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Das Ende der unsichtbaren Bomber

Flugzeuge können der Luftraumüberwachung per Radar entkommen: durch spezielle Konstruktion oder niedrige Flughöhe. Beide Tricks versuchen Techniker zu umgehen, indem sie die Echos messen, die Flugzeuge im elektromagnetischen Wellenmeer von Radio und Fernsehen hinterlassen. Passivradar heißt diese Methode.

Von Sönke Gäthke | 06.06.2012
    Der modernste Jäger der Welt, die F-22 Raptor und eine der ältesten, kleinen Propellermaschinen, die Cessna Cherokee: Sie könnten unterschiedlicher kaum sei und haben doch eines gemeinsam: Auf dem Radar zur Luftraumüberwachung sind sie nur schwer oder gar nicht zu entdecken. Das will Heiner Kuschel Ingenieur vom Fraunhofer Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik bei Bonn ändern. Konventionelle Funkmesstechnik kann die Flugzeuge nicht entdecken, erklärt er.

    "Im Radar haben Sie normalerweise Impulsformen. Das heißt, man strahlt einen Impuls ab, und dann kommt eine Totzeit, in der man das Echo empfängt."

    F-22 und Cessna können diesen Funkimpulsen aus unterschiedlichen Gründen entgehen. Die F-22 wappnet sich gegen die Frequenz der Strahlen durch ihre Form. Radargeräte senden ihre Impulse auf einer hohen Frequenz. Davor schützen die winkligen Formen der F-22, die Stealthtechnik. Sie zerstreuen die gebündelten Funkstrahlen - das Flugzeug wirft kein Echo.

    Die Cessna dagegen ist eher unbeabsichtigt unsichtbar: Die Radarimpulse sind scharf gebündelt wie Lichtstrahlen. Sie werden hoch in den Himmel gerichtet - tief fliegende Flugzeuge wie die Cessna gleiten drunter hinweg, ohne ein Echo zu erzeugen. Heiner Kuschel:

    "Der Ausweg ist Passivradar."

    Passivradar bedeutet: Die Ingenieure suchen nicht mehr den Himmel ab, indem sie Funkstrahlen in den Himmel schicken. Stattdessen nutzen sie Funkstrahlen, die bereits da sind: gesendet von Radio- und Fernsehsendern.

    "Dieses Signal empfangen wir in unserem Passivradar-Empfänger, zusätzlich empfangen wir Echosignale, die dadurch erzeugt werden, dass dieses Sendesignal an irgendwelchen Flächen reflektiert wird."

    Zu diesen Flächen zählen zum Beispiel die Tragflächen von Flugzeugen. Die Echos stören den Rundfunkempfang nicht, lassen sich aber mit besonderen Antennen empfangen. Das wies 1934 Sir Watson Watt - ein britischer Ingenieur - nach.

    Nutzen ließ sich diese Technik damals aber noch nicht. Und die Konkurrenz - das aktive Radar - machte so rasante Fortschritte, dass sich eine Entwicklung des Passivradars nicht lohnte. Erst als Anfang der achtziger Jahre die ersten Tarnkappenflugzeuge an den Start gingen, erinnerten sich die Militärs der alten Idee. Doch die Ortung blieb lange Zeit kümmerlich. Der Durchbruch kam erst mit Digitalradio und Fernsehen.

    "Bei den digitalen Signalformen, da komme ich auf Auflösungsentfernungen in der Größenordnung 50 bis 200 Meter, wohingegen die Auflösungsentfernung im UKW-Bereich bei zwei bis drei Kilometern liegt."

    Der Grund: Analoge Sendungen brauchen relativ wenig Platz im Äther, einfach gesagt. Digitale Sendungen dagegen strecken sich im Frequenzspektrum viel breiter aus. Zusätzlich bilden die digitalen Sender ein Gleichwellennetz - alle Sender strahlen das gleiche Signal auf der gleichen Frequenz aus. Ein Echo von einem Flugzeug in diesem Wellenrauschen lässt sich viel einfacher orten. Die besondere Konstruktion der F-22 schützt nicht vor diesen breiten Funkstrahlen; sie wird darin sichtbar. Und weil die Funkstrahlen dicht am Boden gesendet werden, hinterlässt auch die Cessna elektromagnetische Spuren.

    Das Passivradar empfängt diese Echos und stellt sie auf einem Monitor dar. Führen Heiner Kuschel und seine Kollegen die Entwicklung erfolgreich fort, dürfte das Zeitalter der Stealthflugzeuge in der Nähe digitaler Senderketten zu Ende gehen. Doch nicht nur das Militär ist an dieser Technik interessiert. Auch die EU die Entwicklung passiver Radarsysteme - mit der Absicht, einen Anschlag mit Flugzeugen wie bei 9/11 rechtzeitig erkennen zu können.