anwohner und Touristen.

    "Wir haben es hier primär nicht mit Stech-, sondern mit den nicht stechenden Zuckmücken zu tun, die allerdings ebenfalls sehr lästig sein können, weil sie die Gesichter von Menschen anpeilen. Im Kampf gegen diese Insekten benutzen wir Speziallampen, Fledermäuse, die Hilfe von Biologen und den Bacillus thuringiensis israelensis."

    Als erstes stellten die Forscher 150 Lampen rund um den See auf. Deren 450 Watt-Birnen sind von einem engmaschigen Gitter umgeben, das keine Mücken passieren lässt. Die Mücken versuchen immer und immer wieder die Lichtquelle zu erreichen; bis sie erschöpft zu Boden fallen und sterben. Zweitens stellten die Mediziner und Biologen 100 hölzerne Brutkästen für Fledermäuse auf. Die seit einiger Zeit am See rar gewordenen Fledermäuse ernähren sich primär von Mücken und sind somit willkommene Helfer im Kampf gegen die Insekten. Als dritte Maßnahme befreien Biologen der Uni Perugia regelmäßig den nur rund einen Meter tiefen Seegrund in Ufernähe von allzu dichtem Bewuchs. Zuckmückenlarven finden sich im Wasser, in der Nähe von Pflanzen. Weniger Pflanzen bedeutet weniger Schutz für die Larven und somit bessere Jagdmöglichkeiten für deren natürliche Feinde im See: Krebstiere, Wassermilben und auch Fische.

    Die Hauptwaffe gegen die Zuckmücken ist allerdings ein Bakterium: der sogenannte Bacillus thuringiensis israelensis.

    "Bei diesem Bacillus handelt es sich um eine Unterart des Bacillus thuringiensis. Das Bakterium wird vor allem zur Bekämpfung von Forstschädlingen in der Landwirtschaft aber auch zur Bekämpfung von Insekten eingesetzt, die Krankheiten wie Malaria und Denguefieber übertragen. Ein in alle Einzelheiten erforschtes Bakterium."

    Mit einem eigens von der Universität Perugia für den Einsatz entwickelten Boot, ein Mini-Hovercraft, in dem ein Fahrer Platz findet, werden jährlich 5000 Kilogramm Schädlingsbekämpfungsmittel in Form von Bakterien unter die Seeoberfläche gespritzt, und zwar dort, wo die meisten Larven gefunden wurden. Weil junge Mückenlarven das Bakterium nicht verdauen können, gehen sie daran zugrunde. Larven in fortgeschrittenen Wachstumsstadien hingegen überleben die Behandlung. So wird verhindert, dass alle Larven sterben und die Nahrungskette, deren Teil die Larven und Mücken sind, unterbrochen wird. Dermatologische Labortests und regelmäßige Kontrolluntersuchungen ergaben bisher keine Nebenwirkungen der Bakterienkur gegen Mückenlarven, weder für andere Tiere, noch für Pflanzen und sommerliche Schwimmer im See.

    Die von der Uni und dem Gesundheitsamt entwickelte Anti-Mücken-Methode lässt sich auch auf Stechmücken anwenden. Der einzige Unterschied zum Kampf gegen Zuckmücken: der tödliche Bazillus muss an der Wasseroberfläche versprüht werden - denn dort und nicht unter Wasser finden sich die Larven von Stechmücken.